Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 19.01.2007:
Ein schickes Münchner Restaurant heißt „Hitler“, ein Modefriseur taufte seinen Salon „Mussolini“ und eine Szenen-Bar wurde mit Pinochet-Porträts dekoriert. Ist nur ein Scherz. Wäre es wahr, hätte im Münchner Stadtrat längst ein Aufstand der Anständigen stattgefunden. Wackere Bürger würden sich an den Türen der Etablissements anketten.
Wahr ist allerdings, dass das ein Restaurant „Mao“ heißt, der Coiffeur „Molotow“ und Bilder von Fidel Castro in der besagten Bar hängen. Im „Mao“ lächelt der Dicke mit der Warze von der Wand und in der Speisekarte erfährt man, dass der Namenspatron viel für die Bildung tat und ein „fortschrittliches Steuersystem etablierte“. Das „Mao“ wird ebenso wenig wie die anderen coolen Locations von ergrauten Altkadern geführt, sondern von trendigen jungen Leuten, in diesem Fall sogar asiatischer Her-kunft. Im Schaufenster hängt eine Gourmet-Empfehlung der Süddeutschen Zeitung. Auch in London und Paris gehören Che Guevaras Konterfei, Hammer und Sichel oder der Aufschrift CCCP zu den geläufigen Design-Elementen im Straßenbild. Das Hisbollah-Logo und Halbmond mit Stern sind schwer im Kommen.
Die geistigen Moden in den Uni-Vierteln lösen sich in schneller Folge ab. Konstant ist nur die anti-westliche Haltung. Egal ob gerade Maoismus, Poststrukturalismus oder Gendertheorie angesagt sind – Hauptsache schon die Erstsemester lernen Demo-kratie und Markt zu verachten. Die offene Gesellschaft ist nicht cool. Oder hat schon mal jemand ein eine Karl-Popper-Basecap gesehen, oder ein Handtäschchen mit George Orwell drauf? Bisher blieben solche Ideologie-Attitüden auf Hörsäle, Bühnen und Designer-Cafés beschränkt. In der weniger exaltierten Welt arbeitender Familienväter und -mütter hatten Marktwirtschaft und westliche Werte einen festen Platz. Doch falls einige Umfragen von Ende 2006 einen Trend ausdrücken, ist auch das nicht mehr so sicher. Zwei Beispiele: Eine knappe Mehrheit der Deutsche erklärte ihre grundsätzliche Unzufriedenheit mit der Demokratie und die Mehrzahl der Briten fanden Bush bedrohlicher als Ahmadinejad.
Das Ansehen der Freiheit scheint ziemlich heruntergekommen zu sein. Warum gera-de jetzt? Heute gibt es in fast zwei Dritteln aller 192 Staaten gewählte Regierungen, in über 80 Ländern existieren sogar echte liberale Demokratien mit allen Grundfreiheiten, die dazu gehören. Eigentlich wäre das doch ein Grund ein wenig stolz zu sein auf die Erfolge der Demokratie. Stattdessen breiten sich kommunistische und isla-mistische Symbole als Designelemente in der Jugendkultur aus, mal ironisch getra-gen, mal as rebellische Geste. Bürgerliche Rechte werden als langweilige Selbstverständlichkeiten wahrgenommen, jeder Anflug von Freiheitspathos zur Peinlichkeit erklärt. Die kulturellen Eliten haben die Mehrheit der Bevölkerung erfolgreich mit ih-rem Weltbild infiziert. Der öffentliche Blick fixiert unentwegt die Fehler, die Wider-sprüche, die Unzulänglichkeiten. Unentwegt tönt das Mantra vom oberflächlichen, entfremdeten, verlogenen, unerträglichen westlichen Lebensstil.
Das Resultat ist ein genereller Relativismus, der die Biertischweisheit von der Politik als „schmutzigem Geschäft“ für den Gipfel der Erkenntnis hält. Und die talkenden Klassen fühlen sich offenbar außer Stande dem entgegen zu treten. Sie sondern lie-ber die gleichen wohlfeilen Sprechblasen ab, womit das Ganze sich zu einem munter sich selbst antreibenden Meinungskarussell entwickelt. Wenn alles gleich schlecht und verkommen ist, kann man es auch lustig finden, Lokale nach Massenmördern zu benennen. Die haben doch wenigstens noch an was geglaubt. Mal sehen wann das erste „Osama“ aufmacht, vielleicht mit Sprengstoffgürtel-Bauchtanz. Wäre echt cool. Wer sich darüber aufregt, ist doch voll der Spießer.