Burkhard Müller-Ullrich / 27.09.2017 / 06:25 / Foto: Craig Howell / 27 / Seite ausdrucken

FDP verlangt Priority Boarding im Bundestag

Kennen Sie das? Sie stehen auf einem Bahnsteig und warten auf den Zug. Sie mustern die anderen Wartenden und sehen eine Person, die ihnen auf Anhieb unangenehm ist. Ausgerechnet diese Person scheint es darauf abgesehen zu haben, Sie mit unerträglichen Belanglosigkeiten in ein Gespräch zu verwickeln. Um dem zu entgehen, planen Sie einen sportlichen Sprint, weil sie bemerkt haben, daß sich diese abstoßende Person nur langsam und schwerfällig bewegt. Sobald also der Zug einfährt, spurten Sie den ganzen Bahnsteig entlang, um in den hinterletzten Wagen, der von der ursprünglichen Stelle Ihres Wartens am weitesten entfernt ist, einzusteigen. Dann beginnt die Reise, und Sie sind froh, sogar ein leeres Abteil zu finden. Doch wer erscheint nach zwanzig Minuten Fahrt schnaufend und grunzend vor genau diesem Abteil? Das widerliche Wesen hat sich während der ganzen Zeit im Inneren durch den Zug gearbeitet, mit schwarzmagischer Beharrlichkeit, von ganz vorne nach ganz hinten, um sich schließlich neben Ihnen hinzusetzen.

Ungefähr so fühlen sich jetzt manche Passagiere der Bundestagsbahn: die Dauerkarteninhaber des Schulzzugs und des Merkelzugs sowie die Neueinsteiger des Lindnerzugs nebst grünen und linken Mitreisenden. Sie haben die AfD schon auf dem Bahnsteig gesehen und sind so weit wie möglich weggerannt. Aber die AfD hat von den Wählern Platzkarten bekommen, und zwar genau im selben Wagenabteil wie alle anderen Parteien. So funktioniert nun mal der Bundestag: alle sitzen in einem Raum.

Der Raum ist relativ groß und gut klimatisiert, sodaß Körpergerüche, sofern sich die Politiker nicht gerade eingenäßt haben, eine untergeordnete Rolle spielen. Wer wen nicht riechen kann, ist also eher symbolisch zu verstehen. Doch da es um Symbolik mehr als um alles andere geht, möchten die FDPler auf keinen Fall nahe oder gar neben den AFDlern sitzen. Dabei unterscheidet sie nur ein Buchstabe. Man könnte also rein sitzungstopographisch vom AFDP-Block sprechen. Aber schon der Gedanke, in Riechweite der Kollegen von der 12,6 Prozent-AfD arbeiten zu müssen, scheint für die Parlamentarier der 10,7 Prozent-FDP unerträglich zu sein, weshalb sie eine andere Sitzordnung fordern. Dabei hätten ja wohl vom demokratischen Zahlengewicht her die AfD-Abgeordneten vor denen der FDP das Recht zu bestimmen, wo sie im Bundestag plaziert werden möchten.

Das Kindergartengehabe in der Stühlchenfrage paßt allerdings zu dem kindischen und zugleich demagogischen Versuch des vorigen Bundestagspräsidenten Lammert, die AfD durch eine hastige Geschäftsordnungsänderung auszutricksen, damit sie bloß nicht den Alterspräsidenten, der die erste Sitzung leitet, stellen kann. Es fehlt nicht viel, und die Oberdemokraten der Altparteien beschließen eine gänzlich neue Sitzordnung des Parlaments: sie bilden einen großen Stuhlkreis, und die AfD kriegt einen Katzentisch in der hinteren rechten Ecke des Saales. Dabei gilt das berühmte Wort der Kanzlerin zum Thema „Flüchtlinge“ auch im Hinblick auf die parlamentarischen Mandatsträger der verfemten Alternativpartei: „Nun sind sie halt da.“ 

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Marcel Seiler / 27.09.2017

Die das anstellen, sind die gleichen, die finden, man müsse “mit allen in den Dialog treten”. Klar, solange es sich um Fremde handelt; für die verachteten Eigenen gilt dies natürlich nicht. – Es sind diese Manöver, die die Spaltung des Landes kräftig vorantreiben.

Stefan Leikert / 27.09.2017

Tja, irgendwo Humor im Angebot - noch nie so wertvoll wie heute?!

Thomas Nuszkowski / 27.09.2017

Wenn diese Leute künftig über Rassismus und Diskriminierung schwadronieren, dann sollten sie eigentlich an ihren Worten ersticken. Das Universum mag ja letztendlich gerecht sein, aber es kann sich leider auch nicht um alles kümmern. Daher wird es wohl keine Leichenberge im Bundestag geben. Und das diese Leute ungeachtet ihres eigenen Rassismus und ihres eigenen diskriminierenden Verhaltens auch weiterhin anderen Rassismus und Diskriminierung vorwerfen, dessen bin ich mir sicher.

Jürgen Althoff / 27.09.2017

Und solche Sandkastenspieler maßen sich an, die Zukunft Deutschlands zu gestalten? Verletzliche “Schneeflöckchen”, aus deren Sichtweite Unangenehmes zu entfernen ist. Armes Deutschland!

Brigitte Mittelsdorf / 27.09.2017

Typisch Zierpuppe FDP. Was soll man auch erwarten von einer Partei, die jahrelang den Kopf in den Sand steckte, andere die Drecksarbeit machen ließ und nun mit den “Schmuddelkindern” nicht spielen will. Die FDP ist nicht der Phönix, der aus der Asche erstieg. Sie ist die am meisten verweichlichte Variante einer politischen Partei. Und kam bei dieser Wahl gerade recht, einen lauen Ausweg anzubieten. Nun grossmäulig Stühlerücken einzufordern, ist nur ein weiteres, trauriges Stück FDP-Kasperletheater.

