Josef Hueber, Gastautor / 21.05.2021 / 11:00 / Foto: David Hall / 23 / Seite ausdrucken

Fairer Antisemitismus 

Die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien über den gegenwärtigen Nahost-Konflikt geriert sich als überparteilich und umfassend. Was als Zeichen von journalistischer Ausgewogenheit daherkommt, ist in Wirklichkeit Ausdruck von Antisemitismus.

Der Persilschein für den Befreiungsschlag vom Vorwurf antisemitischer Gesinnung enthält Bekanntes: Man habe jüdische Freunde, man sei gegen rechts, und man dürfe, nein, man müsse die Politik Israels - wenn auf Abwegen- kritisieren, gerade wegen unserer deutschen, historisch begründeten Verantwortung. Darin zeige sich echte Solidarität.

Nach  ARD, ZDF und ihren Synchron geschalteten Haltungsmedien zu schließen, wird die außenpolitische Pädagogik des Gerechtesten unter den Völkern klar:  Der politische Zeigefinger weist aktuell in die alternativlose Richtung der Zukunft eines Nahost-Friedens: Gewaltanwendung (trotz legitimer Selbstverteidigung) beenden, Gespräche führen statt Vergeltung ausüben, Siedlungspolitik einstellen, Jerusalem nicht als Hauptstadt postulieren, Zweistaatenlösung akzeptieren, das  Recht  der Rückkehr der  „Vertriebenen“ anerkennen und so weiter und so fort.  Wem mit diesem Katalog an Forderungen die größere Schuld am Unfrieden im Nahen Osten zugeschrieben wird, beantwortet sich damit von selbst.

Es ist dieses politische Framing, welches die Berichterstattung und Kommentierung über die gegenwärtigen Vorgänge in Gaza und Israel voraussetzt, um trotz offensichtlicher Einseitigkeit  glaubhaft zu sein. In etwa so: Netanyahu ist nicht Hitler. Aber auf jeden Fall ist er der Bad Guy, der aus der Vergangenheit wenig, wenn nicht gar nichts, gelernt hat. 

Um dieses Narrativ glaubhaft rüberzubringen, bedarf es zielorientierter Aufbereitung der Kriegsberichterstattung. Dabei gilt es, das Zwar-Aber als durchgängigen Maßstab anzulegen, um keine Zweifel an der Fairness der Berichterstattung aufkommen zu lassen. Bilder und Kommentare, die vom Krisenherd nach Deutschland gelangen, wollen selektiert und kommentiert sein. Dabei soll der Eindruck erweckt werden, es handle sich um eine ausgewogene, die Konfliktparteien  in ihren beidseitig gleichrangigen Ansprüchen unparteiisch zu Wort kommen zu lassen.  Beabsichtigt ist  der Eindruck einer journalistisch gebotenen  „Äquidistanz“ zu  Israelis und Palästinensern, was überparteiliche Unvoreingenommenheit suggeriert.  Sieht man genauer hin, erscheint Israel freilich in einem deutlich schlechteren Licht als der Gegner Hamas.

Kein Zugeständnis ohne das Aber

Zwar wurde von Gaza aus mit Raketen geschossen, aber die Israelis haben sehr hart reagiert. In der Bildbegleitung  sieht das so aus. Wenn Opfer der Gewalt interviewt werden, stehen sie  vor riesigen Trümmerbergen, im Bild immer weinende  Kinder, meist im Arm ihrer Mütter. Ausschließlich Palästinenser. Weinende Israelis mit weinenden Kindern sieht man nicht. In kurzen  Interviews  kontrastieren verzweifelte  Palästinenser mit selbstbewussten israelischen Militärs oder Netanyahu, letztere  stets Härte und Vergeltung souverän ankündigend. Interviews mit Vertretern der Hamas gibt es nicht. ( Sie würden freilich das beabsichtigt  ungünstige Bild der israelischen Regierung in Frage stellen.)

In der Tagesschau vom 19.5.21, 20 Uhr betont Gregor Gysi in der Diskussion im Bundestag zur aktuellen Lage im Nahen Osten, zwar das Recht Israels auf Verteidigung, bezeichnet aber das militärische Vorgehen als „völkerrechtswidrig“. Er ist damit im Einklang mit den eingespielten  Erklärungen von  Mahmud Abbas, der Gysis Argumentation des völkerrechtswidrigen Handelns Israels variiert und verschärft.  Die Luftangriff auf Gaza seien aus seiner Sicht  „von israelischen Besatzern ausgeführter Terrorismus“. Netanyahu informiert anhand einer Karte über militärische Aktionen und Erfolge. Er  „schließt nichts aus“ mit Blick auf weitere Maßnahmen. Wie eine Nebensächlichkeit lässt man ihn erläutern: „Wir tun unser Möglichstes, um zivile Opfer zu vermeiden.“

Zu allem eine tendenziöse  Bildbegleitung:  Erschreckende Aufnahmen von Explosionen, Rauchschwaden und zerstörten Gebäuden und Trümmerbergen  in Gaza.  Als von Angriffen auf Israel die Rede ist, Bilder von Raketen hoch in der Luft, erinnernd an Feuerwerkskörper an Sylvester. Dann ein kurzer Blick auf eine  Straße mit wenigen umherliegenden Trümmern, wie nach einem kleinen Verkehrsunfall.  Das letzte Bild vom Schaden, der in Israel angerichtet wurde: Die Großaufnahme einer Türklinke. Darüber ein  Einschussloch.

Wir kommen zum Sport.

