Volker Seitz / 30.10.2019 / 12:00 / Foto: Pixabay / 58 / Seite ausdrucken

Familienplanung in Afrika – so kann es gehen

Die demografische Lage in Afrika sehe ich als die Wurzel der afrikanischen Armut. In Afrika findet eine Bevölkerungsexplosion statt, die zwangsläufig zu einer massiven Auswanderung Richtung Europa führt. Denn das extreme Bevölkerungswachstum vereitelt Wohlstandsgewinne. Insgesamt hat die Entwicklungshilfe, auch wegen der Bevölkerungsentwicklung, bisher keine grundlegende und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Subsahara-Afrika in Gang gesetzt. Im Gegenteil, die Entwicklungshilfe ist zu einer Maschinerie geworden, die immer mehr ihrer Selbsterhaltung dient. Das Bevölkerungswachstum hat mindestens sechs Hauptursachen: fehlende soziale Absicherung, fehlendes Bewusstsein für Verhütung, mangelnde Bildung – besonders bei Frauen, fehlende Gleichberechtigung für Frauen, medizinischer Fortschritt in Entwicklungsländern, kulturelle Hindernisse. 

Schon heute schaffen es einige afrikanische Länder kaum, alle Einwohner satt zu bekommen. Afrika ist die Region der Welt mit enorm starkem Bevölkerungsanstieg (2,52 Prozent pro Jahr, Asien und Lateinamerika folgen mit rund 1 Prozent deutlich dahinter). Jede Frau in Afrika gebiert im Schnitt 4,8 Kinder. Im Kongo liegt die Fruchtbarkeitsrate bei 5,9 Geburten je Frau, in Nigeria bei 5,6. Zugleich sterben deutlich weniger Kleinkinder dank medizinischer Fortschritte. Besonders hohe Werte haben auch Sahel-Länder wie Niger, Mali und Tschad.

Wer arm ist, will mehr Kinder, weil er sie als Reichtum für die Familie betrachtet. Die Menschen in ländlichen, bäuerlich geprägten Regionen Afrikas sehen viele Kinder als Vorsorge für das Alter. Aber ungebremste Geburtenzahlen führen auch dort zu noch mehr Verelendung. Denn die wachsende Bevölkerung braucht nicht nur Nahrung und Wasser für das nackte Überleben, sondern auch die Chance auf Arbeit und Einkommen. Auch das Bildungs- und Gesundheitssystem kann mit dem rasanten Wachstum der Bevölkerung nicht fertig werden.

Ein Beispiel, was getan werden kann

Ich werde häufig nach verlässlichen Initiativen zur Familienplanung gefragt, die seit Jahren überprüfbar arbeiten und die Menschen wirklich weiterbringen. Hier ein Beispiel, das genau in diese Kategorie passt:

Zur Eindämmung der Mütter- und Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern entwickelte die Wiener Gynäkologin Dr. Maria Hengstberger eine Geburtenkontrollkette. Sie besteht aus 30 tropfenförmigen Perlen mit verschiedenen Farben. Die Farben symbolisieren: Rot Menstruation, Gelb Unfruchtbarkeit – wie Sand und Wüste, Blau Fruchtbarkeit – wie Regen oder ein blauer See. Jede einzelne Perle stellt einen Tag im Menstruationszyklus der Frau dar. Wie bei einem Kalender verrät die Perlenfarbe, ob gerade ein Tag ist, an dem die Frau schwanger werden kann.

So kann Selbstbestimmung gefördert werden. Darüber hinaus lernt die Frau so auch besser ihren Zyklus kennen. Daneben hat sie eine Mutterschutzuhr, eine Drehscheibe aus Papier entwickelt, die daran erinnern soll, dass aus gesundheitlichen Gründen zwischen der Geburt eines Kindes und der Empfängnis eines weiteren Kindes ein Abstand von mindestens 18 Monaten eingehalten werden sollte. Nach einer Evaluierung der Tauglichkeit durch die Georgetown University in Washington ließen sich andere die Kette patentieren.

