Rainer Bonhorst / 13.06.2020 / 15:00 / 40 / Seite ausdrucken

Fälscher-Aufgabe von monumentalem Ausmaß

Zu den Hobbys der politisch Überkorrekten gehört bekanntlich die rückwärtige Säuberung, also die Vergangenheits-Zensur. Diese Leidenschaft ist international. Diktaturen, ob kommunistisch, ob militaristisch haben darin eine lange Erfahrung, in der westlich-demokratischen Welt handelt es sich im wesentlichen um eine Errungenschaft der letzten ein, zwei Jahrzehnte. Jüngstes Opfer dieser Liebe zur Zensur ist eine britische Fernseh-Komödie, die den schönsten Spruch zum angespannten Verhältnis der Briten zu Deutschland hervorgebracht hat: „Don't mention the war.“

Jawohl, John Cleese, der chaotische Wirt des Familienhotels „Fawlty Towers“ darf neuerdings nicht mehr versuchen, gegenüber seinen deutschen Gästen den Krieg nicht zu erwähnen. In der Episode aus dem Jahr 1975 mit dem Titel „The Germans“ scheitert er kläglich in seinem Bemühen, durch Schweigen („Don't mention the war“) der Völkerverständigung zu dienen. Er kann das Wasser nicht halten und schwadroniert eben doch über den Krieg und führt den Germans auch noch einen fantastischen Hitler mit Stechschritt vor. Eine herrliche Episode einer Kult-Serie, die auch in Deutschland erfolgreich gelaufen ist. Jetzt hat die BBC diese Episode in den Giftschrank verbannt. Mit Rücksicht auf die armen Deutschen?

Natürlich nicht. Das Stück ist der Zensur zum Opfer gefallen, weil ein alter tatteriger Stammgast, Major Gowan, in einem anderen Zusammenhang das „N“-Wort von sich gibt, das inzwischen so unaussprechlich ist wie der Name Voldemorts bei Harry Potter. Es wird in der Szene zwar überdeutlich, dass Major Gowan ein Mann von vorgestern ist. Die Episode macht sich das „N“-Wort nicht zu eigen sondern erinnert durch den Mund des alten Knackers selbstkritisch an den eigenen englischen Rassismus früherer Zeiten. Darin besteht eine Parallele zur Stechschritt-Szene, die sich ja auch nicht gegen die Deutschen richtet sondern – wiederum selbstkritisch – die Haltung vieler Engländer karikiert. 

Eine Form des Exorzismus

Aber solche Subtilitäten sind für übereifrige Zensurfreunde nicht nachvollziehbar. Es war schon immer ein Merkmal von Zensoren, dass sie mit grobem Stift und ebenso grobem Verstand ihrem Beruf nachgingen. Da herrscht zwischen Helfershelfern einer Diktatur und Dienern einer politisch-korrekten Sprache eine in der Methode erstaunliche Wahlverwandtschaft.

Ich lese gerade einige Romane des 19. Jahrhunderts, englische, amerikanische, deutsche. Es gibt kaum einen, der frei von „rassistischen“ Wörtern oder ganzen Passagen ist, die dem Leser heute unangenehm aufstoßen. Damals waren selbst die besten Autoren nicht frei von Rassenvorurteilen, sei es zur Überlegenheit der weißen oder zur Unterlegenheit der nichtweißen Menschen. Auch anti-jüdische Worte und Personenbeschreibungen waren literarischer Alltag. Und das setzte sich bis ins zwanzigste Jahrhundert fort. Heute hält man es in besseren Kreisen lieber mit einem unausgesprochenen Rassismus. Denn ausgestorben ist er auch bei uns nicht. Man kniet nieder, und das ist gut so. Aber es ist auch eine Form des Exorzismus. Doch das nur am Rande. 

Folgte man dem Beispiel der BBC und der anderen rückwärtigen Zensoren, so müsste man unsere alte Literatur massiv dezimieren, schwärzen oder umschreiben. Es geschieht ja längst. Eine Fälscher-Aufgabe von monumentalem Ausmaß, bei der ich viel verbissenes Vergnügen wünsche. 

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Thomas Taterka / 13.06.2020

Es ist nicht meine Absicht, hier irgendjemand anmassend Pflichtlektüren aufzubrummen, aber wenn man Rassismusdebatten und Zensurdebatten, die wie Kriege geführt werden, diskutieren will , sollte man mit dem ” Menschlichen Makel ” von Philip Roth beginnen. Der hat 2000 die Tür für den Problemhorizont geöffnet, jede Diskussion, die dieses geradezu prophetische Meisterwerk übergeht, fällt zurück und genau das ist der Jammer mit dem Hier und Heute : Hysterie von ” dunklen Gestalten “, die nicht willens sind zur Rezeption und einfach zuviel Macht bekommen haben. Roth hat das bereits in den 90ern klar erkannt und alle Konsequenzen für den Einzelnen, der sich nicht unterwirft, aufgezeigt. Mein Vorschlag wäre also , die Lektüre mit ihm zu beginnen. Für die Lesefaulen gibt es eine Abkürzung über eine exzellente Verfilmung durch Robert Benton ( “Nobody’s Fool”).

