Josef Kraus, Gastautor / 19.07.2020 / 10:00 / Foto: Ericrolph / 15 / Seite ausdrucken

Farbenlehre: „grün“ bleibt „in“, „schwarz“ ist „out“

Von Josef Kraus.

An einer Farbenlehre haben sich viele große Geister abgemüht: Physiker, Künstler, Dichter, Physiologen, Psychologen. Um nur ein paar Namen zu nennen: Demokrit (460 bis 370 vor Christus), Leonardo da Vinci, Isaac Newton, Johann Wolfgang von Goethe, Arthur Schopenhauer, Hermann von Helmholtz und viele, viele andere mehr. Gemein ist ihnen – abgesehen von ästhetischen Betrachtungen – die Erkenntnis: „schwarz“ ist eine Farbe, die alle Lichtfarben fast vollständig absorbiert und (fast) kein Licht reflektiert. Man sagt auch: Schwarz ist eine unbunte Farbe. Siehe Schwarzweißaufnahme oder Schwarzweißfernseher.

Wie auch immer: Schwarz ist Realität. Siehe schwarze Kohle, schwarzes Haar, schwarzer Samt, schwarze Schuhe, schwarze Strümpfe, schwarzer Anzug, schwarzer Pfeffer, schwarzer Kaffee, (tief)schwarze Nacht. Im Tierreich haben wir: die schwarze Katze, das Schwarzkehlchen, die Schwarzdrossel, den Schwarzspecht, den Schwarzbär, den Schwarzkittel usw. Die Botanik beschert uns Schwarzbrot, Schwarzdorn, Schwarzkiefer, Schwarzkümmel, Schwarzpfeffer, Schwarzwurzel usw.

Wenn wir Trauer ausdrücken wollen, kleiden wir uns schwarz, tragen eine schwarze Krawatte, schreiben eine Trauerkarte mit schwarzem Rand, sind von schwarzen Gedanken geplagt und neigen zum Schwarzmalen. Gleichwohl bereichert uns die Sprache mit endlos vielen Redensarten, die mit „schwarz“ zu tun haben: rabenschwarz, schwarz vor den Augen werden, schwarz werden (beim Skat), das kann ich dir schwarz auf weiß geben, „Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“ (Faust I, 1966f.), warten, bis man schwarz wird, aus schwarz weiß machen wollen, jemandem nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, er hat eine schwarze Seele, dreimal schwarzer Kater. 

Früher waren alle schwarz

Recht pejorativen (negativen) Charakter haben folgende „schwarz“-Komposita und Wörter: Schwarzarbeit, Schwarzbau, Schwarzbrenner, Schwarzfahrer, Schwarzgeld, Schwarzgeschäft, Schwarzhandel, Schwarzhörer, Schwarzpulver, Schwarzkünstler, Schwarzschlachtung, Schwarzseherei, anschwärzen, schwarzer Erdteil, die Schwarzen (früher CSU, Katholiken), schwarz über die Grenze gehen, Schwarzer (Haut-)Krebs.

Bei so viel „Hasssprache“ wurde es höchste Zeit, dass endlich eine globale „Black Lives Matter“-Aktion (BLM) inkl. „White Lives Don't Matter"-Aktion kam. Eine „kritische Weißseinsforschung“ gibt es ja schon bis hinein in die dem Bundesinnenministerium, also Horst Seehofer, unterstellte Bundeszentrale für Poltische Bildung (BpB). 

Warum jetzt BLM? Um die Bedeutung der/des Schwarzen hervorzuheben? Mitnichten! Die Farbe schwarz soll verbannt werden. Schwarze dürfen nicht mehr Schwarze heißen. „Mohren“ schon gleich gar nicht! Moritz auch nicht mehr. 

Phasenweiße nannte man Schwarze ja schon mal „Menschen mit stärkerer Pigmentierung“. Früher waren zudem, bevor sie vor 30.000 bis 40.000 Jahren nach Europa und Asien auswanderten, alle Menschen so. Nun sollen Schwarze rein verbal noch weniger werden. Die Braunen werden zugleich – nicht qua Migration, sondern per definitionem – immer mehr, wenn nämlich mit „braun“ echte oder eingebildete Nazis gemeint sind, also eine Farbe, die sich aus der Mischung von Grün und Rot ergibt. Rein physikalisch-lichtwellentheoretisch natürlich nur. Und über allem steht die Farbe „grün“ – politisch, ökologisch. Gemeint ist dabei natürlich nicht das Grün auf den Flaggen der Islamisten.

