Ivo Bozic / 01.04.2007 / 16:51 / 0 / Seite ausdrucken

Fensterln für den Frieden

Beim Fensterln macht der Mann des Nachts heimlich der Geliebten seine Aufwartung, indem er mit Hilfe einer Leiter zum betreffenden Fenster klettert und gelegentlich dann dort Einlass ins Schlafgemach findet. So erklärt Wikipedia den etwas aus der Mode gekommenen Brauch der Brautwerbung. Welches Begehren die Bundeskanzlerin Angela Merkel - wir lernen, auch Frauen fensterln gelegentlich - an die Fenster der Arabischen Liga treibt, wissen wir nicht genau, aber dass es hauptsächlich um die Moneten geht, die in den Schlafgemächern der arabischen Staaten unter den Kopfkissen liegen, dürfen wir vermuten. Jedenfalls hat die Kanzlerin die „Friedensinitiative der Arabischen Liga“ für den Nahen Osten freudig begrüßt und erklärt, sie sehe nun ein „ein Fenster der Gelegenheit“, durch das sie offenbar zu steigen gedenkt.

Dass diese „Friedensinitiative“ hauptsächlich aus zwei uralten Forderungen - Abzug Israels aus allen besetzten Gebieten und das Rückkehrrecht der so genannten palästinensischen Flüchtlinge - besteht, scheint dabei keine Rolle zu spielen. „Frieden für Land“ (http://spiritofentebbe.blogspot.com/2007/03/its-terror-stupid.html) nennen die arabischen Staaten dies, und wenn man sich nicht daran erinnert, was nach dem Abzug Israels aus dem Südlibanon passiert ist, was nach dem Abzug aus dem Gazastreifen passiert ist, und wenn man von den fast täglich auf Israel abgeschossenen Qassam-Raketen und den regelmäßig versuchten Selbstmordanschlägen nichts hören will, also von dem Terror, den Israel für jedes Fleckchen Land, welches es hergab, bekam, dann könnte man das womöglich für eine gute Idee halten. Jedenfalls wenn man zusätzlich außer Acht lässt, dass der israelische Staat als mehrheitlich jüdischer Staat aufhören würde zu existieren, wenn man die rund 5 Millionen so genannten Flüchtlinge in das 6,5 Millionen Einwohnerland Israel strömen ließe.

Einzig neu an dem Vorschlag ist, dass die Arabische Liga ihn diesmal mit einer Drohung versieht: Der Vorsitzende der Liga, Amr Mussa, sagte, Israel solle den Plan lieber erst annehmen, anstatt als Bedingung Abänderungen zu verlangen. „Wir sind an einer Kreuzung - entweder bewegen wir uns auf einen echten Frieden zu, oder wir sehen eine Eskalation der Lage.” Müsste die Formel da nicht eher „Land oder Krieg“ lauten?

Merkel, Steinbrück und die EU - sie sind aber ganz aus dem Häuschen. Endlich gehe es vorwärts. Sie sehen nicht nur „Gelegenheiten“, sondern auch neue „Chancen“, „Möglichkeiten“, „Gründe zur Hoffnung“. Man müsste ihnen, wenn man ihnen nicht Idiotie unterstellen möchte, eine antiisraelische Einstellung attestieren, wenn, ja wenn es in der israelischen Regierung nicht genau so denken würde. Auch Ministerpräsident Ehud Olmert begrüßt die „Friedensinitiative“ und spricht von „Möglichkeiten“, die jetzt genutzt werden müssten. Wieder einmal gibt er den Kaspar für die Weltöffentlichkeit, um zu zeigen, wie Dialogbereit Israel ist.

Olmert ist selbst ein großer Meister im Fensterln. Bei Abbas kriecht er regelmäßig rein und hat ihn selbst zum tollen Liebhaber stilisiert, mit der naiven Absicht, damit die Isolierung der Hamas vorantreiben zu können. Doch die Versuche der israelischen Regierung, die beiden Terrororganisationen Fatah und Hamas in Gut und Böse einzuteilen, haben mit zu dem Dilemma geführt, in dem sich Israel nun nach der Konstituierung einer palästinensischen Einheitsregierung befindet. Alle Welt fordert die Anerkennung dieser Hamas-geführten Regierung, zumindest mit den „Guten“ müsse man doch reden. Wie soll Olmert aus dieser selbst miterrichteten Falle herauskommen?

Fatah und Hamas haben mit ihrer Einigung in Mekka nicht nur wegen der fürstlichen Entlohnung durch Saudi-Arabien einen historischen Erfolg errungen. Zwar ging es, wir erinnern uns, ja eigentlich um die Beendigung der innerpalästinensischen Gewalt in Gaza, wovon angesichts der zahlreichen tödlichen Eskalationen in den vergangenen Wochen keine Rede sein kann, aber ein anderes Ziel haben sie erreicht: Durch das auch von Olmert für Abbas aufgestoßene Fenster kriecht nun die Hamas in die Salons der internationalen Diplomatie.

Fensterln ist laut Wikipedia eine „inzwischen fast bedeutungslos gewordene Aktivität“. Vielleicht, weil sich gezeigt hat, dass sie meist von sehr zweifelhaftem Erfolg ist. Die Hamas jedenfalls fensterlt nicht, sie lässt fensterln und nutzt die offenen Luken. Sie frisst keine Kreide, sie macht keine Kompromisse, sie propagiert offen die Gewalt - und sie hat Erfolg. Nicht, dass man sich deshalb die Hamas zum Vorbild nehmen sollte. Aber zumindest könnte man, während man schläft, ja mal die Rollläden runterlassen, damit nicht jeder einfach so ins Bett kriechen kann.

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