Elon Musk interviewte bei SpaceX „immer jeden einzustellenden Ingenieur persönlich",denn man kann sich seine Fachkräfte gar nicht sorgfältig genug aussuchen. Die deutsche Politik ignoriert diesen Grundsatz komplett – und das für ein ganzes Land. Ein Partygespräch unter Profis.
In der mittelständischen Industrie wissen Arbeitnehmer und Unternehmer recht genau, welche politischen Projekte von Vorteil und welche auf Sand gebaut sind. Es ist daher immer wieder interessant, auf Leistungsträger aus diesen Unternehmen zu treffen. In der Diskussion mit Mittelständlern lassen sich selbst am arbeitsfreien Wochenende, im Rahmen vermeintlich zwangloser privater Feierlichkeiten, oftmals interessante politische Einsichten gewinnen. Beginnen wir von vorne.
Ich war eigentlich noch nie ein Partygänger. Schon zu Teenager-Zeiten habe ich den Austausch in kleiner Runde umfangreicheren Zusammenkünften vorgezogen. Abseits von meiner rein persönlich bedingten Inkompatibilität mit privaten Feierlichkeiten wurden derlei Zusammenkünfte in den letzten Jahren auch immer schwieriger, weil die Gesellschaft zunehmend gespalten ist und immer mehr in Splittergruppen zerfällt, die sich spätestens seit Corona selbst im privaten Kreis zum Teil recht unversöhnlich gegenüberstehen. Größere Zusammentreffen wurden daher auch für mich über die Jahre zu einem eher seltenen Ereignis.
Kürzlich ergab sich dann doch einmal wieder eine Gelegenheit: Ein Freund aus der Teenagerzeit hatte eingeladen, seinen Geburtstag zu feiern. Ort der Veranstaltung: ein Reiheneckhaus in einer kleinen Gemeinde am westlichen Rand der schwäbischen Alb. Vielleicht 30 Partygäste, die sich auf mehrere Stockwerke verteilt hatten. Dank meiner Devise „Pünktlich erscheinen – im Falle schwieriger Diskussionen früh wieder zurückziehen“ hatte ich beim Eintreffen noch weitgehend freie Platzwahl. Ich rief mir nochmals meine Vorsätze in Erinnerung, möglichst wenig zu reden und um alle politisch kontroversen Themen dem Gastgeber zuliebe konsequent einen großen Bogen zu machen.
Schon nach wenigen Minuten nahm ein Herr mittleren Alters neben mir Platz, der sich als Nachbar des Jubilars vorstellte. Er sei erst vor einigen Monaten zugezogen, daher konnten wir uns noch nicht von zurückliegenden Feiern kennen. Wie sich nach einigem „Abtasten“ herausstellte, hatte er ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert und war vor einigen Jahren im Personalwesen gelandet, bei einem „klassisch“ mittelständischen Industrieunternehmen mit fast 200 Mitarbeitern. Es entwickelte sich ein interessantes Gespräch, das phasenweise zudem angenehm kurzweilig war. Für meine weiteren Ausführungen verwende ich für meinen Gesprächspartner das platzsparende Pseudonym „Hans“.
Der allgegenwärtige Fachkräftemangel
Einen guten Gesprächseinstieg mit Beschäftigten im Bereich „Human Resource Management“ liefert immer der seit Jahren allgegenwärtige Fachkräftemangel. Insbesondere auch im mir vertrauten Bereich der „Information Technology“ (abgekürzt IT) sind die Verhältnisse äußerst angespannt. Bereits im Jahr 2014 klagte der Branchenverband BITKOM über 41.000 offene Stellen in der IT-Industrie, aktuell gelten sogar 150.000 Stellen als unbesetzt.
Hans verwies beim Thema Fachkräftemangel auf rund „40 Entwickler im Unternehmen, davon fast zwei Drittel im Bereich Softwareentwicklung“. Die Kollegen würden fast schon verhätschelt, weil man froh sei über jeden einzelnen Entwickler, den man an das Unternehmen binden könne. An Produktideen würde es nicht mangeln, aber bereits seit Jahren könnten viele Projekte nicht umgesetzt werden, weil dazu die entsprechend qualifizierten Mitarbeiter fehlen würden, schließlich sei der Arbeitsmarkt bundesweit weitgehend leergefegt.
