Dirk Maxeiner / 10.02.2007 / 10:45 / 0 / Seite ausdrucken

Fakt und Fiktion

 
Die Klimadebatte ist das Thema der politischen Saison. Die WELTWOCHE hat mich gebeten die wichtigsten Fakten möglichst unaufgeregt zusammenzufassen.  Wo enden die Tatsachen? Wo beginnt die Hysterie? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten. Erschienen in Ausgabe 05/2007

Was ist «Klimawandel»?

Klimawandel ist der Normalfall. Das Klima hat sich verändert, solange die Welt existiert, und wird dies auch weiterhin tun. Schon vor dem Erscheinen des Menschen gab es wärmere und kältere Zeiten als heute, mitunter auch abrupte Temperaturschwankungen um mehrere Grad innerhalb weniger Jahre.

Was bedeutet «globale Erwärmung»?

Unter «globaler Erwärmung» wird im Allgemeinen eine vom Menschen verursachte Erwärmung verstanden. Sie wird in erster Linie auf Kohlendioxid zurückgeführt. Es wird durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe schneller ausgestossen, als die Natur es absorbieren kann, und häuft sich in der Atmosphäre an. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass zumindest bei der Erwärmung der letzten dreissig Jahre der Einfluss des Menschen überwiegt.

Was ist unter «Klimakatastrophe» zu verstehen?

Klimakatastrophe ist ein von Medien und Umweltaktivisten geprägter Begriff. Er wird meist im Kampf um politische Ziele bemüht. Wetterextreme werden als repräsentativ für die Zukunft dargestellt und mit Bildern von Stürmen, Fluten, versinkenden Städten und Inseln emotionalisiert. Die Endzeitprognosen basieren auf Spekulationen, beispielsweise dem vollständigen Abschmelzen der Pole oder dem Ausbleiben des Golfstromes. Solche Entwicklungen sind für die absehbare Zeit sehr unwahrscheinlich.

Was ist Klima?

Klima ist die Statistik des Wetters. Der Begriff bezieht sich auf einen längeren zeitlichen Mittelwert von Einflussgrössen wie Temperatur oder Niederschlag. Während jedermann das tägliche Wetter spüren und empfinden kann, handelt es sich beim Begriff «Klima» um ein Hilfsmittel, das der Wissenschaft die Beschreibung von langfristigen Veränderungen ermöglichen soll. Die «Globaltemperatur» beispielsweise ist ein statistisches Artefakt und herrscht nirgendwo tatsächlich. Das lässt sich mit dem globalen Durchschnittseinkommen vergleichen, das ja auch niemand wirklich bezieht. Und doch sind beide Grössen für die Wissenschaft hilfreich, um grundsätzliche Entwicklungen auf dem Planeten darzustellen.

Für die Beschreibung des Klimas werden Temperaturen, Niederschläge, Luftfeuchtigkeit, Sturmhäufigkeit und dergleichen über einen Zeitraum von mindestens dreissig Jahren gemittelt. Die meisten Klimabetrachtungen erstrecken sich aber über Jahrhunderte, Jahrtausende oder noch längere Zeiträume. Aus Abweichungen vom langfristigen Mittel lesen Klimaforscher Trends ab, etwa den Übergang von einer Warmzeit in eine Kaltzeit, wie in den letzten tausend Jahren zwischen dem warmen Mittelalter und der folgenden Kleinen Eiszeit.

Was ist Konsens unter den Wissenschaftlern?

Es herrscht Einigkeit darüber, dass der Mensch das Klima beeinflusst. Das hat er bereits in der Vergangenheit getan. Eine Weltbevölkerung von über sechs Milliarden Menschen tut es noch mehr. Lokale Veränderungen wie Entwaldung, Landwirtschaft, Überweidung, Bewässerung und wachsende Grossstädte tragen dazu genauso bei wie grossräumig wirkende Emissionen durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe oder die Haltung von Nutztieren. All dies kann direkte oder indirekte Auswirkungen auf das Klima haben. Einigkeit herrscht auch darüber, dass eine erhöhte Konzentration von Treibhausgasen tendenziell zu einer stärkeren Erwärmung der Atmosphäre führt. Alles andere ist umstritten. Keine Einigkeit herrscht insbesondere darüber, inwieweit der zusätzlich vom Menschen verursachte Treibhauseffekt durch andere künstliche oder natürliche Einflüsse verstärkt, abgeschwächt oder überlagert wird. Dies ist einer der Gründe, warum es eine so grosse Bandbreite der Prognosen für eine künftige Temperaturentwicklung gibt.

