Nach dem Willen der Entwicklungshilfe-Ministerin Svenja Schulze sollen bereits in zwei Jahren 93 Prozent der „vorhabenbezogenen“ Mittel der Entwicklungszusammenarbeit die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern und der Anteil der Projekte mit „Geschlechtergerechtigkeit“ als Hauptziel verdoppelt werden.
Die Chefin im BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), Ministerin Svenja Schulze (SPD), sollte später nicht behaupten, dass niemand sie gewarnt habe. Es war sogar das hauseigene Evaluierungsinstitut (DEval), das im letzten Jahr hinwies auf politisch ungünstige Auswirkungen des von ihr durchgesetzten Strategiewechsels hin zu einer „Feministischen Entwicklungspolitik“. Nach dem Willen der Ministerin sollen nämlich bereits in zwei Jahren 93 Prozent der „vorhabenbezogenen“ Mittel der Entwicklungszusammenarbeit die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern und der Anteil der Projekte mit „Geschlechtergerechtigkeit“ als Hauptziel verdoppelt werden.
Auf der Grundlage einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung war das DEval zu durchaus interessanten Ergebnissen gekommen: Im Vergleich zu anderen möglichen Schwerpunkten, wie etwa den Themen Menschenrechte oder Friedensförderung, sei eine feministische Entwicklungspolitik deutlich negativer beurteilt worden. Das Thema sei damit geeignet, den – offenbar vorhandenen – breiten Konsens in der Bevölkerung zur Entwicklungspolitik generell infrage zu stellen, weil weite Teile der Öffentlichkeit gewisse entwicklungspolitische Schwerpunkte, zum Beispiel einen feministischen, stark verbinden mit bestimmten Parteien und deren Programmen. Davon ließen sich die BMZ-Chefin und ihr Gefolge ganz offensichtlich aber nicht beeindrucken.
Bevor Ministerin Schulze hier nun die Gelegenheit erhält, ihrem Volke oder zumindest dem Achgut-Leser die Essentials ihrer feministischen Entwicklungspolitik im O-Ton zu erläutern, soll dem BMZ vorab die Möglichkeit gegeben werden, kurz auf ein naheliegendes Problem dieser speziellen Entwicklungspolitik einzugehen. Herangezogen werden soll dazu der Internet-Auftritt des BMZ, in dem sich auch eine FAQ-Rubrik zu dem hier interessierenden Themenbereich findet.
Dort stößt der Leser auf die folgende, in der Tat ausgesprochen naheliegende Frage an die Ministerin: „Wie gehen Sie mit Partnerländern um, die kein Interesse an einem feministischen Ansatz haben?“ Schwierig, schwierig, aber wozu haben Ministerien schließlich personell bestens ausgestattete Agitprop-Abteilungen: „In der Zusammenarbeit mit Partnerländern, die gegenüber den Zielen und Werten feministischer Entwicklungspolitik skeptisch oder kritisch eingestellt sind, bewegen wir uns in einem Spannungsfeld. Dabei treten wir entschieden für unsere Ziele und Werte ein, aber definieren die konkrete Ausgestaltung im Land im partnerschaftlichen Dialog. So ermöglichen wir gemeinsam mit der jeweiligen Partnerregierung kleinere, jedoch langfristige Fortschritte für Geschlechtergleichstellung.“ Bei einem solchen Spagat muss die Ministerin allerdings aufpassen, dass es – um hier ein geschlechterneutrales Bild zu bemühen – nicht zu einem Dammriss kommt.
Hier spricht die Ministerin
Aber behutsame Zurückhaltung entspricht eigentlich weder dem Naturell der Ministerin noch passt es zu einer Programmatik, die beansprucht, endlich den Stein der Weis:innen gefunden zu haben. So kann es nicht überraschen, dass die Podcast-Einlassungen von Schulze zu ihrem entwicklungspolitischen Herzensanliegen getragen sind von einem ebenso gnaden- wie bodenlosen Optimismus. Für ihren Auftritt im Podcast „Aus Regierungskreisen“ lässt sich Ministerin Schulze zum Thema feministische Entwicklungspolitik von einer durchaus eloquenten und nicht uncharmanten Moderatorin die Stichworte liefern, deren Vita im Übrigen erhellende Einblicke in eine bestimmte Sphäre des Berliner politmedialen Komplexes bietet. Von wirklich kritischen Nachfragen bleibt die Frau Ministerin selbstverständlich verschont.
Im Folgenden habe ich für den geschätzten Leser – in chronologischer Abfolge – einige Höhepunkte dieses gut 21-minütigen Interviews ausgewählt, die wortwörtlich wiedergegeben werden. Einen Kommentar habe ich mir jeweils geschenkt, sprechen doch die Äußerungen in ihrer Schlichtheit und ideologischen Verengung für sich. Lassen wir also im folgenden Frau Ministerin Schulze im O-Ton auf uns wirken.
Alles nur eine Frage der Gerechtigkeit
[Moderatorin, (M)] Ja, was verbirgt sich denn eigentlich konkret hinter diesem Begriff „feministische Entwicklungspolitik“?
[Schulze, (S)] Feministische Entwicklungspolitik ist eigentlich nur eine Frage der Gerechtigkeit. Frauen und Mädchen machen ja die Hälfte der Weltbevölkerung aus und deswegen müssen sie auch die Hälfte der Macht haben. (…)
[M] Was gewinnt eine Gesellschaft, wenn sie eben auf das Potenzial von Frauen nicht verzichtet?
