Die berechtigte Kritik Sieferles trifft aber dann doch nicht vollends. Zwar mag man den dokumentierten Kulturpessimismus für überzogen halten und auf der Metaebene genau von jenem Virus infiziert, den Sieferle selbst - oftmals treffend - sezierte. Auch soll ja sein Werk ‘Der unterirdische Wald: Energiekrise und industrielle Revolution’ die Nachhaltigkeitswelle befeuert und unterfüttert haben ... Aber Sieferle findet Dispens in seinem Amt als Historiker, der auch gewissen propagierten Irrtümern von Naturwissenschaftlern aufsitzen darf, ohne damit völlig seine analytische Kraft zu verlieren. Schellnhuber und andere Untergangsprotagonisten haben sich gerade einer fixen Idee verschrieben, die weit weniger kulturpessimistisch ist, sondern einen simplifizierenden und plakativen Deutungsfilm und Heilsbotschaft liefern, der natürlich im Absurden fußt. Sieferle hat dagegen einen geisteswissenschaftlichen Ansatz, der nach inneren Beweggründen forscht. Er, der sich mit den stürzenden Ikarus identifiziert, kann dennoch scharfgesichtige Beobachtungen treffen. Der Blick, an dem er den Leser teilhaben lässt, muss natürliche nicht unkritisch adaptiert werden, erweitert aber wesentlich den Horizont. Dies zu verkennen ist meine Kritik am Maxeiners Rezension. Die Methode der negativen Assoziation, die meine politischen Gegner ad nauseam iteriereren, bedarf keiner Nachahmer von den ‘Guten’.
Wenn man sich Deutschland und die Welt so ansieht, hat man wirklich allen Grund, ein Misanthrop zu sein.
War Sieferle nicht ursprünglich mal ein Linker?
Eine exzellente Analyse. Sieferle ist zum Renegaten, Apostaten, Paria geworden, weil er die ideologische Schraube ein, zwei Umdrehungen zu weit nach rechts gedreht hat. Aber seine Grundhaltung ist in der Tat diejenige des misanthropischen, elitären, den Untergang daher raunenden Kulturpessimismus. Dass sich “Linke” heute auch zu solcher Welt- und Menschensicht herbeifinden können, liegt daran, dass ihre eigene Utopie, der Kommunismus, so krachend gescheitert ist. “Nachhaltigkeit” ist die Schrumpfversion dieser gescheiterten Utopie. Ich habe Sieferles “Finis Germania” (warum eigentlich kein Genitiv für Germania; oder ist Finis der Genitiv, übersetzt also “Germania des Endes, der Grenze” o.ä.) angefangen zu lesen, es dann aber nach ein paar Dutzend Seiten weggeworfen - zu verschwurbelt. Nicht alles, was unverständlich daher kommt, ist auch schon gleich geistig anspruchsvoll.
Wort für Wort richtig, was Maxeiner schreibt, und doch wird er dem Büchlein Sieferles nicht gerecht. Zu einseitig ist sein Blick auf dessen Inhalt. Wie erklärt er es sich, dass Finis Germania von den Lesern ganz anders beurteilt wird, die okologisch apokalytische Seite gar nicht interessiert? Offensichtlich hat sich Sieferles Sicht auf Deutschland und die Welt in den letzten Jahren verändert, was in Finis Germania weniger zum Tragen kommt als in “Das Migrationsproblem”, wie schon andere Kommentatoren erwähnten. Finis Germania ist früher und über einen längeren Zeitraum (Jahre) entstanden. Typisch für den Blick der Leser auf das Buch ist z.B. der Text von Ludwig Witzani als Besprechung auf amazon, in der er zusammenfasst: “Alles in allem beschäftigt sich Sieferle also mit zwei parallelen Bewegungen, die sich in ihrer Struktur und Entstehung aufeinander beziehen: • der Implementierung des Auschwitz-Mythos als innerweltlicher Religion und seiner geschichtlichen Herleitung aus dem sogenannten „deutschen Sonderweg“ – motiviert als Versuch einer Immunisierung gegen die Widerlegung des Modernisierungsprojektes, wie sie schon von Horkheimer und Adorno in ihrer „Dialektik der Aufklärung“, angedacht wurde. • Der Heraufkunft und dem Triumph des universalistischen