Nach einem großen Bogen über weite Bereiche des Personal-Managements tauschten wir zahlreiche Anekdoten über Vorstellungsgespräche aus und landeten dann vorübergehend bei einem technischen Thema, dem aktuellen Hype um die „Künstliche Intelligenz“ (abgekürzt KI). Für einen Hersteller von Investitionsgütern sei das ein ganz wichtiges Thema, meinte Hans, denn viele Kunden würden KI möglichst breit anwenden wollen und hofften auf Produktivitätsgewinne. Zahlreiche Produkte müssten nun mit Hochdruck erweitert und „aufgewertet“ werden, was der Entwicklung einiges abverlange. Ende März 2025 sei eine wichtige Messe, bis dahin müsse man liefern können. Das gesamte Entwicklerteam stehe aktuell „gewaltig unter Druck“, die Zeit werde knapp.
Ich konnte mich gut in meinen Gesprächspartner hineinversetzen, schließlich hatte auch ich in meiner unternehmerischen Karriere derlei Ausnahmesituationen schon mehrfach durchlebt: Eine Fülle an Aufgaben, aber viel zu wenig Entwicklungskapazitäten. Alle sind voll im Stress, permanentes Arbeiten unter Zeitdruck. Hans nahm mein Verständnis dankend zur Kenntnis. Ich gab ihm noch die Empfehlung jetzt besser niemanden einzustellen, Stichwort „Brooks‘sches Gesetz“. Er nickte bestätigend: „Genau: Die nächsten Monate wird in der Entwicklung garantiert keiner eingestellt – Brooks‘sches Gesetz.“ Dann gingen wir beide uns noch etwas zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen holen. Die Geburtstagsfeier begann Spaß zu machen.
Das Brooks'sche Gesetz
Ein akuter Mangel an Personalressourcen, aber niemanden einstellen? Was im ersten Moment als Widerspruch erscheint, lässt sich bei genauerer Betrachtung insbesondere in Bezug auf die Herstellung von Software fundiert begründen. Der US-amerikanische Informatiker und Fachbuchautor Frederick P. Brooks (*1931–2022) fasste diese Erkenntnis, die er als Softwareingenieur in seiner Arbeit bei IBM gewann, erstmals im Jahr 1975 wie folgt zusammen: „Adding manpower to a late software project makes it later.“ Auf deutsch: „Der Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte bei bereits verzögerten Software-Projekten verzögert sie nur noch mehr.“ [1] Dieser Satz wurde in der IT als das „Brooks‘sche Gesetz“ bekannt.
Die Herstellung von Software unterscheidet sich beträchtlich von traditionellen Produktionsprozessen und in der Software-Branche gelten im Vergleich zu anderen Branchen sehr spezielle Regeln. Insbesondere in Betrieben, die in irgendeiner Form mit Serienproduktion zu tun haben, verfällt das Management leicht der Annahme, Methoden und Prozesse aus der traditionellen Güterfertigung könnten auch auf die Softwareentwicklung übertragen werden. „Produktionsengpässe“ innerhalb der Softwareentwicklung lassen sich aber definitiv nicht, wie von Brooks richtig erkannt, über die Beschäftigung von zusätzlichen Arbeitskräften bewältigen. Warum dauern bereits verspätete Projekte länger, wenn weitere Ressourcen hinzugefügt werden?