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Kay Ströhmer / 21.05.2021

Ich bin immer wieder beeindruckt von der Zurückhaltung und der Professionalität des israelischen Militärs. Mir persönlich würde das ausgesprochen schwerfallen, nicht einfach freies Schussfeld bis hin zu den Raketenschützen zu schaffen, wenn ich die Mittel dazu hätte. Bei mir hätte die offensive Beendigung des gegnerischen Angriffs Priorität. Rücksicht nehmen kann man hinterher wieder.

sybille eden / 21.05.2021

Das Wort “AGRESSION” gegenüber der Raketenhamas fiel kein einziges mal in den Staatsmedien.                                                    Und Israels Verteidigungsmassnahmen sind “VÖLKERRECHTSWIDRIG” ! Was ist das für ein Recht ,das einem Staat die Verteidigung verbietet ? Wer hat dieses “Recht” beschlossen ? Hat dieser Gysi nicht mehr alle an der Latte?

Harald Unger / 21.05.2021

Liebe @ Petra Wilhelmi, diese 2-Staatenregelung, die Sie sich wünschen, gibt es seit 1948, der Gründung des modernen Israel. Es ist das Ostjordanland, eigens und ausdrücklich für die arabische Bevölkerung des Britischen Mandats geschaffen. Zuvor, im Nachgang des WK I, wurden Libanon und Syrien neu gegründet, wie Israel, im Kernbereich ihrer historischen Lagen. Obendrein noch der moderne Irak. - - - Was man heute mit ‘2-Staaten-Regelung’ meint, ist eine 4-Staaten-Regelung: Jordanien und Israel -plus- Hamas in Gaza und Fatah in Judäa und Samaria. Nach der Rückeroberung des von Jordanien völkerrechtswidrig besetzten Judäa-Samarias, wurde dieses bronzezeitliche Kernland der jüdischen Kultur, in 3 Zonen aufgeteilt. A und B für den zusätzlichen Staat der Fatah, und die C Zone für Israel. Da Araber für jeden Stamm oder politische Partei, einen eigenen Staat fordern. Die A und B Zonen sind judenrein, Israelis, die sich dorthin verirren, bezahlen den Irrtum mit ihrem Leben. Weshalb Juden, seitens ihrer Regierung, der Zutritt streng verboten ist. - - - Der Pal-Präsi Abbas jedoch entschied, daß zu seinem künftigen Staat auch die C Zone von Judäa und Samaria gehören müsse, selbstverständlich judenrein wie in A und B. - - - Dieser Staat der Fatah würde in kürzester Zeit von Hamas übernommen werden, die ihrerseits sogleich den iranischen “Jerusalem-Brigaden” weichen müssten. Übrigens, in der PLO Gründungs-Charta von 1964, wird ein Anspruch der sich seither ‘Palästinenser’ nennenden Araber auf, wörtlich “Judäa und Samaria” ausdrücklich verneint. Jerusalem ist erst gar nicht erwähnt. Obwohl vom SS General Husseini Anfang der 30er Jahre des 20. Jh. als ‘drittheiligste’ Stätte des Islam ausgerufen.

B. Hertel / 21.05.2021

Während der twitter account von UNICEF Israel seit dem 11. Dezember 2019 eingemottet ist kann man auf dem UNICEFpalestine Account genau das sehen, was sie beschreiben: Trümmer und Kinder. Und zwischendrin Guterres. Wäre vielleicht hinsichtlich der Einseitigkeit auch mal eine Betrachtung wert. Auch wegen der fließenden Gelder Richtung Gaza.

Stanley Milgram / 21.05.2021

p.s.: Man sollte doch mal auf einer Grünen-Demo mit einem großen Schild “ACAB” rumlaufen. Wenn einer fragt: Annalena Charlotte Alma Baerbock :-D

Stanley Milgram / 21.05.2021

Mein Persilschein war die Behauptung, dass ich bis zur Anzeige “Beleidigung Merkills” wegen der Zerstörung der deutschen Gaststätten (darf man noch Gaststätte sagen oder muss es “Gaststätten*Gästinninenstätten” heißen?); also meine Persilschein war, dass meine Stammkneipe eine nicht näher benannte koksverseuchte Shisha-Bar war, die von Nicht-Deutschen geführt wurde. Dass ich die AfD gewählt habe, das behielt ich aber dann doch für mich… wenn schon einer (Polizist) von “unserer Kanzlerin” spricht. Meine war es nie und wird es auch niemals nie sein. -Punkt-  ACAB (Annalena Charlotte Alma Baerbock) oder wie jetzt?

Rolf Menzen / 21.05.2021

Mittlerweile haben wir alles outgesourct. Die Klamotten werden von kleinen braunen Männlein und Weiblein irgendwo in Bangladesch oder so hergestellt,  der Elektronikplunder von Chinesen. Das Essen bringen irgendwelche Sklaven,  die ein Jahr zuvor mit dem Schlauchboot aus Lybien rübergerudert sind und die Juden werden von den Arabern umgebracht. Wir sind schon echte Gutmenschen.

D. Preuß / 21.05.2021

Gregor Gysi hat im Bundestag die Verteidigung Israels gegen den Raketenbeschuss durch die Hamas als Verteidigung und gleichzeitig als völkerrechtswidrig bezeichnet, also als eine völkerrechtswidrige Verteidigung gegen militärische Angriffe. Ich hoffe, er hat das vorher mit seiner Juristenkollegin, Völkerrechtlerin und zukünftigen Koalitionschefin Baerbock abgestimmt?

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