Michael Miersch / 02.05.2008 / 08:37 / / Seite ausdrucken

Feindbild Mensch

Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 02.05.2008

Wie kann man Rohstoffverbrauch und Emissionen durch neue Technologien vermindern? So lautete das Thema einer Podiumsdebatte, die wir vor ein paar Tagen besuchten. Ein Teilnehmer formulierte folgende These: „Das ist doch alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass sich die Menschen nicht weiter vermehren!“ Nach der Veranstaltung erzählte ein Öko-Spaßvogel einen Witz: „Treffen sich zwei Planeten im Weltall. Sagt der eine: ‚Du siehst aber schlecht aus. Fehlt Dir was?’ Sagt der Zweite: ‚Ach mir geht’s gar nicht gut. Ich habe homo sapiens.’ Tröstet ihn der andere: ‚Mach Dir keine Sorgen, das geht schnell vorbei’.“ Solches hört man in jüngster Zeit immer öfter. Auf einem Blog der Wochenzeitung Die Zeit schreibt ein Leser: „Wir haben die Wahl zwischen harten, aber humanen Geburtenstoppmaßnah¬men, die das Übel an der Wurzel packen - und unserem selbstverschuldeten elenden Dahinsiechen.“

Auch Fred Pearce, der prominenteste britische Umweltjournalist, sieht sich immer öfter mit solchen Tönen konfrontiert. Eine wirkungsmächtige Strömung der Umweltbewegung betrachte die Menschen der Entwicklungs- und Schwellenländer als eine Plage für den Planeten, die dringend reduziert werden müsse. „Das Echo wird lauter,“ schreibt er, dafür sorge schon die wachsende Lebensmittel-Knappheit. Sein Resümee: „Seien Sie gewarnt, ein grüner Faschismus könnte bald auf dem Vormarsch sein.“

Neu ist das alles nicht. Alexander King, einer der Gründer des Club of Rome, meinte zum Thema der Malariabekämpfung: „Mein Problem ist, dass es die Überbevölkerung verstärkt.“ Der Verhaltensforscher und Umweltaktivist Konrad Lorenz bekannte in einem seiner letzten Interviews: „Gegen Überbevölke¬rung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.“ Und er fügte hinzu: „Es zeigt sich, dass die ethischen Menschen nicht so viele Kinder haben und sich die Gangster unbegrenzt und sorglos weitervermehren.“

Zuviel sind immer die anderen. Besonders seit sie Konkurrenten sind. Anstatt - wie vor 30 Jahren vielfach prophezeit - zu verhungern, machen uns heute Inder und Chinesen die Märkte streitig. Ihr Problem war nicht die hohe Bevölkerungszahl. Und dies gilt auch für das bis heute arm gebliebene Afrika. Die Populationsdichte Afrikas ist niedriger als die der USA (ganz zu schweigen von Deutschland oder Japan). Eine Verminderung der Menschenzahl schafft keinen Wohlstand. Menschen entkommen der Armut sobald sie die Möglichkeiten haben Wissen zu erwerben und über den Tag hinaus zu wirtschaften. Die Misantrophen stellen diese Einsicht auf den Kopf, wenn sie den Fortschritt zum Teil des Problems erklären. So wird ihre Technikfeindlichkeit zur Menschenfeindlichkeit.

Die besten Kolumnen von Maxeiner & Miersch sind soeben als Buch erschienen („Frohe Botschaften“, wjs-Verlag)

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Test 45: 6194

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Michael Miersch / 08.01.2015 / 11:42 / 7

Pressefreiheit 2005 und 2015

Bei den Hass-Attacken 2005 auf dänische Karikaturisten, traute sich nur eine deutsche Zeitung, die Mohammed-Karikaturen aus dem Jylands-Posten nachzudrucken: Die Welt. 2015 verteidigen schon ein…/ mehr

Michael Miersch / 07.01.2015 / 17:05 / 7

18 Uhr vor der Französischen Botschaft in Berlin

Trauer um Charlie Hebdo 07.01.2015. Heute um 18 Uhr versammeln sich vor der Französischen Botschaft in Berlin Bürger, um ihre Anteilnahme mit den Opfern des…/ mehr

Michael Miersch / 06.01.2015 / 20:41 / 16

Der Hauptredner

Gestern war Dr. Udo Ulfkotte Hauptredner in Dresden, nachdem es bereits bei einem ähnlichen Aufmarsch in Bonn gewesen war. Die Thesen und Hypothesen, die der…/ mehr

Michael Miersch / 03.01.2015 / 21:17 / 1

Höchst hörenswertes Interview über Reproduktionsmedizin

Heute habe ich ein Interview auf RBB-Info Radio (zu Gast bei Ingo Kahle) mit dem Kulturwissenschaftler Andreas Bernard über Reproduktionsmedizin und ihre gesellschaftlichen Folgen gehört.…/ mehr

Michael Miersch / 03.01.2015 / 01:15 / 40

An das deutsch-nationale Pöbel-Pack

Leider war ich es, der im Herausgeber-Kreis der Achse vor drei Jahren dafür plädierte, eine Leser-Kommentar-Funktion eizurichten. Und leider habe ich mich damit durchgesetzt. Ein…/ mehr

Michael Miersch / 27.12.2014 / 11:38 / 0

Gegen die Krankheit der geschlossenen Kreise!

Ich bin völlig unverdächtig, katholisch zu sein, aber diese Weihnachten habe ich mich von Herzen über den Papst gefreut. Seine Diagnose der Krankheiten der römischen…/ mehr

Michael Miersch / 24.12.2014 / 01:48 / 7

Was Pegida-Versteher mit Islamisten-Verstehern verbindet

In dem Buch „Terror und Liberalismus“ beschreibt Paul Berman eine Fraktion der französischen Sozialisten, denen in den 30er-Jahren die Deutschen leidtaten. Aus ihrer Sicht wurde…/ mehr

Michael Miersch / 20.12.2014 / 18:35 / 8

Der Kleber-Test funktioniert nicht immer

Christliche Bischöfe nennen die Ausstellung „Köperwelten“ des Schaustellers Gunther von Hagens einen „würdelosen Umgang mit Toten“. Da haben sie Recht. Ben-jamin Netanjahu nennt die Hamas…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com