Vera Lengsfeld / 23.08.2019 / 07:53 / Foto: Fewskulchor / 125 / Seite ausdrucken

„Die Dummheit weiß von keiner Sorge”

In Weimar ist Kunstfest, und offiziell dabei ist der Chef des sogenannten Zentrums für Politische Schönheit Philipp Ruch, der sich mit dem Satz, gegen Nazis hülfen nur Nazimethoden, in eine unheilvolle geistige Nähe derer begeben hat, die er bekämpfen zu wollen behauptet. Ruch hat bis heute nicht verstanden, dass die Lehre aus der Nazidiktatur und jeder anderen Gewaltherrschaft ist, ihre Methoden zu ächten.

Bei seinem Kunstfest-Auftritt, der „Riff der Geschichte“, bei dem er per Anruf im Jenseits den Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel, der sich nicht dagegen wehren kann, befragen will, ist auch die Publizistin Lea Rosh dabei. Der Abend soll eine Reflektion über „die Frage der Wirkmacht der Geschichte und die Ängste des Vergessens sowie als Laboratorium zur Entwicklung zeitgemäßer Strategien der Erinnerung und historischer Aufklärung im widersprüchlichen Zeitalter von Migration, neuem Nationalismus und Rechtspopulismus“ sein.

Da darf man gespannt sein, ob Lea Rosh das wiederholt, was sie im Tagesspiegel publiziert hat

„Solange sich der Islam nicht klar und eindeutig zu folgenden Grundwerten bekennt: zur Trennung von Staat und Religion, zur Würde und zum Selbstbestimmungsrecht jedes einzelnen Menschen, insbesondere dem der Frauen, zur Glaubensfreiheit in dem Sinne, dass ein Wechsel vom Islam zu anderen Religionen selbstverständlich möglich ist, so lange gehört der Islam nicht zu Deutschland!“

In der mangelnden Auseinandersetzung mit diesem Islam, der schon auf „Schulhöfen und Schulklassen in arabisch-türkischen Wohngebieten von muslimischen Kindern und Jugendlichen praktiziert wird“, sieht Rosh richtig eine Ursache des Aufstiegs der AfD und des Rechtsextremismus. Eine These, die Ruch nicht teilen wird. Die Aktionen seiner „Künstlergruppe“ sind eher geeignet, den Blick auf die wahren Ursachen zu verstellen.

Klopapierrollen im Garten Goethes

Während Ruch unter anderem von der Gedenkstätte Buchenwald finanziert wird, hat zu Beginn des Kunstfestes eine andere „Künstlergruppe“, die sich „Frankfurter Hauptschule“ nennt, mit einem infantilen Anschlag auf das Goethe-Gartenhaus von sich reden gemacht. Vermummte feministische „Künstlerinnen“ bewarfen den Garten Goethes, immerhin Weltkulturerbe, mit Klopapierrollen. Diese wahrhaft todesmutige Aktion zur Erlangung von Medienaufmerksamkeit wurde so begründet:

„Aus Protest gegen den unbedarften und beschönigenden Umgang mit Goethe an deutschen Schulen, Universitäten, Theatern und Museen hat die Frankfurter Hauptschule am 20. August Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm in Weimar geschändet. Die Künstlergruppe hüllte das UNESCO-Weltkulturerbe in Klopapier – eine gängige Praxis des Protests im Sport.

In Goethes Werk gäbe es erotische Hierarchien zu ungunsten seiner Frauenfiguren, die von ihm oft als „naive Dummchen” dargestellt würden. Dafür sei das 14-jährige Gretchen im „Faust” das prominenteste Beispiel. In seinem (von Franz Schubert vertonten) Gedicht „Heidenröslein” verharmlose Goethe außerdem „eine brutale Vergewaltigung in lieblichem Trällerton“. Man fordere deshalb, das Gedicht vom Heidenröslein „aus den Schulen zu verbannen.“ Der Dichter hätte sich außerdem als alter Mann der 19-jährigen Ulrike von Levetzow „aufgedrängt“.

Den Feministinnen, die anscheinend keinen blassen Schimmer von Goethes Werk haben, Sex und Liebe nicht auseinanderhalten können, ist entgangen, dass der Meister mit den „Marienbader Elegien“ die vielleicht schönste Liebeslyrik in deutscher Sprache geschaffen hat. Das ist alles andere als eine Vergewaltigung der Ulrike, die übrigens von der Begegnung mit Goethe so erfüllt gewesen zu sein scheint, dass sie unverheiratet blieb.