Relativismus als höchstes Stadium der hypertrophierten Egalität nach dem Untergang der klassischen Familie (mit dem Hinweis auf die größere Zukunftsfähigkeit asiatischer Modelle) • Im Extremfall mündet der universalistische Relativismus im allmählichen Aufgehen aller Völker in einer Art Gesamtmenschheit. Auch die Deutschen verschwinden in diesem atomisierten Milliardenkollektiv, nachdem sie sich von ihrem konkreten, für immer sündenbehafteten Nationalkörper befreit haben. Doch auch wenn sie verschwunden sind, bleibt die Erinnerung an die im Deutschen Namen begangenen Untaten als absolutes Negativum der quasireligiöse Bezugspunkt des universalistischen Relativismus gegenwärtig.” (Zitatende) An diesem Punkt verstärkt Finis Germania die in “Das Migrationsproblem” gelieferte konkrete Kritik der herrschenden politischen Kaste, von Sieferle auch konsequent als Nomenklatura erkannt. Wenn also Maxeiner Recht hat, was dann? Zweifellos haben sich sozialistische und ökoreligiöse Anschauungen tief in die Überzeugungswelt der Deutschen eingegraben. Keine Partei mit klaren Gegenpositionen. Einzelne Gegner finden sich bei der AfD (die immerhin gegen EEG und für Kernenergie im Programm eintritt, wobei es fraglich ist, ob die Mehrheit der aktuellen Mitglieder das so sieht) , z.T. wohl auch immer noch in der FDP und der CDU/CSU. Garnicht finden sie sich in der SPD, bei Grünen und Linken. Überall sind sie Minderheit. Ist es da nicht konsequent, alle Kräfte zu konzentrieren auf die Auseinandersetzung mit der islamischen Agression gegen Europa? Ist nicht eine Anti-Islam-Koalition gefordert, ganz so, wie Roosevelt und Churchill den Pakt mit Stalin schlossen? Müssen wir also mit Querfront leben? Wenn es uns nicht gelingt, die Migration zu stoppen und die Islamisierung zu verhindern, sind dann nicht alle anderen Fragen obsolet?
Das ist eine zutreffende Kritik an dem Werk, das in vielen Punkten ein echt grünes genannt werden kann. Wahrscheinlich hat der Verlag sich auch nicht zufällig für den grünen Umschlag entschieden. Fairerweise muß man allerdings auch sagen, daß diese Rezension nur Teilaspekte des Werkchens zum Thema macht und sich über andere nicht äußert. Man muß ja fragen, woher denn der Pessimismus bei Sieferle seine Beharrlichkeit nimmt, wo doch Typen wie Schellnhuber in Deutschland mittlerweise weitgehend den Diskurs bestimmen. Warum Untergang wähnen, wo doch der antikapitalistische Zug immer mehr an Fahrt gewinnt? Das wäre doch Morgenluft für den hier trefflich beschriebenen Kulturpessimisten. Ganz so ist es also auch wieder nicht, der Pessimismus, wenn auch mit der üblichen romantizistischen Dosis Technikfeindlichkeit (Heidegger, Jünger & Co.) und teilweise Antikapitalismus durchmischt, hängt doch wesentlich auch an anderen Drähten, nämlich denjenigen des destruktiven deutschen Selbstbildes - als gerade wieder des Kulturpessimismus’ der Deutschen in bezug auf sich selbst - und seinen Folgen. Und hier hat das Buch in der Tat den ein oder anderen Fingerzeig zu bieten, noch dazu elegant formuliert.
na gut, dass ich mich bei ihnen mal darüber informieren konnte, was dieser Sieferle sonst für einen kulturpessimistischen Blödsinn verfasst hat. Ich habe mir ihn schon als neuen Kritiker der linksideologischen Selbstauflösung und Masseneinwanderung verkaufen lassen. Ich kann dem Sieferle leider nicht mehr zurufen, beschreibt doch erst einmal was ihr antrefft und packt es nicht gleich in so eine monokausale Welterklärungs und Untergangsphilosophie.
Also wirklich Herr Maxeiner, wenn Sie “die Natur als geistigen Bezugspunkt” nicht erkennen wollen, frag ich mich, ob denn nicht Sie der erste Unbefleckte sind
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