Manchmal weiß man gar nicht, worüber man sich vor lauter Empörung zuerst empören soll. Die Geschichte von Henrico Frank, dem arbeitslosen Wiesbadener, ist so ein Fall. Wer nervt mehr: Der selbsternannte Arbeitslosenführer oder Medienkollegen, die sogleich eine Kampagne gegen den Mann starten? Und das ausgerechnet kurz vor Weihnachten, wo doch eigentlich Zeit für ein paar besinnliche Armutsgeschichten wäre.
„Warum kriegt so einer Stütze?“ lärmte die „Bild“-Zeitung, und schimpfte: „Er hat uns alle verarscht!“ Mir ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass mich der Herr Frank nicht „verarscht“ hat. Damit stimmt das „alle“ schon nicht mehr. Das ist deshalb relevant, weil man bei „alle“ und „Stütze“ eine weitere Einzelfall-Debatte am Horizont aufziehen sieht. Wie damals bei „Florida-Rolf“. Die Empörung über ein paar Einzelne, die sich erfrechten, deutsche Sozialleistungen unter südlicher Sonne statt im deutschen Regen zu verprassen, hat sogar zu einer Gesetzesänderung geführt. Bei Hartz IV war das Parlament aber schneller. Sollte Frank Jobs ablehnen, die ihm die Mainzer Staatskanzlei vermittelte, obwohl er sie trotz schwacher Gesundheit hätte annehmen können, dann kappt ihm das Amt ohnehin die Stütze - auch ohne „Bild“-Kampagne.
Herrn Frank entschuldigt das aber alles trotzdem nicht. Man kann ja in einem freien Land stolz sein auf eine schlimme Frisur, moderige Klamotten und einen „Arbeit ist Scheiße“-Aufkleber. Aber dann ist man wenigstens nicht so leichtsinnig, auf dem Weihnachtsmarkt den Ministerpräsidenten auf das Thema Arbeitslosigkeit anzuquatschen. „Haste ma ‘n Euro?“ hätte es auch getan.
(“Kulturschock der Woche” im Kölner Stadt-Anzeiger, 23.12.06)