1989 gründete Frau Hengstberger mit anderen engagierten Frauen die Aktion Regen mit dem Ziel der Aufklärung über die Notwendigkeit von Familienplanung. Das Wort „Regen“ symbolisiert die dauerhafte Unterstützung durch verständliche Wissensvermittlung. Gemäß dem Leitspruch "Wasser an die Wurzeln" gibt dieses Wissen den Menschen die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. (www.aktionregen.at)

Seit 30 Jahren vermittelt der Verein  Wissen über Familienplanung, sexuelle und reproduktive Gesundheit, HIV/Aids-Prävention und weibliche Genitalverstümmelung. In dieser Zeit wurden 600 Rain-Worker in zwölf west- und ostafrikanischen Ländern ausgebildet und mit ihnen 500.000 Menschen im Senegal, in Guinea, Burkina Faso, Ghana, Nigeria, Äthiopien, dem Sudan, Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania aufgeklärt. In ihrer Ausbildung lernen sie – meist Menschen, die vor Ort bereits im sozialen, pädagogischen und medizinischen Bereich tätig sind – das Wichtigste über Familienplanung und sexuelle und reproduktive Gesundheit. So stelle ich mir echte Hilfe zur Selbsthilfe vor.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Zwei Nachauflagen 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungshilfe, politische und wirtschaftliche Entwicklungen in Afrika.

Foto: Pixabay

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Gereon Stupp / 30.10.2019

Klingt vernünftig, allein, es ist für die Katz’. Denn auch in Afrika bekommen die Menschen seit ~100.000 Jahren Kinder und brauchen wohl keine Wiener Gynäkologin, um die Mechanismen der geschlechtlichen Vermehrung zu begreifen. … Und falls doch, ist ohnehin Hopfen und Malz verloren. Theoretisch wäre es richtig, Afrika ganz einfach ‘mal sich selber zu überlassen und die eigenen unegalen Finger herauszuhalten. Soll heißen, die Afrikaner zum ersten Mal in unserer Geschichte als erwachsene Menschen anzusehen. Da das aber praktisch nicht funktioniert, weil sich keiner dran halten wird, sollten wir Afrika so weit wie möglich zu unserem Nutzen ausplündern, bevor es die Chinesen ohnehin tun. Denn wenn jeder für sich sorgt, ist an alle gedacht.

Karl Eduard / 30.10.2019

Familienplanung hat damit nichts zu tun. Mit der Armut. Lesen Sie mal die “alten Forschungsreisenden”. Auch wenn es nur noch Zwei-Kinder-Ehen geben würde. Fragen Sie sich mal, warum sich Europa industriell entwickelt hat, Oder in der Moderne Asien. Afrika aber nicht. Dann wären Sie auf dem richtigen Dampfer.

M. Schraag / 30.10.2019

Einem Gespräch mit einem Landarzt in Indonesien in den 80er-Jahren habe ich entnommen, dass dort damals den Frauen systematisch langwirkende Kontrazeptiva gespritzt wurden. Damals waren dort zwei Kinder als Ziel propagiert.