Laut Brooks ist der Hauptgrund für weitere Verzögerungen der üblicherweise sehr hohe Aufwand für die Einarbeitung und Qualifikation der neuen Mitarbeiter bis zu dem Zeitpunkt, ab dem diese erstmals produktiv zum Projekt beitragen können. Diese Ausbildungsleistung muss größtenteils von vorhandenen Teammitgliedern übernommen werden, weil nur sie über die dafür notwendige Expertise verfügen. Während erfahrene und didaktisch versierte Entwickler den neuen Kollegen die Besonderheiten der Implementierung sowie den Stand des Projekts erklären, arbeiten weder sie noch die neuen Mitarbeiter an der Weiterentwicklung, was den Fertigstellungstermin logischerweise immer weiter in die Zukunft verschiebt. Eine Vergrößerung des Projektteams führt ganz automatisch auch zu einem ansteigenden Koordinierungsaufwand und mit jedem neuen Mitarbeiter ändert sich die Kommunikationsstruktur im Entwicklerteam. Jeder neu hinzukommende Mitarbeiter verändert die Prozesse, an die sich die altgedienten Mitarbeiter gewöhnt hatten. Die Routine wird gebrochen, neue Abläufe müssen definiert und eingespielt werden – und zwar von allen, auch vom bestehenden Personal. In gewisser Weise muss die Teambildungsphase, die zu Projektbeginn bereits durchgeführt wurde, zumindest in Teilen erneut durchlaufen werden. Diese Anpassungsleistung verringert vorübergehend die Arbeitsgeschwindigkeit, der Output verlangsamt sich. So gesehen ist es für erfahrene Projektmanager wenig verwunderlich, dass insbesondere in wissensbasierten Bereichen der Wirtschaft Neueinstellungen oftmals temporär zu Chaos führen.
Steigende Anforderungen an die Qualifikation
Um in der Softwareentwicklung produktiv mitarbeiten zu können, ist eine aufwändige dreistufige Qualifizierung erforderlich. Das erfolgreiche Absolvieren eines einschlägigen Studiums, wie z. B. der Informatik, gilt als grundsätzlicher Befähigungsnachweis, mehr nicht. In einem zweiten Schritt muss sich der Mitarbeiter fundierte Kenntnisse über die sogenannte Fachdomäne aneignen, denn es macht einen Unterschied, ob für eine Unternehmens-Software zur Verwaltung der täglichen Geschäftsaktivitäten, einen Spurhalteassistent im PKW oder eine Gaming-App für Teenager programmiert wird. Zuletzt muss der Mitarbeiter die bereits vorhandene konkrete Implementierung sowie die unternehmensspezifischen Entwicklungsprozesse verstehen.
Es ist nicht unüblich, dass zwei Hersteller eines funktional vergleichbaren Softwareproduktes einen völlig unterschiedlichen Implementierungsansatz wählen und zueinander inkompatible Technologien einsetzen. Selbst bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb einer spezifischen Herstellerbranche kann für einen Entwickler die erneut zu durchlaufende dritte Qualifizierungsstufe eine Herausforderung darstellen. Der hierfür erforderliche Zeitbedarf (d.h. die Einarbeitungszeit) variiert zwischen etwa zwei Monaten in einem 08/15-Softwarehaus und bis zu 24 Monaten in Unternehmen, die schwer durchschaubare technische Anwendungen entwickeln.
Es gehört zu den besonderen Eigenheiten technologieorientierter Unternehmen, für einen neu eingestellten Mitarbeiter oftmals eine beträchtliche Ausbildungsleistung erbringen zu müssen. Aus diesen branchenspezifischen Gegebenheiten ergibt sich nebenbei, dass die laut BGB maximal zulässige Dauer von sechs Monaten für eine arbeitsvertraglich vereinbarte Probezeit oftmals nicht ausreichend und somit aus Sicht der Industrie praxisfern ist.