Wie hoch ist die Globaltemperatur?

Am häufigsten werden die Angaben des britischen Climatic Research Unit (CRU) und des Goddard Institute for Space Studies (GISS) der Nasa zitiert. In der Regel werden keine absoluten Zahlen für die Globaltemperatur genannt, sondern nur die Abweichungen gegenüber einem 30-jährigen Mittelwert. CRU zieht dafür den Zeitraum von 1961 bis 1990 heran, dessen Mittel bei 14,0 Grad lag. 2005 wich davon um 0,48 Grad nach oben ab, dies ergibt 14,48 Grad. 2006 lag nach vorläufigen Berechnungen etwas darunter bei 14,42 Grad. Das wärmste Jahr der jüngsten Vergangenheit war 1998 mit 14,52 Grad.

Hat die klassische Luftverschmutzung etwas mit der globalen Erwärmung zu tun?

Die Emissionen aus Schloten und Auspuffen enthalten kleine Staubpartikel, sogenannte Aerosole. Nach der herrschenden Lehrmeinung haben sie insgesamt einen eher kühlenden Effekt: Je höher die Luftverschmutzung, desto grösser die Abkühlung. Damit wird versucht, die trotz steigendem Kohlendioxid sinkenden Temperaturen von 1940 bis 1970 zu erklären.

Wie wird die Globaltemperatur ermittelt?

Um den Globus herum stehen einige tausend Messstellen an Land und auf Schiffen zur Verfügung. Jede Station errechnet aus mehreren Messungen über 24 Stunden eine durchschnittliche Tagestemperatur, aus der wird dann über 365 Tage die Jahresmitteltemperatur generiert. Die Werte von Nord- und Südhalbkugel, auf dem Land und auf dem Meer, werden zusammengenommen und wiederum gemittelt. Heraus kommt die Globaltemperatur.

Es sind zahlreiche Probleme zu bewältigen: Messungen auf den Ozeanen sind bei weitem nicht so dicht gesät wie an Land. Auch dort konzentrieren sich Messstellen in gut zugänglichen Gegenden, nur wenige Stationen gibt es in der Sahara, der Antarktis oder dem Tropenwald. Ehemals in ländlichen Regionen installierte Thermometer wurden von städtischer Bebauung eingeholt. Städte bilden die Temperatur verfälschende «Hitzeinseln», die man herauszurechnen versucht.

Wie ungewöhnlich ist unser gegenwärtiges Klima?

Würde man die gegenwärtigen Temperaturen mit der mittelalterlichen Warmzeit vergleichen, ergäbe sich keine Erwärmung. Wie bei allen statistischen Betrachtungen hängt die Aussage sehr stark von den Zeitabschnitten ab, die man für einen Vergleich auswählt. Unser heutiges Klima wird am häufigsten in Beziehung zu den vergangenen 150 Jahren gesetzt. Viele Temperaturkurven fangen mit dem Beginn der regelmässigen Messungen um 1860 an. Dieser Termin fällt mit dem Ende der Kleinen Eiszeit und somit einem Temperatur-Minimum zusammen. Man vergleicht also mit einem Extremwert.

Wird die Erwärmung immer dramatischer?