Rainer Niersberger / 30.10.2019

Das ist zutreffend, behandelt aber nur einen Teilaspekt. Es geht zweifelsohne, und als regelmäßiger Afrikareisender erlaube ich mir eine Ergänzung, nicht nur um den erwünschten Kinderreichtum oder die damit verbundene Versorgungserwartung, die letztlich nichts anderes als eine Perpetuierung des Zustandes ist. Es geht um das kulturelle, mentale und biopsycholigische Selbstverständnis der Herren im patriarchalen Tribalismus. Solange sich die Herren ausschließlich ueber bestimmte “Faktoren” definieren und sich dafuer den ganzen Tag schwatzend versammeln, während die Frauen tatsaechlich ein Kind nach dem anderen gebären und dazu noch Vollstzeit beschäftigt sind, wird sich nichts Entscheidendes ändern. Natuerlich bewegt man sich bei bestimmten Benennungen sofort auf sehr dünnem Eis, koennte aber darauf hinweisen, dass selbst einzelne afrikanische Männer das Problem im Gespräch deutlich aeussern. So gab es in Namibia z. B. das Phänomen, dass Lehrer durchaus häufig ihre Schülerinnen schwaengerten und man auf Lehrkräfte anderer Herkunft zurückgreifen musste. Mit bestimmten Tugenden, das sind nach einem Edelkommunisten die fuer die Leitung eines KZ, ist es nach wie vor nicht allzuweit her. Aber vielleicht nähern wir uns auf unserem eigenen Regressionsweg von der anderen Seite an, zumal wir oder Teile von uns das ” Wilde” offenbar mehr schätzen als die westlich/kulturellen Werte der Zivilisation.

Manfred Kleist / 30.10.2019

Deutschland ist weiterhin bevölkerungsdichter als fast alle afrikanischen Staaten. Ruanda und Burundi liegen glaube ich als einzige vor uns. Bevölkerungsverdichtung war ein wesentlicher Motor unserer Industrialisierung. Sei ein Bremsen des Bevölkerungswachstums in afrikanischen Ländern auch sinnvoll sollte man doch die wahren Motive nicht ganz verschweigen: niemand im globalen Norden will eine Industrialisierung des globalen Südens.

Martin Lederer / 30.10.2019

Hier muss ich Linken-Sprech verwenden: Das ist wieder die europäische Sicht der Dinge. Ich kenne ein paar Afrikaner, die in Europa leben. Sie leben im westlichen Stil und sie leben gut. Alle von denen finden die Bevölkerungsexplosion in Afrika gut, denn “so wird Afrika stärker”. Und machtpolitisch (nicht globalistisch “wir sind ein Planet”) ist das vielleicht auch richtig. Ein Grund für den Aufstieg Europas in der Neuzeit war auch der Bevölkerungszuwachs Europas. Oder man könnte es auch wie Mao sehen: “Viele kleine Chinesen sind viele kleine Kommunisten.” Oder auch im Ringen Deutschlands und Frankreichs im 19. und 20. Jahrhundert um die Macht war der größere Bevölkerungszuwachs Deutschlands eine Trumpfkarte. Ich halte ja das gesamte Konzept der Entwicklungshilfe für naiv. Ein Staat, der sehr schwach ist, wird sich natürlich “dankbar” zeigen (ob echt oder geschauspielert weiß man nicht). Sollte dieser Staat aber stärker geworden sein, will er mehr und mehr Macht haben. Eventuell auch mehr Gebiete usw. Sieht man aktuell an China. Man sollte sich um seinen eigenen Staat kümmern und dafür sorgen, dass der in 100 Jahren möglichst noch existiert. Wozu auch Grenzsicherung, Militär und eine funktionierende Wirtschaft gehören. Ansonsten kann man zu anderen Staaten natürlich nett sein, aber immer in den Wissen, dass dieser Staat mich in einigen Jahren auch bedrohen könnte. Man weiß nie.

Uwe Schäfer / 30.10.2019

Mir drängt sich immer mehr die Erkenntnis auf, dass die gutmenschlichen Links-Grünen sind, die bei alle wesentlichen Themen der heutigen Welt, mir ihren Ideologien den Fortschritt verhindern, immensen Schaden anrichten, die Natur zerstören, Menschen in die noch größere Verelendung treiben und letztendlich Leben vernichten. Wann befreit sich die Menschheit endlich durch Bildung von der Verdummung durch, wie auch immer geartete, Ideologien, sei es Kommunismus, Ökowahn, Religion oder was auch immer? Ich werde es wahrscheinlich leider nicht mehr erleben.

Egon Schieler / 30.10.2019

Ein absolutes Tabuthema der rot-grünen / EKD Gutmenschen.

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