Dushan Wegner, Gastautor / 20.11.2019 / 12:00 / Foto: Pixabay / 43 / Seite ausdrucken

Feind ist, wer denkt

Manche werden sagen: Ganz klar, das ist das Motto der sogenannten "Haltung" heute. Es gibt die Bürger, Journalisten und Politiker mit sogenannter "Haltung", und man sagt "Haltung", weil "innere Gleichschaltung" etwas abgenutzt ist. Und wer "Haltung" hat, für den gilt eben: "Feind ist, wer anders denkt".

Wenn jemand sagt, dass dieser Satz das inoffizielle Motto aller Haltungsjournalisten und Gutmenschen sei, "Feind ist, wer anders denkt", ich wüsste nicht aus dem Stegreif, wie ich widersprechen sollte!

Manche könnten vermuten, dass es der neue Schlachtruf der Antifa-Schlägertruppen sei. "Feind ist, wer anders denkt". Nun, Linke und ihre Schlägertrupps laufen heute tatsächlich mit ähnlichen Kampf-Parolen durch die Straßen, lärmen und prügeln. Da hört man "Wir sind mehr" und "Ganz Berlin hasst die Opposition". Ja, der Spruch würde sich gut in deren dumpfes Gegröle einpassen, Sie wissen schon: "Wer nicht hüpft, der ist ein Nazi" und so weiter. Es könnte sein, doch es wäre auffallend ehrlich, und so viel Ehrlichkeit traue ich den Antifa-Schlägern nicht zu.

Der Satz, "Feind ist, wer anders denkt" – ist das vielleicht der neue gemeinsame Slogan der Grünen mit den Öffentlich-Rechtlichen? Vielleicht aus einem neuen Framing-Manual, also Version 2.0? Nun, dafür hätte der Satz ein Wort zuviel: Für die lieben Gestalten gilt doch eher: "Feind ist, wer denkt" – Punkt – das "anders" muss nicht extra gesagt werden.

Wir kennen diese Mitmenschen, wir erleben sie auf Twitter und Facebook, diese „Non Player Characters", man erlebt sie in Schulen und Universitäten, man redet mit ihnen auf der Arbeit – für die gilt auch "Feind ist, wer anders denkt" – oder, wie gesagt, wer einfach nur denkt.

Nun, ich will Sie nicht auf die Folter spannen, wobei dieser Slogan tatsächlich etwas mit Folter zu tun hat. Vielleicht haben Sie auch davon gehört. Der Slogan "Feind ist, wer anders denkt", ist der Titel einer seit Jahren und wieder aktuell laufenden Ausstellung des Stasi-Unterlagen-Archivs – und es geht "über die Staatssicherheit der DDR" (siehe bstu.de).

Ganze LKWs von Ironie

Heute ist mal wieder einer dieser Tage, da wird die Ironie mit der ganz großen Schippe geschaufelt. Ach was, nicht mit der Schippe allein – mit der Schubkarre! Nein, auch nicht bloß mit der Schubkarre – ganze LKWs von Ironie, ganze Halden und Berge von Ironie werden abgeladen, und die, die sie abladen, die merken es nicht einmal.

"Stasi-Unterlagen-Archiv" ist die kurze Bezeichnung für die Behörde des "Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen", die ja bekanntlich oft nach dem aktuellen Beauftragten benannt wird, also Gauckbehörde oder Birthlerbehörde. Die Aufsichtsbehörde über dem Stasi-Unterlagen-Archiv ist der Kultusminister, also aktuell Frau Monika Grütters – eine überraschend einflussreiche Politikerin mit viel Geld zum Verteilen (siehe etwa sueddeutsche.de, 26.10.2018). Ihr Büro ist übrigens im Kanzleramt, ein Stockwerk unter Merkel.

"Feind ist", wie gesagt, "wer anders denkt." – Und, nein, meines Wissens ist es auch nicht das neue Motto jener Stiftung, die von einer ehemaligen Stasi-IM geleitet wird – nebenbei: Ist es nur mein Eindruck, dass sie mehr werden, diese ehemaligen Stasi-IMs, die einen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen – und alle haben sie eine Entschuldigung, eine Begründung? Jugendsünde, konnte nicht anders.

Ein befreundeter Arzt hat mir einmal erzählt, dass es wirklich stimmt, dass immer wieder Patienten ins Krankenhaus kommen mit den ausgefallensten Begründungen dafür, wie die Fernbedienung oder die elektrische Zahnbürste in einen Teil des Körpers gelangt sind, wo sie wirklich nicht hineingehören, oder wie ein anderer Teil des Körpers in den Staubsauger gelangt ist. Hingefallen sind sie, ausgerutscht, ganz doof ausgerutscht. "Ein Unfall, Herr Doktor, Sie werden es nicht glauben!", und dieser eine Teilsatz, "Sie werden es nicht glauben", das ist fast das einzige Stimmige an ihren Behauptungen.