Ein Blick auf den Temperaturverlauf der letzten hundert Jahre zeigt bis etwa 1940 einen ähnlich raschen Anstieg wie heute, obwohl die Treibhausgase dabei noch keine grosse Rolle gespielt haben können. Danach kühlte es ab (es wurde deshalb eine neue Eiszeit befürchtet). Seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nimmt die Temperatur um knapp 0,2 Grad pro Jahrzehnt zu. Der beobachtete globale Erwärmungstrend der letzten Dekaden verläuft bis dato ziemlich gleichmässig und linear – und nicht exponentiell. Er bewegt sich damit seit drei Jahrzehnten im unteren Bereich der von Klimamodellen für die Zukunft prognostizierten Werte.
Als wärmstes Jahr gilt 1998, in dem die zyklische Meereserwärmung El Niño in besonders starker Ausprägung auftrat. In den acht Jahren seitdem wurde der Rekordwert nicht mehr übertroffen.

Wie global ist die globale Erwärmung?

Die globale Erwärmung ist erstaunlich regional. Schon die getrennte Betrachtung von Nord- und Südhalbkugel offenbart das. So entfallen etwa drei Viertel der Erwärmung der letzten dreissig Jahre auf die nördliche Hemisphäre. Die Südhalbkugel, die zum überwiegenden Teil von Meeren bedeckt ist, zeigt nur sehr moderat steigende Temperaturen. Eine Analyse der Erwärmungsmuster auf der Nordhalbkugel ergab, dass über zwei Drittel der Erwärmung der letzten fünfzig Jahre im Winter stattgefunden haben. Und beinahe 80 Prozent dieses winterlichen Temperaturanstiegs konzentrieren sich auf die kältesten Gebiete von Sibirien und Nordamerika, wo die Temperaturen in der Polarnacht 40 Grad und mehr unter dem Gefrierpunkt liegen (es ist dann nicht mehr ganz so kalt). Auf die winterliche Erwärmung dieser Gebiete – und damit nur auf einen kleinen Bruchteil der Fläche der Nordhalbkugel – entfällt etwa die Hälfte der gesamten Erwärmung.

Das Phänomen lässt sich mit einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Man stelle sich ein Haus vor, in dem es im Keller minus 20 Grad kalt ist und unter dem Dachboden plus 20 Grad warm. Als Durchschnittstemperatur ergäbe sich null Grad. Wenn es nun im Keller nur noch 10 Grad minus hat, dann ergibt sich daraus eine durchschnittliche Erwärmung des Hauses um fünf Grad. Was nichts daran ändert, dass im Keller immer noch Dauerfrost herrscht. Auch in unseren Breiten haben mildere und kürzere Winter sowie weniger kühle Sommernächte einen grösseren Anteil an der Erwärmung als etwaige Hitzerekorde.

Ist der Treibhauseffekt vom Menschen verursacht?

Der Treibhauseffekt ist zunächst einmal ein natürliches Phänomen. Zusammen mit dem Wasserdampf und anderen Spurengasen sorgt das Kohlendioxid für lebensfreundliche Temperaturen. Die Hülle der verschiedenen Gase bewirkt, dass ein Grossteil der von unserem Planeten ausgehenden Wärmestrahlung reflektiert wird. Grob vereinfacht ist das wie eine Nebelwand, durch die man nachts mit dem Auto fährt. Der Nebel verschluckt das Scheinwerferlicht und fängt an zu leuchten, so dass ein Teil auf den Fahrer zurückgeworfen wird.

Ohne Treibhauseffekt wäre der Planet nicht 15 Grad warm, sondern minus 18 Grad kalt. Er erwärmt die Erde also um etwa 33 Grad. Tatsächlich ist die Sache noch komplizierter: «Würde der natürliche Treibhauseffekt ungedämpft wirken», sagt der Nasa-Klimaforscher Roy Spencer, «so wäre die Erde rund 55 Grad heiss.» Die Natur hat in Form von Verdunstung und Wetterprozessen offenbar ein Kühlsystem installiert, das aber kaum verstanden ist.

Bei der Klimadiskussion ist im Gegensatz zum natürlichen der «anthropogene» Treibhauseffekt gemeint, also eine Verstärkung des Phänomens durch den Menschen. Eine Verdoppelung des Kohlendioxidanteils gegenüber der vorindustriellen Zeit würde den natürlichen Treibhauseffekt um etwa 2,5 Prozent verstärken. Wie gross die Temperatursteigerungen sind, zu denen das im Klimasystem tatsächlich führen wird, ist unsicher.