Begrenzte Aufnahmefähigkeit
Frisch gestärkt bat ich meinen Gesprächspartner auszuführen, welche Auswirkungen es auf das Unternehmen hätte, wenn relativ zeitnah beispielsweise fünf weitere Softwareentwickler dem Team hinzugefügt würden. Hans meinte, dies sei nicht so leicht zu beantworten, denn es gäbe zahlreiche Einflussfaktoren. Im besten Fall kämen fünf absolute Top-Leute, die alle die ersten zwei Qualifizierungsphasen bereits erfolgreich absolviert hätten und sich bei der Einarbeitung in die Software des Unternehmens als sehr talentiert und lernbereit erweisen würden. Dennoch müsse die Stammbelegschaft in den kommenden Monaten einige Zusatzarbeit leisten, um „die Neuen“ einzuarbeiten, was – Stichwort Brooks – bis zur Messe im Frühjahr manche Planungen über den Haufen werfen könne. Der Wettbewerb in der Branche sei hart, zahlreiche Kunden würden bereits nervös, wenn ein Jahr keine neue „Major“ Softwareversion veröffentlicht werde. Es sei bekannt, dass aktuell alle Anbieter in der Branche mit Hochdruck an der KI-Thematik arbeiten. Wenn das Unternehmen jetzt temporär zurückfalle, könne das auf lange Sicht Marktanteile und somit Arbeitsplätze kosten.
Noch weitaus problematischer sei es, wenn fünf eher weniger talentierte Entwickler eingestellt würden, die alle noch umfangreich qualifiziert werden müssten und dabei viele Fragen stellen. Im schlimmsten Fall kündigen daraufhin entnervt Mitarbeiter aus der Stammbelegschaft und suchen ihr Glück woanders, Arbeitsplätze für Top-Qualifizierte mit Berufserfahrung gäbe es schließlich genug. Zum jetzigen Zeitpunkt ein paar Leistungsträger aus der Stammbelegschaft zu verlieren, sei allerdings so ziemlich das Letzte, was die Firma gebrauchen könne.
Wir blieben bei diesem Szenario noch eine Weile hängen. Personalaufbau ist in der Regel unumgänglich, um die geschäftlichen Aktivitäten auszuweiten, Marktanteile zu gewinnen und die Erlöse zu steigern. Neueinstellungen sind aber oftmals mit Risiken verbunden und bringen zwangsläufig Mehrkosten. Neueinstellungen werden von manchen Entwicklern in gewisser Hinsicht als Belastung empfunden, was in Anbetracht der damit verbundenen teaminternen Anforderungen menschlich durchaus verständlich ist. Die Ausbildungsleistung, die ein Team erbringen kann, ohne die Wertschöpfung ernsthaft zu stören, ist begrenzt. Jedes Team sollte daher die eigene Kapazitätsgrenze genau kennen und dementsprechend zurückhaltend neue Kräfte hinzufügen. Ein Unternehmen mit zehn Mitarbeitern kann nicht plötzlich weitere zehn Leute einstellen. Einstellen ohne auszubilden ist insbesondere in wissensbasierten Bereichen auch keine Option, denn ohne qualifizierte Einarbeitung werden die neuen Mitarbeiter nur selten zur Wertschöpfung beitragen können. Mitarbeiter zu beschäftigen, die nur sporadisch oder grundsätzlich nichts Produktives beitragen können, macht wirtschaftlich keinen Sinn, auch wenn eine derartige Personalpolitik im öffentlichen Sektor regelmäßig angetroffen werden kann.
Drum prüfe wer sich bindet
Hans verwies an dieser Stelle auf die große Bedeutung des Einstellungsprozesses. Wie reibungslos oder problematisch die Integration eines neuen Mitarbeiters ablaufe, würde stark davon abhängen, wen die Personalabteilung abliefere. Daher sei es „unumgänglich genau zu prüfen, wer ins Unternehmen kommt.“ Nur so ließe sich eine einigermaßen belastbare Prognose anstellen, ob die kostenintensive Ausbildungsleistung eines Tages von Erfolg gekrönt sein werde.
Es ist allgemein bekannt, dass Bewerbungsgespräche im inhabergeführten Mittelstand einen hohen Stellenwert haben. Die Firmen treiben einen immensen Aufwand für Bewerbersuche und -filterung und es kommt in der Praxis gar nicht so selten vor, dass selbst in größeren Betrieben der Geschäftsführer persönlich an Bewerbungsgesprächen teilnimmt.
