Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 02.05.2008
Wie kann man Rohstoffverbrauch und Emissionen durch neue Technologien vermindern? So lautete das Thema einer Podiumsdebatte, die wir vor ein paar Tagen besuchten. Ein Teilnehmer formulierte folgende These: „Das ist doch alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass sich die Menschen nicht weiter vermehren!“ Nach der Veranstaltung erzählte ein Öko-Spaßvogel einen Witz: „Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Sagt der eine: ‚Du siehst aber schlecht aus. Fehlt Dir was?’ Sagt der Zweite: ‚Ach mir geht’s gar nicht gut. Ich habe homo sapiens.’ Tröstet ihn der andere: ‚Mach Dir keine Sorgen, das geht schnell vorbei’.“ Solches hört man in jüngster Zeit immer öfter. Auf einem Blog der Wochenzeitung Die Zeit schreibt ein Leser: „Wir haben die Wahl zwischen harten, aber humanen Geburtenstoppmaßnah¬men, die das Übel an der Wurzel packen - und unserem selbstverschuldeten elenden Dahinsiechen.“
Auch Fred Pearce, der prominenteste britische Umweltjournalist, sieht sich immer öfter mit solchen Tönen konfrontiert. Eine wirkungsmächtige Strömung der Umweltbewegung betrachte die Menschen der Entwicklungs- und Schwellenländer als eine Plage für den Planeten, die dringend reduziert werden müsse. „Das Echo wird lauter,“ schreibt er, dafür sorge schon die wachsende Lebensmittel-Knappheit. Sein Resümee: „Seien Sie gewarnt, ein grüner Faschismus könnte bald auf dem Vormarsch sein.“
Neu ist das alles nicht. Alexander King, einer der Gründer des Club of Rome, meinte zum Thema der Malariabekämpfung: „Mein Problem ist, dass es die Überbevölkerung verstärkt.“ Der Verhaltensforscher und Umweltaktivist Konrad Lorenz bekannte in einem seiner letzten Interviews: „Gegen Überbevölke¬rung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.“ Und er fügte hinzu: „Es zeigt sich, dass die ethischen Menschen nicht so viele Kinder haben und sich die Gangster unbegrenzt und sorglos weitervermehren.“
Zuviel sind immer die anderen. Besonders seit sie Konkurrenten sind. Anstatt - wie vor 30 Jahren vielfach prophezeit - zu verhungern, machen uns heute Inder und Chinesen die Märkte streitig. Ihr Problem war nicht die hohe Bevölkerungszahl. Und dies gilt auch für das bis heute arm gebliebene Afrika. Die Populationsdichte Afrikas ist niedriger als die der USA (ganz zu schweigen von Deutschland oder Japan). Eine Verminderung der Menschenzahl schafft keinen Wohlstand. Menschen entkommen der Armut sobald sie die Möglichkeiten haben Wissen zu erwerben und über den Tag hinaus zu wirtschaften. Die Misantrophen stellen diese Einsicht auf den Kopf, wenn sie den Fortschritt zum Teil des Problems erklären. So wird ihre Technikfeindlichkeit zur Menschenfeindlichkeit.
Die besten Kolumnen von Maxeiner & Miersch sind soeben als Buch erschienen („Frohe Botschaften“, wjs-Verlag)