Die Funktion des Kohlendioxids ist allerdings logarithmisch. Wollte man seine zusätzliche Wirkung noch einmal verdoppeln, müsste man die CO2-Konzentration bereits vervierfachen, dann verachtfachen und so weiter. Es strebt also einem Sättigungspunkt entgegen, an dem neu in der Atmosphäre hinzukommende Moleküle praktisch keine zusätzliche Wirkung mehr haben. Genau wie bei einem Treibhaus, bei dem es nichts mehr bringt, noch dickere Scheiben zu installieren.

Ist Kohlendioxid das wichtigste Treibhausgas?

Mindestens zwei Drittel des natürlichen Treibhauseffektes gehen auf das Konto von Wasserdampf. Den Rest verursacht vor allem Kohlendioxid, hinzu kommen noch Gase wie bodennahes Ozon oder Methan. Es ist auch weniger die unstrittige, aber relativ geringe Treibhauswirkung des Kohlendioxids selbst als vielmehr die Vermutung eines erheblichen Verstärkungseffektes durch Wasserdampf, auf dem das gängige wissenschaftliche Gebäude aufbaut.

Für den Fall einer Verdoppelung der Kohlendioxidkonzentration ergäbe sich eine direkte zusätzliche Treibhauswirkung von nicht einmal einem Grad. Wie kommen dann Prognosen zustande, die einen Temperaturanstieg um mehrere Grad voraussagen? Diesen liegt folgende Hypothese zugrunde: Die ursprüngliche leichte Erwärmung lässt mehr Wasser verdunsten, und der zusätzliche Wasserdampf lässt die Temperaturen dann noch mehr steigen. Die Wissenschaftler nennen dies eine «positive Rückkoppelung».

Theoretisch-physikalisch ist dieser Prozess klar. Was aber tatsächlich im komplexen Geschehen der Atmosphäre abläuft, ist unklar. Und in diesem entscheidenden Punkt liegt auch die Achillesferse aller gängigen Klimamodelle und Prognosen. Das Verhalten des Wasserdampfes und die Wolkenbildung sind nämlich kaum verstanden und können auch nicht im Rechner simuliert werden. Verschiedene Wolken in verschiedenen Höhen können wärmende Wirkung (positive Rückkoppelung), aber auch kühlende Wirkung (negative Rückkoppelung) haben. Ihre kühlende Wirkung hat jeder schon einmal erlebt, wenn sich im Sommer eine Wolke vor die Sonne schiebt. Was bei den teilweise gegenläufigen Temperatureffekten unter dem Strich herauskommt, ist schwer zu sagen.

Ist die Verantwortung von Kohlendioxid für die Erwärmung bewiesen?

Für eine dominierende Rolle des Kohlendioxids im aktuellen Klimageschehen gibt es keinen direkten Beweis, sondern nur eine indirekte Herleitung: Man glaubt alle anderen Ursachen für die in den letzten dreissig Jahren beobachtete Erderwärmung ausschliessen zu können. CO2 bleibt derzeit nach Meinung der meisten Klimaforscher als einziger Tatverdächtiger übrig.

Richtig ist: Die Kohlendioxid-Konzentration ist seit der vorindustriellen Zeit um etwa ein Drittel angestiegen, von etwa 0,029 Prozent auf heute 0,038 Prozent. Richtig ist auch, dass die Temperatur im gleichen Zeitraum um etwa 0,7 Grad angestiegen ist. Der Zusammenhang beider Entwicklungen ist aber nicht sehr deutlich. Das Kohlendioxid stieg langsam und stetig an. Man sollte also meinen, dass die Temperaturen in diesem Zeitraum ebenfalls kontinuierlich zugenommen hätten. Das ist aber nicht der Fall. Erst wurde es wärmer, dann wieder kälter, dann stiegen die Temperaturen wieder an. Die meisten Klimaforscher halten Kohlendioxid als Hauptfaktor für die Erwärmung der vergangenen dreissig Jahre dennoch für erwiesen.