Jede Menge Gründe zur Sorge – Goethe gehört nicht dazu

Es gibt jede Menge Gründe, sich um die emanzipatorischen Errungenschaften der Frauen in unserem Land Sorgen zu machen. Goethe gehört nicht dazu. Es gibt Vergewaltigungen, sexuelle Belästigungen und Erniedrigungen, Verstümmelung und Ermordung von Frauen, die man dringend thematisieren und bekämpfen muss. In Deutschland werden Mädchen gemäß eines archaischen Brauchs verstümmelt, damit sie keine Lust empfinden können. Es gibt inzwischen mehr als tausend Kinderehen, Zweit- und Drittfrauen von Männern, die in Polygamie leben dürfen, obwohl die bei uns aus guten Gründen verboten ist. Es gibt Mädchen, die von ihren Vätern und Brüdern gezwungen werden, Kopftuch zu tragen und sich unter sackartigen Kleidern zu verstecken. Es gibt zahllose Frauen, die ohne männliche Begleitung nicht das Haus verlassen dürfen. Es gibt Richter, die Gewalt gegen Frauen, wenn sie von Männern verübt wird, die aus gewaltaffinen, frauenfeindlichen Gesellschaften zu uns kommen, für ihre Brutalitäten äußerst milde verurteilen, weil mit Frauen, dort, wo sie herkommen, eben so umgegangen wird.

Was die tapferen Feministinnen betrifft, müssen die sich sagen lassen, dass sie mit ihren infantilen Aktionen von den wahren Problemen ablenken und die frauenfeindlichen Täter begünstigen. Goethe sagte zu solchen Fällen dereinst: „Die Dummheit weiss von keiner Sorge". Sich mit den wirklichen Problemen auseinanderzusetzen, Gesicht gegen wirklich bedrohliche Frauenfeindlichkeit zu zeigen, bedürfte es obendrein etwas, das diesen Feministinnen nicht zur Verfügung steht: Mut und Zivilcourage. Auch wäre mit dem gewohnten Medienapplaus nicht mehr zu rechnen.

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Andreas Rühl / 23.08.2019

@ Herrn Otte: Zivilgesellschaft meint die bürgerliche Gesellschaft. Hat mit Militär nix zu tun. Man kann darüber nachsinnen, warum man den Begriff bürgerliche Gesellschaft (im Gegensatz zu einer ständischen Gesellschaft (Adel, Klerus, “3. Stand”)) durch Zivilgesellschaft ersetzt hat, vermutlich weil bürgerliche Gesellschaft nach Großbürgertum klingt und damit der Arbeiter sich ausgeschlossen fühlen könnte. Gemeint ist die Gesellschaft der gleich Freien, gegründet auf der Überzeugung, dass jeder Mensch mit gleichen Rechten geboren ist, über die niemand verfügen kann außer er selbst. Heute gibt es - bei uns - keine andere Gesellschaft als die Zivilgesellschaft, wobei Auflösungserscheinungen erkennbar sind. Wenn nämlich der Staat dem Bürger nach und nach die Freiräume nimmt, in dem er selbst nach seinem Glück streben kann (vor allem auch: selbst entscheiden, was sein Glück ist), verliert die Zivilgesellschaft ihre Grundlage. Goethe übrigens hatte zeitlebens Zweifel, ob das Bürgertum in der Lage ist, den Fortschritt und die Befreiung der Menschen, die Überwindung der Standesgesellschaft, selbst zu meistern. Er traute das eher dem Adel zu nach der Erfahrung der französischen Revolution. Sieht man sich die Auswüchse unserer Zeit an, die Infantilisierung aller Lebensbereiche auf den kleinsten Gaga-Nenner, lag er vielleicht gar nicht so falsch. Anderseits: schaue ich mir den heutigen Adel an, dann sehe ich da ein noch größeres Problem.

Frank Dieckmann / 23.08.2019

Schade. Nun also auch noch Vera Lengsfeld. Von Nazis und Nazimethoden über Lea Rosh wird der Bogen geschlagen und endet mit der Gleichsetzung von AfD und Rechtsextremismus. Ist das Torschlußpanik oder schlicht Realitätsverlust? Und wenn schon Wilhelm Busch nicht mehr gelesen wird, warum dann noch Goethe? Warum nur Goethe verbieten? Warum nicht gleich alle Bücher, außer natürlich dem Koran? Her mit dem Steinzeitkommunismus islamischer Prägung! Ich glaube Deutschland ist inzwischen das größte Irrenhaus der Welt.

