Der russische Sender Doschd war dem Kreml zu kritisch und wechselte ins lettische Exil. Jetzt hat er auch dort seine Sendelizenz verloren. Warum?
Eine hitzige Debatte über Äußerungen eines Moderators hat zum Entzug der lettischen Sendelizenz des oppositionellen russischen Kanals Doschd geführt, berichtet nzz.ch. Doch der Reihe nach: Im März wurde es daheim in Moskau bedrohlich für den damals noch in Russland arbeitenden Sender. Grund war die offene Gegnerschaft zum Krieg. Hals über Kopf hatten nahezu alle Mitarbeiter Russland verlassen. Im Sommer habe Doschd dann eine Sendelizenz in Lettland erhalten und sein Programm neu gestartet.
Nun - so der NZZ-Bericht - sei das Projekt, als russischsprachiger Exilsender ein Millionenpublikum auf YouTube zu erreichen und den Zuschauern in Russland ein Gegenbild zur Propaganda anzubieten, erneut in akuter Gefahr. Der lettische Rat für elektronische Medien habe dem Sender am Dienstag die Lizenz entzogen und wolle sogar erreichen, dass dieser in Lettland auf YouTube blockiert werde, heißt es in verschiedenen Presseberichten. Grund wäre die «Gefährdung der nationalen Sicherheit». Und das bei einem Sender, der eine dezidierte Gegnerschaft zum Putin-Regime und zum Ukraine-Krieg pflegt? Wie konnte das passieren?
Alexei Korosteljow, ein langjähriger Mitarbeiter, soll am Donnerstagabend in der Hauptausgabe der Nachrichtensendung auf eine extra eingerichtete E-Mail-Adresse verwiesen haben, an die sich bei der Mobilisierung eingezogene russische Reservisten und ihre Angehörigen mit Berichten über Missstände und Verbrechen wenden könnten. In Anspielung auf die Tatsache, dass russische Behörden durchaus versuchen, auf öffentich allzu bekannte konkrete Fälle zu reagieren, damit sie nicht im Blickfeld bleiben, hätte er den verhängnisvollen Satz gesagt, so habe man schon manchem Militärangehörigen zu besserer Ausrüstung und mehr Komfort an der Front verhelfen können. In Lettland sei diese Äußerung als Beleg dafür gewertet worden, dass Doschd aktiv die russische Armee unterstütze.
Chefredakteur Tichon Dsjadko habe nun versucht, den umstrittenen Satz zum „Versprecher“ zu erklären und Korosteljow fristlos entlassen. Im Sender hätte es daraufhin Empörung über die Entlassung des Moderators gegeben, weshalb drei weitere Mitarbeiter den Sender unter Protest verlassen hätten. Für die offizielle russische Seite war dies natürlich ein gefundenes Fressen, um Zweifel an den Berichten des Senders zu fördern. Wer glaube, im Ausland gebe es Freiheit und in Russland nicht, werde eines Besseren belehrt, habe Putins Sprecher den Vorgang kommentiert. Viele Beobachter halten die lettische Entscheidung für einen großen Fehler, weil sie eben nur dem Kreml nützt. Der Sender soll nun versuchen, weiterhin ein YouTube-Programm für seine russischen Zuschauer zu produzieren.