Dem widersprechen eine Reihe Astrophysiker und Geowissenschaftler, die einen anderen Tatverdächtigen präsentieren. Sie glauben, dass zwei Drittel der Temperaturschwankungen mit der kosmischen Strahlung erklärbar sind. Sie könnte somit der Hauptmotor für Erwärmung und Abkühlung sein. Die kosmische Strahlung muss man sich wie einen unsichtbaren Sandsturm vorstellen. Sie stammt von explodierenden Sternen in der Galaxie und enthält winzige Partikel, die beim Auftreffen auf die Erdatmosphäre Kondensationskerne und in der Folge Wolken bilden. Eine Änderung der Wolkenbedeckung um nur wenige Prozent hat enorme Auswirkungen auf das Erdklima.

Die Kausalkette dafür scheint plausibel und lässt sich physikalisch genauso schlüssig wie die Kohlendioxid-Hypothese erklären: Die auf die Atmosphäre treffende kosmische Strahlung wird von der Sonne moduliert. Je stärker das Magnetfeld der Sonne ist, desto mehr schirmt sie die Erde gegen den Partikelsturm ab. Nun hat sich das Magnetfeld der Sonne im 20. Jahrhundert verdoppelt. Weil die Erde dadurch besser abgeschirmt wird, bilden sich in den unteren Schichten weniger kühlende Wolken: Es wird wärmer. Doch auch hier gilt das gleiche Problem wie bei der Kohlendioxid-Hypothese: Die Physik der oberen Atmosphäre ist zu wenig verstanden. Forscher aus 18 Instituten und 9 Ländern haben sich inzwischen zu dem Grossprojekt «Cloud» (Wolke) zusammengetan, um unter anderem mit einem Experiment am Cern (Europäische Organisation für Kernforschung) in Genf zu überprüfen, ob und wie der diskutierte Erklärungsansatz für den Einfluss der Sonnenaktivität auf unser Klima funktioniert.

Das ändert nichts an einem durch Kohlendioxid intensivierten Treibhauseffekt – es könnte sich aber herausstellen, dass er in seiner Wirkung überschätzt wird. Möglicherweise treffen beide Hypothesen zu, und die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Prinzipiell ist es wenig plausibel, dass die natürlichen Einflüsse, die für die rasche Erwärmung in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eingeräumt werden, plötzlich aufgehört haben sollten zu existieren. Das letzte Wort in dieser Hinsicht ist nicht gesprochen.

Steigt der Meeresspiegel immer schneller an?

Der Meeresspiegel stieg am Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10 000 Jahren rasch, in den letzten paar tausend Jahren aber nur noch ganz langsam an. Satellitenmessungen ergeben einen Anstieg zwischen einem und drei Millimetern pro Jahr, das wären in hundert Jahren 10 bis 30 Zentimeter. Dabei kommt der Wärmeausdehnung des Wassers vermutlich eine grössere Rolle zu als zusätzlichem Schmelzwasser. Es gibt Regionen, in denen der Pegel sich etwas schneller erhöht, in anderen sinkt er. Das deutet darauf hin, dass natürliche und zyklische Einflüsse eine Ausdehnung des Wassers infolge der Erwärmung deutlich überlagern. Die Weltmeere sind keine spiegelglatte Wassermasse, die lediglich der Krümmung der Erdkugel unterliegt. Weil Masse und Anziehungskraft der Erde ungleich verteilt sind, weist die Meeresoberfläche Senken und Höhen mit einem Unterschied von bis zu 130 Metern auf. Auch Winde und Strömungen lassen den Meeresspiegel an manchen Orten steigen, an anderen sinken. Nach einer Studie von Anfang 2007 ist der Anstieg in der zweiten Hälfte des letzen Jahrhunderts insgesamt geringer ausgefallen als in den fünfzig Jahren zuvor.

Schmelzen die Pole?