Stefan Zorn / 23.08.2019

By the way: Gutaussehende Feministinnen sind mir noch recht wenige nur begegnet…

Karl Schmidt / 23.08.2019

Die Begründung der radikalen linken Truppe trägt auch deshalb zur Erheiterung bei, weil sie offensichtlich keinen Schimmer haben, wie ungebildet, “dämlich”, Frauen zu Goethes Zeiten im Regelfall tatsächlich waren. Auch Frauen fallen nämlich nicht klug vom Himmel - sie fallen sogar gar nicht vom Himmel -, sondern müssen so erzogen und ausgebildet werden. Das mussten Frauen erst erkämpft, doch scheint das (ausgerechnet) bei den “Frauenrechtlerinnen” völlig unbemerkt geblieben zu sein. Leider bewegt sich die Gruppe damit letztlich in großen Schritten auf genau das Niveau zurück, das für Goethes Zeit prägend war. Offenbar fällt diesen nur sparsam nachdenklichen Personen auch nicht auf, dass historische Tatsachen, Ereignisse und Verhältnisse nicht nachträglich zu ändern sind. Kein Wurfgeschoss hilft da: “Doof bleibt doof” ist insoweit die zutreffenste Umschreibung. Zum Trost: Dieses Schicksal teilen die Frauen auch mit vielen Männern jener Zeit, denn auch die hatten ja keineswegs alle freien Zugang zu einer hochwertigen Ausbildung. Diese Ausrede gilt natürlich nicht für unsere Baumverschwender von Weimar. Das lässt das ganze etwas tragisch erscheinen: So viele Möglichkeiten - und so wenig daraus gemacht. “Infantil” trifft es.

Michael Hinz / 23.08.2019

@Sabine Schönfelder “Genau genommen bedrängte Adam bereits Eva, denn die Bibel schreibt beim Geschlechtsakt: “und er erkannte sie”” Das ist nicht korrekt. Es heißt: “.....und sie erkannten sich als Mann und Frau”. Nachdem sie vom Baum der Erkenntnis (Apfel) gekostet hatten. Sexualität ist Strafe für die Erbschuld so sein zu wollen wie (der allwissende) Gott. Das ist das Großartige am christlichen Mythos: er zeigt auf, wie verheerend, allumfassend diese Strafe ist. Und heute aktueller denn je, siehe die Scheidungsraten (weltweit) und die sexuelle Gewalt, Pornographie und Prostitution, aber auch Quotenfrau und Genderstern gehören zu diesem weiten Thema. Wären wir lieber dumm geblieben, und einTeil unseres Nachwuchses handelt und lebt schon danach. Es könnte gelingen.

Henry Liese / 23.08.2019

In meinem Kindergarten annodunnemals hätte es für einen solchen Umgang mit Klopapier Haue gegeben.

Heinrich Moser / 23.08.2019

Das Heideröslein als Vergewaltigungsgedicht zu interpretieren zeigt die Unwissenheit und Verkommenheit, die auf heutigen Universitäten herrscht. Das Heideröslein gehört zu den Sessenheimer Liedern und bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf Friederike Brion. Goethe beendete seine Jugendliebe zu Friederike Brion nicht sehr vornehm schriftlich. Sie war offensichtlich die große Liebe seines Lebens. Noch Jahrzehnte später (sic) haben beide die Trennung nicht überwunden. Goethe, über 60jährig, erinnert sich: „Die Antwort Friederikes zerriss mir das Herz. Stets empfand ich, dass sie mir fehlte. Was das Schlimmste war, ich konnte mir mein eignes Unglück nicht verzeihen. Hier war ich zum erstenmal schuldig; doch der Abschied war endgültig.“. Im Heideröslein steht das so: Röslein sprach: ich steche dich, daß du ewig denkst an mich, … Röslein wehrte sich und stach, half ihm doch kein Weh und Ach, musst es eben leiden. Kinder an die Macht? Wohl eher zurück in den Kindergarten.

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 23.08.2019

Goethe schrieb ja auch über den Römischen Karneval von dem er ja nicht sonderlich begeistert war. Trotzdem muß man sich damit auseinanderstetzen. Wertvolles Anschauungsmaterial darüber sind die Sondierungsgespräche zwischen Zingarelli (PD) und Di Maio (M5S) die sich noch bis vor 14 Monaten bis aufs Blut bekämüpft hatten und jetzt wieder beste Freunde sein wollen. Gehen Sie davon aus, daß diese Koalition (Monsterkabinett) in die Hose gehen wird und anschließend das große Finale .... der ehemalige Bürgermeister aus Venedig hat dazu “Politisches Massaker” gesagt mit Folgen für mindestens zwei Generationen. Böse Zungen (Murmelstein der Böse) gehen von 70 % für den Centrodestra aus.  - Goethe ist immer noch der Beste! Seine kritische Einstellung zur Französischen Revolution und gegen die Auflösung des HRRDN habe ich immer geteilt!

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