Die Geschichten, wie die heutigen Ex-Stasis damals zur Stasi kamen, und eigentlich wollten sie ja gar nicht ihre Mitmenschen verpfeifen, ist halt passiert, die Geschichten der Ex-Stasis erinnern mich an jene Patienten, die halt ausgerutscht sind und dann wirklich ungeschickt auf den Tennisschlägergriff fielen.

Merken diese Leute nicht, dass sie in den Spiegel schauen?

Dieses Wörtchen "Feind" hört man ja heute wieder aus manchem linken Munde. Der politische Gegner ist heute nicht nur ein Andersdenkender, unter "Feind" zählt die Abgrenzung doch gar nicht mehr – wer der Einheitsmeinung widerspricht, wer Kritik übt, der ist ein "Feind der Demokratie"! Einst sagte man, das Bessere sei der Feind des Guten. Wir dürfen aktualisieren: Der Andersdenkende gilt als Feind jener, die sich selbst für die Guten halten.

Der Andersdenkende ist nicht nur Andersdenkender, er ist natürlich mindestens Faschist, so heißt es heute – wieder. Einst baute man einen antifaschistischen Schutzwall gegen den "Feind", und heute heißt es eben, "der Feind steht rechts", und wer rechts steht, dessen Meinung ist "Hass", und "Hass ist keine Meinung" – und dann gehen dieselben Guten zur Ausstellung mit dem Titel "Feind ist, wer anders denkt", und merken diese Leute denn nicht, dass sie in den Spiegel schauen?

Würden diese Leute auch nur für 50 Cent selber denken, wenn sie ihr wunderbares großes Gehirn zu mehr nutzten als nur wie aufgezogene Roboter das GEZ-TV nachzuplappern, dann würden sie erkennen, dass sie längst bis Oberkante Unterlippe in ihrer eigenen, unbeabsichtigten Ironie versinken.

"Liebt eure Feinde", so heißt es in der Bibel (Matthäus 5:44), doch wie sollen wir mit Leuten umgehen, die uns zum Feind erkoren haben, weil wir anders denken, weil wir überhaupt denken, weil wir es wagen, der Fernsehmeinung zu widersprechen?

Ein chinesisches Sprichwort sagt: "Wenn Du lange genug an einem Fluss wartest, schwimmen die Leichen Deiner Feinde an Dir vorbei." Ich sehe niemanden als meinen Feind, aber die, die nicht denken, sehen in uns ihre Feinde – und sie könnten, hoffentlich nur metaphorisch, darauf zählen, unsere Leichen im Fluss vorbeischwimmen zu sehen.

Vielleicht werden sie eines Tages auch Ausstellungen über diese Zeit organisieren, und dann wird, in Anführungsstrichen als Titel gesetzt, was heute ganz ernst gemeint gesagt wird: "Hass ist keine Meinung" oder "Wir sind mehr". Vielleicht wird diese Zeit dereinst eher langweilig sein, weil zu doof, oder weil es noch viel schlimmer kommen wird, bevor die Welle wieder zurückrollt. Ob man dereinst Ausstellungen halten wird mit den Slogans von heute als Titel, oder ob man uns vergessen wird, wichtig bleibt: Lasst uns aufpassen, wenn wir am Ufer des Flusses stehen, dass uns keiner hineinschubst! Diese Leute warten darauf, uns im Wasser vorbeischwimmen zu sehen – ich finde, wir sollten sie noch etwas warten lassen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

 

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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Karl Eduard / 20.11.2019

“Einst baute man einen antifaschistischen Schutzwall gegen den „Feind“ ” Da muß ich leider widersprechen. Die “Mauer” wurde gebaut, damit der DDR nicht die arbeitende Bevölkerung wegläuft. Weil der Westen ökonomisch attraktiver war. Wer hätte dann die Reparationen für die Sowjetunion erarbeiten sollen und den Funktionärs - und Polizeiapparat ernähren? Wenn es hätte ein antifaschistischer Schutzwall sein sollen, gegen die BRD, dann hätte der in der Art einer Maginot-Linie oder eines Westwalls gebaut werden müssen, um Panzervorstöße aus dem Westen zu verlangsamen. So aber war es einfach eine Gefängniseinzäunung, in die der BRD-Bürger einreisen durfte. Der DDR-Bürger wurde erst als Rentner - oder “Kulturschaffender” entlassen. Der Rentner, weil er nicht mehr produktiv sein konnte, der Kulturschaffende, um Devisen zu erwirtschaften.

Peter Holschke / 20.11.2019

Tja, das war auch die Quintessenz nach der Lektüre meiner Stasiakte. Ich wurde in jungen Jahren zum Feind ernannt, ohne mir eines Grundes bewußt zu sein.  Es war Opfer einer prophylaktische Negativauslese. Leute welche denken konnten oder die Fähigkeit zur Führung und Revolte hatten, wurden ausgesiebt.

Volker Altenähr / 20.11.2019

Ein schönes Beispiel ist Peter Tauber. Dieser erbärmliche Wicht möchte die “Werteunion” aus der CDU vertreiben und ihren Anhängern (vermutlich) die bürgerlichen Rechte aberkennen.

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