Die Situation an den Polen ist nicht eindeutig. Am Südpol ist es in den letzten Jahrzehnten überwiegend kälter geworden. Wenn von einer Erwärmung die Rede ist, bezieht sich dies in der Regel auf die Antarktische Halbinsel. Die macht allerdings nur 2 Prozent der antarktischen Landmasse aus. Am Nordpol ist es hingegen tatsächlich wärmer geworden, allerdings gibt es regional sehr grosse Unterschiede. Der Nordpol besteht aus auf dem Wasser schwimmendem Eis, das den Meeresspiegel beim Schmelzen nicht ansteigen lässt (genauso wenig wie ein Eiswürfel im Wasserglas). Abschmelzende Eismassen auf den Festlandsockeln der Antarktis oder Grönlands würden den Meerespegel aber sehr wohl ansteigen lassen. Diese Eismassen verändern sich derzeit; während das Eis an den Rändern teilweise abnimmt, kommt im Inneren durch Niederschlag neues hinzu. Die Antarktis scheint insgesamt stabil, in Grönland soll zwischen 1993 und 2003 ein Netto-Verlust an Eismasse zwischen 50 und 100 Gigatonnen pro Jahr stattgefunden haben. Diese Jahresmenge entspricht grob abgeschätzt einem Fünfzigtausendstel des gesamten Eisschildes.

Schmelzen die Gletscher?

In den Alpen nehmen die Gletscher ab – wie fast überall auf der Welt. Auch hier ist es schwierig, eine Abgrenzung zwischen natürlichen Zyklen und einem menschengemachten Klimawandel als Ursache vorzunehmen. In den Schweizer Zentralalpen gab es in den letzten 10000 Jahren acht ähnliche Rückzugsphasen, teilweise über den heutigen Stand hinaus. In den Geröllhalden finden sich Zeugnisse früherer Vegetation und Zivilisation.

Gibt es immer mehr Naturkatastrophen?

Für diese Behauptung gibt es keine eindeutige Datenlage. Beispielsweise ist nicht klar, ob extreme Wetterereignisse zugenommen haben – oder nur die Aufmerksamkeit für diese. Richtig ist, dass die materiellen Schäden immer mehr zunehmen. Das liegt aber vor allem daran, dass immer mehr Menschen in gefährdeten Gebieten – beispielsweise an den Küsten – siedeln. Auch haben sie durch wachsenden Wohlstand immer mehr Hab und Gut. Und sie sind immer häufiger versichert. Wichtig ist auch: Die Zahl der bei klimabedingten Katastrophen umgekommenen Menschen ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts stark rückläufig. Dies liegt daran, dass man sich gegen Stürme, Fluten, Missernten und dergleichen heute besser schützen kann. Trotz steigender Temperaturen ist das Leben für die Menschen sicherer geworden.

Versiegt der Golfstrom?

Die Wahrscheinlichkeit für ein Versiegen des Golfstromes im 21. Jahrhundert liegt nahe bei null. Die Theorie hinter dem Szenario beruht auf der sogenannten thermohalinen Zirkulation. Warmes Wasser strömt vom Golf kommend nach Norden. Da auf dem Weg dorthin viel Wasser verdunstet, erhöht sich der Salzgehalt, das Wasser wird schwerer. Im Norden sinkt das abgekühlte schwere Wasser in die Tiefe und fliesst dann zurück in den Süden. Ein Abschmelzen der Polkappen würde den Ozean mit Süsswasser «verdünnen», die leichteren Wassermassen könnten nicht mehr in die Tiefe sinken, und das Förderband des Golfstroms käme zum Stillstand. So könnte die globale Erwärmung Europa eine Kaltzeit bescheren, lautet die Hypothese. 2005 glaubte man tatsächlich eine 30-prozentige Abschwächung des Strömungsantriebs des Golfstroms festgestellt zu haben – was sich inzwischen als falsch herausgestellt hat. Hinzu kommt: Der Golfstrom wird in erster Linie von dem Windsystem über dem Nordatlantik und von der Erdrotation in Schwung gehalten. Der Ozeanograf Carl Wunsch vom Massachusetts Institute of Technology sagt: «Wer den Golfstrom wirklich zum Stillstand bringen will, muss entweder die Winde abschalten oder die Erde anhalten. Oder beides.»

 

 

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