Archi W. Bechlenberg / 16.05.2020 / 10:00 / Foto: Anthony Quintano / 24 / Seite ausdrucken

Fakebook – weggucken und kassieren

Dafür, dass Facebook ein Hort des Wahren und Guten ist und bleibt, sorgt ein weit verzweigtes Netzwerk von offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern.

Was das Aufspüren und Entfernen von Lug und Trug – oder dem, das offiziell dazu erklärt wird – angeht, guckt man allerdings gerne auch mal weg und lässt Fakes durchgehen, die weitaus mehr Schaden anrichten als reale oder vermeintliche Falschinformationen seitens ungeliebter Mitglieder. Damit meine ich Werbung, die bei Facebook in massiver Weise zwischen den Beiträgen auftaucht und nur eines beinhaltet: puren Betrug.

Da bietet ein Onlineversender namens Covris via Anzeige auf Facebook die Uhr „Omega Speedmaster Automatic“ für 69,81 Euro an. Eine „ROLEX Submariner Mechanical“ ist für wohlfeile 64,12 Euro zu haben. Ein anderer Werbetreibender auf Facebook namens DONOTTAGA bietet ebenfalls die „Omega Speedmaster“ an, er verlangt 75,99 Dollar, was nach heutigem Wechselkurs immerhin 7 Cent mehr als bei Covris sind. Und noch ein weiterer legt ein umfangreiches ROLEX-Angebot vor: Die „Submariner Hulk“ ist für stolze 199 Dollar zu haben, und für die „ROLEX Daydate 36“ mit Diamanten fragt er saftige 249,- Dollar ab. Was immer noch günstig ist, vergleicht man diesen Preis mit dem, der normalerweise für diese Uhr verlangt wird: 34.500 Euro. Das dürfte selbst die Mittel einer Berliner Staatssekretärin überschreiten, die dafür immerhin drei bis vier Monate arbeiten müsste.

Kein Impressum, keine Adressangaben

Alles ist garniert mit verlockenden Abbildungen. Nicht nur Uhren kann man via Facebook für Schnäppchenpreise erwerben. Eine Firma namens Denzell Outwear bietet feinste, aufwändig gestylte Lederjacken an, mal für 87,74 Euro, mal für eine Handvoll Dollar mehr. So, wie auch ein Modeanbieter namens Vsmee. Und wer eher der praktische Typ ist und von Marken-Elektrowerkzeugen träumt, wird ebenfalls bei Facebook fündig. Sechs Maschinen von Makita inklusive einem halben Dutzend Akkus für zusammen schlappe 89 Euro!

Alle diese Anbieter, deren Werbung bei Facebook im Sekundenrhythmus auftaucht, haben schicke Webseiten, auf die man verwiesen wird und bei denen man bestellen kann. Oft sind die Seiten in einwandfreiem Deutsch formuliert, sie haben professionell gemachte Fotos und bieten „sichere Kartenzahlung“ an. Aber noch etwas haben diese Seiten gemeinsam: Sie haben kein Impressum, und auch sonst finden sich, bis auf ein, zwei vage Ausnahmen, keinerlei Adressangaben. Um der Sache dennoch auf den Grund zu gehen, suche ich via Whois nach den Anmeldern der zahllosen Webadressen mit stets ähnlichen Angeboten und baukastengenerierten Seiten. Diese Spuren führen überwiegend nach Panama, Kanada und Arizona; dort sitzen Webprovider, die derartige Shopsysteme und das Hosting anbieten. Eine zwecks Kontaktmöglichkeit angegebene Telefonnummer ist ein Faxanschluss in Minnesota, die angegebene Bank ist in Hong Kong. Globalisierung pur!

Natürlich: Man muss schon selten dämlich sein, um auf diese Shops reinzufallen. Doch viele Menschen rund um den Globus sind selten dämlich. Und werden betrogen, und das unter Mithilfe von Facebook, dem sauberen Unternehmen, dem in Sachen Internetbetrug ganz offensichtlich kein Faktenchecker auf die Finger guckt – wären Betrügereien in diesem Ausmaß sonst möglich?

Ungehemmter Betrug dank Facebook

Wenn man per Suchmaschine nach den angeblichen Firmen forscht, findet man unzählige Beiträge, in denen sich Betrogene über den Betrug beschweren. „Käufer, Vorsicht! Dies ist eine betrügerische Seite!“ „Ich warte seit drei Monaten auf die bestellten Stiefel, Kontakt ist nicht möglich!“ „Kassiert und keine Ware. Kein Kontakt.“ „PayPal umgeleitet auf ein Schuhgeschäft in China.“ Geld weg ... Anbieter nicht erreichbar keine Ware erhalten.“ „Fake-Ware! Kein Umtausch, da die Ware aus China kommt!“ Man kann viele, viele Seiten füllen mit derartigen Berichten.