[S] Na ja, wenn Frauen gleichberechtigt sind, wenn sie gleiche Verantwortung tragen, dann wissen wir, dass es weniger Armut gibt, dass es weniger Hunger gibt, dass die Welt insgesamt stabiler wird. (…)
Wenn sich Trockenheit und Hitze breitmachen
[M] Sie haben Ihre neue Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik ja gemeinsam mit Bundesaußenministerin Baerbock vorgestellt, die wiederum eine feministische Außenpolitik umsetzen möchte. Was ist denn der Unterschied zwischen feministischer Entwicklungspolitik und feministischer Außenpolitik?
[S] Na ja, feministische Entwicklungspolitik setzt ja ganz konkret an den Projekten an, die wir machen. Wir sind ja in der Entwicklungszusammenarbeit mit vielen Partnerländern unterwegs und setzen genau da an, diese Projekte dann anders zu machen. Sie setzt daran an, dass wir auch im Ministerium dafür sorgen, dass Gleichstellung wirklich eine Rolle spielt und dass das auch so bleibt. (…)
[M] Was ändert sich denn jetzt durch diese neue Strategie an unserer Entwicklungszusammenarbeit generell — um das auch mal als Bürgerin und Bürger zu verstehen?
[S] (…) Man kann das am Beispiel des Klimaschutzes deutlich machen: In der Landwirtschaft arbeiten sehr, sehr viele Frauen. Die sind auch die Wissensträgerinnen, was man denn eigentlich tun muss, wenn sich über die Klimaveränderungen mehr Trockenheit, mehr Hitze sozusagen in den Ländern breitmacht. (…)
Die Wissenschaft ist auf Schulzes Seite
[M] Welche Regionen beziehungsweise Länder stehen denn bei Ihrer Strategie da im Fokus?
[S] Die Strategie gilt für die gesamte Entwicklungsarbeit. Also, wir fangen hier in Deutschland an. Wir müssen auch im Ministerium natürlich da sensibilisieren und dafür sorgen (…) Zum Beispiel: Ich gehe nicht auf Diskussionsveranstaltungen, wo ich in Diskussionsrunden sitze, wo nur Männer sind. (…)
[M] Sie reisen auch viel in Partnerländer, erleben dort die Entwicklungen. Was können Sie uns berichten?
[S] Ich lerne auf meinen Reisen unglaublich starke Frauen kennen, die unglaublich viel gleichzeitig hinbekommen, die sehr viel voranbringen. Und wir wissen hier so wenig darüber. (…)
[M] Was kann denn die Bundesregierung jetzt machen, um diese „3 Rs“, die Sie uns gerade so schön erklärt haben, durchzusetzen?
[S] (…) die Wissenschaft, die Evidenz ist da auf unserer Seite. Wir können nachweisen, dass Projekte, in denen Frauen beteiligt werden, in denen sie auch mit im Fokus sind, die deutlich erfolgreicheren Projekte sind und die Gesellschaft weiter voranbringen.
Das kann sie ganz konkret messen
[M] Entwicklungspolitik soll vor Ort im partnerschaftlichen Dialog stattfinden. Es gibt aber bestimmt auch einige, die sagen: „Der Westen drückt damit sein Gesellschaftsbild, seine Wertevorstellungen den Partnerländern auf.“
[S] Das ist keine westliche Wertevorstellung. Die Gleichstellung von Frauen ist ein Menschenrecht, [das] wir international miteinander vereinbart haben. (…)
[M] Ist der Erfolg feministischer Entwicklungspolitik eigentlich messbar?
[S] Ich kann das in meinen Projekten ja ganz konkret daran messen, ob die Projekte erfolgreich sind. Da gibt es einfach Evaluierungen und wir können zeigen: Ist es gelungen oder ist es nicht gelungen? Und natürlich lernt man auch aus Dingen, die nicht gut gelungen sind, aber noch mehr aus wirklich erfolgreichen Projekten. Und das lässt sich bei uns wirklich ganz detailliert nachweisen, in der Evaluierung der Projekte.
Warum Frauennetzwerke so wichtig sind
[M] Netzwerke ausbauen ist für Sie auch ein ganz wichtiger Punkt. (…)
[S] (…) Ich habe jetzt Frauennetzwerke gegründet, die eben mit mir zusammen feministische Politik voranbringen. Und wenn wir in Gremien sind und nicht nur eine Frau sagt: „Da muss aber darauf geachtet werden, dass Frauen beteiligt werden“, sondern fünf, sechs im Raum das sagen, auch Männer das mitsagen, dann ist es deutlich erfolgreicher und man kann deutlich mehr durchsetzen. (…)
[M] Vielleicht können Sie für uns zum Abschluss noch einmal zusammenfassen, warum feministische Entwicklungspolitik so wichtig ist.
[S] Sie kann erreichen, dass Gesellschaften gerechter werden, dass sie sich besser entwickeln, dass Armut, dass Hunger zurückgedrängt wird, dass Friedensprozesse besser halten. Und deswegen ist feministische Entwicklungspolitik einfach ein Gebot der Vernunft.
Ist es etwa gerecht, fragt sich jetzt der Chronist, dass zwei der drei Staatssekretäre im BMZ männlich sind? Rausschmeißen muss ja nicht sein, da lässt sich doch bestimmt mittelfristig eine weitere Stelle schaffen, z.B. mit den beiden Schwerpunkten „Internationale Frauennetzwerke“ und „Haltbarkeit von Friedensprozessen.“
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.