Also harren wir der nächsten zivilcouragierten Sprachpreise für diejenigen, denen es gelingt, das Schwarze nicht nur aus der Öffentlichkeit, aus den Straßennamen, ja gar aus dem Duden und aus Wikipedia auszumerzen, also aus der Sprache insgesamt. Und aus den Telefonbüchern, denn „Schwarz Adolf“ bis „Schwarz Zoe“ gibt es dort bestimmt zu Hundertausenden. Bei „Schwarzfahrern“ hat es schon geklappt. Kurz und knackig soll es heißen: „Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein“ (Was allerdings so nicht stehenbleiben kann, denn es heißt ja genderunsensibel „der“ Fahrschein“.) Und ist der Franke (phonetisch: “Frange“) Markus Söder jetzt bald ein politisch „stärker Pigmentierter“ – grün gesprenkelt? Ist der Schwarzkittel – islam- und kulturunsensiblel – wieder die Wild-Sau? Nein, „schwarz“ geht nicht, es ist nicht bunt genug, physikalisch von der Wellenlänge her nicht genug „diversity“. Und das gute alte Schwarzbrot ist obendrein so was von schimmelig deutsch, darum mögen es ja nicht einmal unsere Deutschfreunde in Italien und Frankreich. Die sind schon weiter, oder auch nicht: denn bei denen ist alles Weißbrot; sie haben nämlich nicht kapiert, dass es jetzt heißt: „White Don't Matter!“

Der deutsche Farbendreiklang ist politisch-historisch höchst aufgeladen

Apropos „deutsch“ und „schwarz“. Da soll es ja eine Flagge geben, die „schwarz-rot-gold“ trägt. „Mutti“ mag das nicht, wie sie am Wahlabend des 22. September 2013 bewiesen hat, als sie dem damaligen CDU-Generalsekretär Gröhe auf offener Bühne sein wirklich kleines und nettes Deutschlandfähnchen (es war ja nicht einmal die schwarz-weiß-rote Reichskriegsflagge) aus der Hand riss – und dabei gar kein freundliches Gesicht zeigte, das sie gegenüber den hereinströmenden „Schutzbefohlenen“ so gerne aufsetzt und das sie den „schon länger hier Lebenden“ befahl. Merkel hat schon 2013 „vom Ende her“ gedacht. Sie hat vorweggenommen, dass es mit dem „Schwarz-Rot-Gold“ so nicht weitergehen kann. Also demnächst raus mit „schwarz“ aus der deutschen Flagge, so dass daraus die Burgenländische Landesflagge „rot-gold“ oder - bei Doppel-Rot - die spanische Flagge „rot-gelb-rot“ wird? Sind wir schließlich nicht alle von-der-Leyen-Europäer?

Jedenfalls ist der deutsche Farbendreiklang politisch-historisch höchst aufgeladen. Und zwar schon vor einer Zeit, in der der Kilimandscharo von 1885 bis 1918 unter dem Namen Kaiser-Wilhelm-Spitze mit 5.895 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Berg des Deutschen Reiches war. Wiewohl er auf dem „schwarzen“ Kontinent stand und steht! Nein schlimmer noch und „horribile dictu“: „schwarz-rot-gold“ war bereits 1815 die Farbe von (rächten) Burschenschaftlern. Igitt! Der Urburschenschaftler Karl Hermann Scheidler aus Gotha bzw. Jena hatte nämlich über den Ursprung von „schwarz-rot-gold“ 50 Jahre nach der Gründung der Urburschenschaft in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ vom 5. August 1865 geschrieben: „Ihre Farben – schwarzrothgold – waren eigentlich zunächst die von König Friedrich Wilhelm III. für das Lützow’sche Freicorps gewählten […] Jene Farben […] ließen überdies eine auch mehrfach gegebene symbolische Deutung zu […] schwarz als Bezeichnung der Nacht, die während der Fremdherrschaft über Deutschland lag, gold die Morgenröthe der errungenen Freiheit und roth das Herzblut, mit dem sie erkämpft ward.“ Schwarz war also als Bezeichnung der „Nacht, die während der napoleonischen Fremdherrschaft über Deutschland lag, gold die Morgenröthe der errungenen Freiheit und roth das Herzblut, mit dem sie erkämpft ward.“ Aber die mit diesem Farbendreiklang verbundenen Freiheiten fanden ja auch bald ein Ende, nämlich 1819 mit den Karlsbader (Zensur-)Beschlüssen. 