Selbst über Elon Musk wird in der im Jahr 2023 veröffentlichten Biografie berichtet, dass er noch 2020 bei seinem Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmen SpaceX „immer jeden einzustellenden Ingenieur persönlich interviewte.“ [2]
Sprache als Schlüssel zum Projekterfolg
Wir blieben eine Weile am Thema Bewerberauswahl hängen. Ich wollte erfahren, welche Bedeutung den Sprachkenntnissen der Bewerber beigemessen wird. Würde das Unternehmen Entwickler einstellen, die kein Deutsch können?
Projekt-Kommunikation sei von großer Bedeutung für den Projekterfolg, entgegnete mein Gesprächspartner. Daher solle die Sprachthematik auf gar keinen Fall unterschätzt werden. Zumindest in der Softwareentwicklung könne man auf deutsche Sprachkenntnisse verzichten, wenn der Mitarbeiter dafür sehr gut englisch sprechen könne und bereits ein überdurchschnittliches Domänenwissen mitbringen würde. In allen anderen Bereichen im Betrieb seien solide Deutschkenntnisse Voraussetzung, um produktiv mitzuarbeiten. Eine gemeinsame Sprache sei auch eine elementare Voraussetzung, um „soft skills“ einbringen zu können.
Hans forderte, zu akzeptieren, dass der Mittelstand bundesweit noch längst nicht so bilingual aufgestellt sei, wie sich das die Herren Vorstandsvorsitzenden der großen DAX-Konzerne und so manche smarten Startup-Gründer vorstellen würden. Daran würde sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern, schließlich käme eine Schülergeneration auf den Arbeitsmarkt, die durch die Schulschließungen der Corona-Jahre fächerübergreifend beträchtliche Bildungslücken aufweisen würde, insbesondere auch im Bereich der Fremdsprachen.
Ein Lagebild
Während mein Gesprächspartner kurz die hauseigene Keramikabteilung aufsuchte, versuchte ich meine Gedanken zu sortieren. Ich hatte nicht erwartet, dass mir dieser Abend ein aktuelles Lagebild aus der betrieblichen Praxis des Personalmanagements im industriellen Mittelstand Deutschlands verschaffen würde. Die folgenden gemeinsam im vorangegangenen Gespräch entwickelten Eckpunkte übertrug ich in meinen inneren Permanentspeicher:
Eine sehr gute Qualifikation ist und bleibt zentral, sowohl in Bezug auf jegliche akademische Ausbildung als auch in den klassischen Ausbildungsberufen. Es liegt im ureigenen Interesse der Unternehmen genau zu prüfen, wen sie an Bord nehmen und wen nicht. Aufwendige Einstellungstests und ausführliche Vorstellungsgespräche gehören zu den wichtigsten Werkzeugen im Personalmanagement. Ohne eine gute Beherrschung der deutschen Sprache bleibt die Tür zum Arbeitsmarkt in der Regel zu.
In einzelnen Geschäftsbereichen mit einem hohen Anteil akademisch ausgebildeter Mitarbeiter können sich für Arbeitskräfte Chancen ergeben, wenn diese sehr gut englisch sprechen. Die Ausbildungskapazitäten der Betriebe sind begrenzt. Wer zu viele der Produktivkräfte zu lange mit unproduktiven Aufgaben beschäftigt, geht das Risiko ein im Wettbewerb zurückzufallen. Zudem wollen die Top-Talente nicht Teil unproduktiver und im Vergleich zum Wettbewerber langsamerer Teams sein. Wenn die Leistungsträger beginnen ein Unternehmen zu verlassen, ist das Ende des Unternehmens nicht mehr fern.
Personalmanagement auf Ebene Volkswirtschaft
Leicht euphorisiert durch ein unerwartet angenehmes Gespräch mit nicht unerheblichem Erkenntnisgewinn schlug ich meinem Gesprächspartner vor, die Thematik versuchsweise von der mikroökonomischen auf die makroökonomische Ebene zu übertragen, schließlich seien „Transformationen“ seit einigen Jahren ja groß in Mode. Rufen wir uns in Erinnerung, dass zum Personalmanagement per Definition u. a. die Planung, Beschaffung, Verwaltung und Weiterentwicklung von Personal gehören. Das Personalmanagement auf Unternehmensebene und die Migrationspolitik auf Ebene der Volkswirtschaft liegen bei genauerer Betrachtung strukturell nicht allzu weit voneinander entfernt.