Uwe Plaas / 27.09.2017

Man könnte meinen, die AfD- Politiker würden an Aussatz,  oder einer anderen ansteckenden Krankheit leiden. So ist jedenfalls der Umgang mit ihnen. Es lässt sich aber nicht wegdiskutieren, dass die Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag gewählt wurde, um das zu tun, was in den vergangenen Jahren unterblieben ist: die Regierung zu kontrollieren. Und plötzlich führen sich die Altparteien auf wie Mafiosi’s, wenn die Polizei im Anmarsch ist. Sie werden sich an die Anwesenheit der AfD gewöhnen müssen. Und wenn sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, Antidemokraten sein, wird an einer Zusammenarbeit mit der neuen Partei kein Weg vorbei führen. Andernfalls wird die nächste Abstrafung durch den Wähler noch drastischer ausfallen.

Karla Kuhn / 27.09.2017

” Das widerliche Wesen hat sich während der ganzen Zeit im Inneren durch den Zug gearbeitet, mit schwarzmagischer Beharrlichkeit, von ganz vorne nach ganz hinten, um sich schließlich neben Ihnen hinzusetzen.”  Die AfD ist weder eine “widerliche” noch eine “stinkende"Partei. Außerdem sollte die FDP mit ihren 10 % den Ball flach halten. Ich kenne einige Menschen, die haben die FDP nur gewählt, weil sie partout die “Etablierten” nicht wollten aber die AfD ihnen noch zu fremd ist. Wörtlich, dann wählen wir eben einmal das kleinere Übel. Wenn die FDP schon jetzt anfängt, sich divenhaft zu benehmen, wird sie wieder ganz schnell weg sein vom Fenster. Die FDP, wird, wie alle Parteien vom Steuerzahler alimentiert und da kann er erwarten, daß diese Partei sich demokratisch verhält und in erster Linie ihr Augenmerk auf eine Politik für den Bürger wirft. Dieses Kindergartengehabe zeigt doch bloß, daß die FDP gar keine Reife für ein Regierungsamt besitzt. Das ist ein Gescharrere,  Seehofer denkt gar nicht daran zurückzutreten, obwohl er durch seinen Achterbahnkurs mit daran schuld an der Misere ist und Merkel ist sich natürlich gar keiner Schuld bewußt. Wenn das schon so anfängt und vielleicht vier Jahre weiter so geht, dann wird nur noch gezickt und nicht regiert. Ich frage mich manchmal, ob   Verantwortung und Scham im Wortschatz mancher Politiker überhaupt noch vorkommt???

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Burkhard Müller-Ullrich / 29.12.2021 / 12:00 / 104

Hausverbot für Reitschuster, Platzverweis für Broder

Ein kurzer Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz, einer Berliner NGO mit der Lizenz zum Ausgrenzen. Jetzt hat sie zwei Querulanten gemaßregelt, Reitschuster und Broder.…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 01.07.2021 / 10:30 / 17

Indubio: Ultrakurzausspielung bei YouTube

Meine Erklärung zum aktuellen Podcast  heute bei und über YouTube: Guten Tag, liebe Hörer, hier ist INDUBIO, der Podcast für Regierungskorrektur und Informationsergänzung, eine Faktencheckerinitiative…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 16.11.2019 / 07:59 / 62

Hundert Aufrechte - Französische Wissenschaftler gegen Meinungsterror

Sicherheitsbedenken sind das Gift, an dem die Meinungsfreiheit stirbt. Wegen Sicherheitsbedenken werden Konferenzen und Kongresse annulliert, Reden abgesagt und Bücher nicht verlegt. Dabei geht es…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 15.11.2019 / 08:07 / 134

Mob gewinnt – Wie Aktivisten einen wissenschaftlichen Kongress behindern

Das Umweltinstitut München e.V. ist ein gemeinnütziger Verein. Es ruft zum „Klimastreik“ am 29. November auf, möchte den Betriebsbeginn eines slowakischen Atomkraftwerks verhindern und warnt…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 20.10.2019 / 06:18 / 27

Alarm! Bombenfund! – Szenen aus dem deutschen Alltag

Marathonläufe, Love Parades, Klimaproteste: Es gibt für moderne Metropolenbewohner allerlei Veranstaltungen, damit ihnen nicht fad wird. Jedes Stadtfest geht mit einem freudebringenden Ausnahmezustand einher. Da…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 27.09.2019 / 13:00 / 73

Close-up auf den Pimmel – Wie die Tagesschau die AfD bloßstellt

Es sind nur drei Sekunden in einem 96 Sekunden langen Tagesschau-Beitrag. Aber drei Sekunden von besonderer und vor allem neuer Qualität im öffentlich-rechtlichen Kampf gegen…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 01.01.2019 / 06:29 / 56

Warum 2019 die Mathematikwende kommen muss

Zur Jahreswende erscheint es angebracht, sich mit dem Phänomen der Wende zu beschäftigen. 2018 geht und 2019 kommt. Wo ist da die Wende? Kommt 2018 umgekehrt,…/ mehr

Burkhard Müller-Ullrich / 29.04.2018 / 06:25 / 34

Kölner Polizeipräsident warnt vor Micky-Maus-Messer

Lesen macht bekanntlich dumm und gewalttätig, das gilt auch für die Lektüre von Donald-Duck-Heften, vulgo Micky Maus. Und nicht nur die Lektüre, sondern schon deren…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com