Der Freiheitskämpfer und Dichter Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876) hat am 17. März 1848 im Londoner Exil das später vertonte Gedicht „Schwarz-Rot-Gold“ geschrieben, das zum bewaffneten Kampf für eine gesamtdeutsche Republik aufrief. Darin finden wir die Verse: „… Pulver ist schwarz, Blut ist rot, Golden flackert die Flamme!“ Pulver! Oh, wie martialisch! Gottlob nimmt uns das Frankreichs Staatspräsident Macron, der ja irgendwie auf Napoleon folgte, nicht krumm. Und da die hochgebildeten antirassistischen BLM-Geschichtspolitiker – noch? – nicht wissen, wer Freiligrath war, bleiben uns und den Österreichern – vorläufig – die nach ihm benannten Gedenktafeln, Plätze, Straßen und Schulen noch eine Zeitlang erhalten.

 

Josef Kraus ist Pädagoge und Psychologe und ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.

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Steffen Schwarz / 19.07.2020

Ganz klar wir werden in D den Dritten Sozialismus/ Kommunismus erleben: nach dem Braunen und dem Roten diesmal den Grünen. Der Dritte Versuch. Und immer soll der Neue Mensch und die Neue Ökonomie erschaffen werden, Edel hilfreich und gut.  Es klappt auch diesmal nicht, aber es sind ja auch schon 30 J her das der Rote Soz. gescheitert ist. Da kann man es schon mal versuchen, Was für ein Desaster.

Stefan Riedel / 19.07.2020

Ein Feuerwerk der sprachlichen Farben. Aber. “Und ist der Franke (phonetisch: “Frange“) “. Der Herr Söder ist M i t t e l f r a n g e (und noch dazu Nürnberger). Es ist eine unzulässige Verallgemeinerung von dem Frangen Söder zu sprechen. Ich bin O b e r f r a n g e. Nürnberg ist Lichtjahre entfernt.

Ulla Schneider / 19.07.2020

Herr Kraus, ich korrigiere: Das Schwarz bei Zweibeinern ist nicht schwarz, sondern eher braun ( black) Das Schwarz was Weiß  meint das es sein könnte,  ist eher blue und kommt weitaus seltener vor, auch in Afrika.  In der Haarfarbe hat schwarz einen blauen Schimmer, in der Sonne hat angeblich schwarzes Haar einen rötl. braunen und heißt dunkelbraun. Das Weiß  ist nicht weiß, sondern übt sich in Tönen von leichtem gelblichen rosa bis ins satte braun, manchmal auch dunkler, je nachdem wie lange man im Sommer in der Sonne brät.  Somit ist das vom Tisch.  Die Sache mit der Farbenlehre ist eigentlich klar, nur das Auge hat Schwierigkeiten. Und da wir Augenmenschen sind, kommt so etwas dabei heraus, nicht nur phasenweise. Schwarz und Weiß  sind Zustände, die wir nicht sehen können, sondern interpretieren. Schade eigentlich, oder?

Peter Wachter / 19.07.2020

Sehrgeehrter Herr @Kraus, sie haben aber noch zwei elementare Begriffe vergessen, das wäre “Schwarzes Loch” (Black hole) und “Schwarze Materie” (Black matter). Die müssten auch umbenannt werden oder besser abgeschafft, dann hätte sich das mit der Klimaerwährmung auch erledigt.

Udo Lange / 19.07.2020

“Phasenweiße”, den merke ich mir!

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