Hans zeigte beim Wort „Migration“ deutlich sichtbar einiges Unbehagen, und für einen Moment befürchtete ich, eine Grenzüberschreitung begangen zu haben, mich bei meinem ersten Partybesuch seit längerer Pause zu weit auf offenkundig vermintes Terrain gewagt zu haben. Durch Einsatz all meiner Überredungskunst in Verbindung mit dem Versprechen, im Anschluss nur noch unkritische Männerthemen anzugehen, konnten wir unseren fruchtbaren Austausch glücklicherweise fortführen.
Warum ist die Migration seit Jahren das zentrale Aufreger-Thema? Unter Verwendung der auf Unternehmensebene angestellten Überlegungen sind die zentralen Gründe für das Migrations-Debakel aus Sicht der industriellen Praxis eigentlich offensichtlich. Zwei Ergebnisse unserer Diskussion, einen quantitativen und einen qualitativen Aspekt, möchte ich nachfolgend ausführen.
Grenzenlos Richtung Zusammenbruch
Wie anhand der Entwicklungsabteilungen in den Unternehmen bereits ausgeführt, muss jedes Team für sich eine mit den Unternehmenszielen in Einklang stehende und in möglichst weiten Teilen der Belegschaft akzeptierte Balance finden zwischen produktiver Arbeit und unproduktiver Arbeit, wie z.B. der Zuführung bzw. Ausbildung neuer Kräfte. Wenn unbegrenzt und planlos Mitarbeiter in ein Unternehmen eingestellt werden, bricht der Laden irgendwann zusammen bzw. geht in die Insolvenz, da die Ausbildungskapazitäten begrenzt sind und die Kosten für „die Neuen“ – Gehälter, Sozialabgaben, Bereitstellung und Ausstattung eines Arbeitsplatzes etc. – überhandnehmen, ohne dass im Gegenzug eine angemessene Wertschöpfung erbracht würde. Eine unbegrenzte Zuwanderung in Verbindung mit einem weltweit einmaligen Anspruch auf Sozialleistungen ab Grenzübertritt kann daher nicht funktionieren und muss, in der Analogie zur Unternehmensebene, langfristig zum Zusammenbruch unserer Volkswirtschaft führen. Sowohl am Wohnungsmarkt, im Bildungssystem und auch im Gesundheitswesen spüren die Bürger bereits deutlich, dass der Kollaps nicht mehr allzu weit entfernt liegt.
In diesem Kontext gilt es festzuhalten, dass in Deutschland bis heute – aufgrund einer Tabuisierung der Thematik – nicht systematisch erfasst wurde, welche Ausbildungs- bzw. Integrationsleistung das Land technisch, organisatorisch und finanziell überhaupt leisten kann und letztlich auch, welche Leistung die Bürger zu erbringen und welche Opfer sie zu erdulden bereit sind. An einer zahlenmäßigen Begrenzung der Zuwanderung („Obergrenze“), so wie es sie in allen klassischen Einwanderungsländern wie beispielsweise Kanada oder Australien gibt, wird kein Weg vorbeiführen. Interessanterweise wurde solch eine Obergrenze bereits 2016 vom damaligen CSU-Chef Horst Seehofer in die Diskussion eingebracht, verschwand nach großer medialer Empörung aber schnell wieder in der Versenkung. Ohne Obergrenze wird es aber nicht mehr länger funktionieren.