Wolf Hagen / 13.06.2020

Vielleicht fällt nun auch mal dem Mainstream auf, dass der sogenannte gesellschaftliche Fortschritt nichts weiter ist, als billiger Kulturrevisionismus. Ob nun das Umschreiben von alten Märchen, z.B. der Gebrüder Grimm, das aus dem Programm nehmen von Filmen und Serien, wie “The Germans”, oder auch “Vom Winde verweht”, oder das Stigmatisieren von Menschen, die eine zeitgeistkritische Meinung äußern, all das fiel und fällt doch nicht vom Himmel! All dieser Schwachsinn nimmt doch täglich zu, weil keiner sich ernsthaft dagegen wehrt. Ich für meinen Teil habe schon länger beschlossen mich nicht mehr an die political correctness zu halten. Ich esse gerne Negerküsse, bestelle Zigeunerschnitzel und verweigere den Genderschwachsinn, es sei denn, um ihn als das vorzuführen, was er ist, nämlich Schwachsinn! Aber selbst viele Autoren der Achse beugen sich dem Sprachdiktat, indem sie Sachen unnötig kompliziert umschreiben, gendern und teilweise unterschwellige Entschuldigungen für etwas finden, was in Wahrheit eine Vergewaltigung der deutschen Sprache ist. Nebenbei, Herr Bonhorst, nein es ist nicht gut so, das Knie vor irgendjemanden freiwillig zu beugen, auch nicht vor Schwarzen, Juden oder wem auch immer. Ich persönlich habe keinen Juden umgebracht, auch keinen Schwarzen, oder Roten, Gelben, Grünen oder Blauen. Daher beuge ich nur vor dem Lieben Gott das Knie! Alle anderen können mich mal! Ich weigere mich einfach. Ich mache nicht mehr mit. Lieber halte ich es mit den Vitalienbrüdern und deren Motto: “Des Lieben Gottes Freund und aller Welt Feind!”

Peter Maier / 13.06.2020

Ja Herr Bonhorst, die Aufgaben, die hier warten sind wirklich von monumentalem Ausmass und können nur von zahlreichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern bewältigt werden. Um dies auf hohem professionellen Niveau zu gewährleisten, sollte umgehend ein entsprechender Studiengang eingerichtet werden. Mit dem Batschelor Examen in creative rewriting and history eradicating stehen einem sämtliche Türen des neuen Arbeitsmarktes offen und die Übernahme in ein Beamtenverhältnis beim Ministerium für politische Wahrheit und gesellschaftliche Harmonie eröffnet attraktive Karrierechancen.

Markus Kranz / 13.06.2020

Je öfter der IS Anschläge begeht, um so lautstärker müssen die Linken gegen Mikroaggressionen anrennen. Sonst kommt am Ende noch jemand auf die Idee, der Westen könnte gut sein - und IS und Antifa böse.

D. Preuß / 13.06.2020

Sehr geehrter Herr Bonhorst, Ihren Vorschlag, man müsste “unsere alte Literatur ... schwärzen” wäre Blckfacing, Sie alter Rassist. ;-)

B. Dietrich / 13.06.2020

Vielleicht ist es an der Zeit, ebenso wie in Ray Bradburys dystopischen Roman “Fahrenheit 451” wertvolle Bücher der Weltliteratur (bzw. ‘Werke der Weltkultur’) hinter Schränken und doppelten Wänden zu verstecken, um sie den staatlich beauftragten ‘Feuerwehrmännern’ vorzuenthalten, die sie im Sinne politischer Korrektheit einem alles reinigenden Feuer zuzuführen haben. So könnte jeder Einzelne dazu beitragen, unwiederbringliches Kulturgut dem Zugriff einer wildgewordenen Moralkamarilla zu entziehen, solange, bis nach dem großen Knall der Bedarf an Rationalität wieder überlebenswichtig geworden ist. Etwas, was wir Älteren aller Voraussicht nach nicht mehr erleben werden…

Gerhard Hotz / 13.06.2020

Ja, der Rassismus war früher allgegenwärtig. In der Sonntagsschule in den 1960ern durften wir jeweils eine Münze spenden. Der Spendentopf war mit einem dunkelhäutigen Figürchen ausgestattet, das beim Versenken des Groschen nickte. Wir Kinder dachten uns nichts dabei.

Fritz Neumann / 13.06.2020

«Jede Aufzeichnung wurde zerstört oder gefälscht, jedes Buch neu geschrieben, jede Statue und jedes Straßengebäude wurde umbenannt, jedes Datum wurde geändert. Und der Prozess geht Tag für Tag weiter. Die Geschichte hat aufgehört. Es gibt nur eine endlose Gegenwart, in der die Partei immer Recht hat.» Es wird immer offensichtlicher: Irgendwer benutzt Orwells 1984 nicht als Warnung sondern als Handlungsanweisung.

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