Es gibt nicht wenige Foren, die vor betrügerischen Shops warnen, dort findet man ohne Ende solche und ähnliche Einträge: „Vintage Stylists located at vintagestylists.com is an untrustworthy online store claiming to sell leather jackets, shoes, and other products. Unsatisfied online users who have shopped on the untrustworthy website are asked to contact their bank or financial institution and open a dispute with them to have their transactions canceled and money refunded.“

Immerhin, manchmal wurde sogar etwas geliefert: „Kennt jemand eine Rücksendeadresse? Sie wollen mir ihre Adresse nicht geben, und ich kann das Produkt – eine Plastikjacke, die sie als Echtes Leder verkaufen, nicht zurück senden!“

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Diese Shops betreiben über bei Facebook geschalteter Werbung ungehemmten Betrug. Und zwar massiv. Wenn ich bei Facebook durch meine Timeline scrolle, erscheint im Schnitt nach jedem zehnten Beitrag eine derartige Werbung.

Facebook ist fein raus

Die Stichwörter facebook + fraud (Betrug), liefern bei Google und Co. zahllose Fundstellen, an denen das Thema Betrügereien in diesem Netzwerk behandelt wird. So ist der  „Facebook Marketplace“ ein beliebter Ort, auf dem Diebesgut wie elektronische Kleingeräte und Fahrräder angeboten wird. Oft bekommt man von dort gar nichts geliefert, nicht einmal Hehlerware, es geht den Anbietern nur darum, die Vorauszahlung zu kassieren. Danach hört man dann nichts mehr davon. Einen Käufeschutz, wie zum Beispiel bei eBay, gibt es hier nicht. Facebook ist fein raus.

Den Marketplace muss man allerdings von sich aus besuchen. Die Anzeigen betrügerischer Shops in der Chronik hingegen werden durch Facebook unverlangt zwischengeschaltet. Nach dem Motto „Jeden Tag stehen Millionen dumme Menschen auf, und hier finden wir sie in Massen“ platzieren die Hintermänner dieses lukrativen Businessmodells am laufenden Meter Anzeigen, vollgestopft mit ihren unfassbaren Angeboten sowie hunderten von Kommentaren angeblich glücklicher Kunden. Die natürlich so falsch sind wie die Köder. Facebook verdient daran mit, denn das Schalten der Anzeigen bringt nette Einnahmen.

Das ist keine neue Erscheinung, die Masche geht ungehindert bereits seit langem so; schon vor Jahren fiel mir Werbung für unglaublich preiswerte Elektronikartikel auf, Smartphones, Tablets, Organizer. Die Anbieter hatten sich nicht einmal gescheut, dazu auf Facebook die gestohlenen Produktfotos und Original-Werbeclips des tatsächlichen Herstellers zu präsentieren. Das sah professionell, fast seriös aus, nur die Preise waren mal wieder mehr als auffällig.

Einmal fand ich tatsächlich ganz versteckt auf der Website eines Anbieters für Smartphones eine reale Adresse. Was mochte dort sein? Ein Import-Export-Geschäft? Oder wenigstens ein Lagerhaus? Dank Streetview ließ sie sich lokalisieren: Es war ein schäbiges kleines Ladenlokal mit verrammelten Fenstern in einem englischen Dorf.

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Leserpost

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Max Schmidt / 16.05.2020

Wer es noch nicht wußte, in Einem sind die Amis absolute Weltspitze. Aus SCHEIßE GELD MACHEN.

W. Schwarz / 16.05.2020

Die BK hatte schon einmal bei Zuckerberg interveniert, damit dieser für sie unliebsame Posts entfernen lässt. Ob sie bei ihm wegen dieser Nepper wieder ein offenes Ohr erhält ist sehr fraglich, da geht es doch mehr um Profit für diese Werbeanzeigen.

Karsten Dörre / 16.05.2020

Welche seriöse Firma schaltet auf Facebook Werbung? Das ist rausgeschmissenes Geld. Ich habe ständig Werbung, ich solle mich mit allen möglichen und unmöglichen Frauen daten, weil ich neben meinen falschen Namen auch nicht meinen richtigen Familienstand angegeben habe. Facebook ist für mich Spaß und Unterhaltung.

Walter Weimar / 16.05.2020

Meine Rollex habe ich mir auf dem Wochenmarkt gekauft. Ein echtes Schnäppchen: 19,90. Was will man mehr! Wie stets geschrieben “Kauf vor Ort bei deinem Händler ...”

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