Beim Terror-Prozess gegen Tarik S. wurde das für Donnerstag vorgesehene Urteil erneut verschoben. Nach der Verschiebung kam es zu einem kurzen Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft.
Für Journalisten und Zuschauer überraschend wurde das Urteil gegen Tarik S. am Donnerstag vom Landgericht Duisburg zum zweiten Mal verschoben. Das Urteil sollte bereits am 10. Dezember verkündet werden. Nachdem das am 9. Dezember von einer psychiatrischen Sachverständigen vorgelegte Gutachten jedoch für Unruhe unter den Prozessbeteiligten gesorgt hatte, wurde das Urteil in den Januar verschoben. Mutlu Günal, der Verteidiger von Tarik S., sagte später, die Sachverständige habe in ihrem Gutachten eine Sicherungsverwahrung für seinen Mandanten gefordert. Die Sachverständige aber bestritt diese Darstellung.
Tarik S. ist angeklagt, sich gegenüber einem Mittelsmann der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) zu einem Anschlag bereit erklärt zu haben. Der heute 31-Jährige, der als Sohn einer Deutschen auch deutscher Staatsbürger durch Geburt ist, war bereits 2017 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen IS-Mitgliedschaft zu fünf Jahren Jugendhaft verurteilt worden.
Erste Hinweise auf seine mutmaßlichen Anschlagsabsichten kamen 2023 vom marokkanischen Geheimdienst. Als mögliche Anschlagsziele wurden später vom Bundeskriminalamt (BKA) unter anderem die LGBTQ-Szene, die Islam-Kritiker Michael Stürzenberger und Irfan Peci sowie pro-israelische Kundgebungen genannt. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hatte in ihrem bereits am 22. Januar erfolgten Plädoyer eine Haftstrafe in Höhe von zehn Jahren gefordert. Mutlu Günal hatte mit Verweis auf die dünne Beweislage einen Freispruch beantragt.
Vernehmung mit Bauch-, Hand- und Fußfesseln
Grund für die erneute Verschiebung sind neue Beweiserhebungen, für die nun Termine bis Mitte März vergeben wurden. „Wir halten das Ganze insgesamt für so aufklärungsbedürftig, dass wir das fortsetzen wollen“, sagte der Vorsitzende Richter Mario Plein. Damit soll ergründet werden, was das BKA über den vermeintlichen IS-Mittelsmann namens „Thomas“ weiß.
Außerdem ist eine erneute Befassung mit der Frage geplant, ob ein Mocro-Mafioso, gegen den wegen Geiselnahme und Folterung ermittelt wird, als glaubwürdiger Zeuge zu sehen ist. Der Deutsch-Marokkaner hatte behauptet, Tarik S. habe in der Haft mit in Syrien für den IS begangenen Verbrechen geprahlt und neue Anschläge angekündigt. Die Auseinandersetzungen über die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen, der zu seiner Vernehmung mit Bauch-, Hand- und Fußfesseln vorgeführt wurde, hatten bereits im letzten Jahr mindestens die Hälfte der Beweisaufnahme ausgemacht.
Da der erneute Eintritt in die Beweisaufnahme von Mario Plein mit sogenannten Hilfsbeweisanträgen begründet wurde, die Mutlu Günal lediglich für den Fall gestellt hatte, dass die Kammer eine Verurteilung seines Mandanten beabsichtige, wurde die erneute Urteilsverschiebung von Prozessbeobachtern zuerst so gedeutet, dass das Gericht tatsächlich eine Verurteilung im Sinn hatte.
Diesem Eindruck aber beugte der Richter geschickt vor, indem er die Prozessbeteiligten in Form eines Hinweises belehrte, welche Hürden der Bundesgerichtshof für eine Verurteilung nach Paragraph 30 Absatz 2 des Strafgesetzbuches (StGB) gesetzt hat und dass eine „bloße Kundgebung" solcher Absichten dafür nicht ausreiche. Paragraph 30 Absatz 2 StGB regelt die Bereiterklärung zu einem Verbrechen.
„Das habe ich in 23 Jahren Berufsausübung noch nicht erlebt“
Kurz darauf warf der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft Mutlu Günal vor, es sei „dreist“, einem Zeugen zu unterstellen, er habe gelogen, um einen Islamisten zu überführen. Private Gespräche von ihm mit Kollegen hätten ergeben, dass „das der reinen Phantasie des Verteidigers entsprungen ist“. Tatsächlich hatte Günal seinen Hilfsbeweisantrag mit phantasievollen Ausschmückungen versehen, für die er seit Jahren bei den Gerichten in der Region bekannt ist. „Das habe ich in 23 Jahren Berufsausübung noch nicht erlebt“, schimpfte der Oberstaatsanwalt.
Mutlu Günal aber war sich keiner Schuld bewusst und warf dem Staatsanwalt vor, ihn, seinen Mandanten sowie die Strafkammer mit privaten Gesprächen „ja von Anfang an immer wieder hinters Licht geführt zu haben“. Bereits in seinem Plädoyer hatte Günal dem Staatsanwalt vorgeworfen, sich kurz vor dem 10. Dezember hilfesuchend an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gewendet zu haben, da in dem Verfahren gegen Tarik S. „ein Freispruch drohe“.
Darüber hinaus verlief die nur kurze Sitzung am Donnerstag ohne besondere Vorkommnisse. Lediglich zu Beginn gab es kurze Irritationen, weil ein bärtiger Mann im Zuschauerraum seine arabische Kopfbedeckung nicht abgelegt hatte. Diesem Verhalten machte ein Justizmitarbeiter jedoch ein schnelles Ende. Danach beschränkte sich der junge Mann darauf, der Verhandlung mit finsterem Blick zu folgen.
Peter Hemmelrath arbeitet als Journalist und Gerichtsreporter.
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