Diese Obergrenze gehört regelmäßig im Parlament diskutiert und dann per Mehrheitsbeschluss aktualisiert. Ein Ganzzahlwert wie eine Obergrenze kann grundsätzlich auch den Wert null annehmen. Temporär keine weiteren Ressourcen zuzuführen, würde es einer mit der Migration bereits hochgradig überforderten Gesellschaft ermöglichen, Konsolidierungsmaßnahmen umzusetzen und einen aufgelaufenen Rückstau einigermaßen geordnet abzuarbeiten. Im industriellen Mittelstand ist es gängige Praxis, die Zuführung von Personal-Ressourcen zeitweise auf null zu setzen, sprich einen Einstellungs-Stopp zu verfügen. Wirtschaftliche Gründe sind dabei oftmals von Bedeutung, aber auch ein nachhaltiges Projektmanagement kann – im Brooks‘schen Sinne – den Ausschlag geben. Anders formuliert: Wer langfristig geordnete und zukunftsfähige Verhältnisse erhalten möchte, muss auch „Nein“ sagen können.
Unumgänglich: Zutrittskontrollsysteme
Während die Unternehmen mithilfe von Einstellungstests und Vorstellungsgesprächen einen erheblichen Aufwand betreiben, um möglichst treffgenau die Bewerber einzustellen, die bei der Erreichung der Unternehmensziele zukünftig bestmöglich unterstützen können, erfolgt die Erstaufnahme von Zuwanderern in unsere Volkswirtschaft vollkommen planlos und ungefiltert. Dabei erfahren unsere Behörden von einem Großteil der Zuwanderer Name, Herkunft und Alter bestenfalls im Zuge einer Selbstauskunft, schließlich reist mindestens die Hälfte (laut BAMF 51,8 Prozent in 2020, einzelne Quellen verweisen sogar auf deutlich höhere Werte) ohne Papiere ein.
Diese Tatsache erscheint schon fast grotesk in Anbetracht der in Deutschland sonst üblichen staatlichen Regelungswut und den überbordenden Dokumentationspflichten für den einzelnen Bürger sowie für weite Teile der Wirtschaft. Auch auf Ebene der Volkswirtschaft gibt es zahlreiche gute Gründe dafür, dass Bürger und Behörden ein Recht darauf haben im Vorfeld verifizierbar zu erfahren, wer zu uns kommt, auf welche Sprachkenntnisse die betreffende Person verweisen kann und welche Qualifikation sie im Gepäck hat. Insbesondere die Zuwanderung einer großen Anzahl Unqualifizierter sowie einer nicht unerheblichen Zahl von Analphabeten scheint in Anbetracht der Anforderungen am Arbeitsmarkt hochgradig kontraproduktiv und gehört daher dringend auf den Prüfstand.
Auch hier wird es letztlich darauf hinauslaufen, sich endlich an den klassischen Einwanderungsländern zu orientieren, entsprechende Einwanderungskriterien zu definieren und ein formales Bewerbungsverfahren einzuführen, das vor Betreten unseres Territoriums erfolgreich abgeschlossen werden muss.
Brooks in der Adaption
Das Brooks‘sche Gesetz galt ursprünglich nur für Softwareprojekte. In der Literatur lassen sich zahlreiche Kommentare finden, die dem Brooks‘schen Gesetz eine universellere Anwendbarkeit attestieren, auch für weitere Ressourcen abseits von „manpower“. Generell kann gesagt werden, dass das Hinzufügen weiterer Ressourcen zu einem bereits verpfuschten Projekt oftmals nicht hilfreich, sondern sogar kontraproduktiv sein kann. Ein bereits überdüngter Vorgartenrasen kann aus einer weiteren Düngung nicht unbedingt Wachstumsvorteile ziehen. Wenn sich mit knapp 30.000 Windkraftanlagen keine ganzjährig stabile Stromversorgung erzielen lässt, werden 10.000 weitere Anlagen kaum eine Kehrtwende bringen. Auch dürfte die Zuführung weiterer Zuwanderer in eine bereits im Abstieg befindliche Volkswirtschaft den Absturz nur noch beschleunigen.
Die mangelnde Wachstumsdynamik im Land dokumentiert das Scheitern der aktuellen Regierung im wirtschaftspolitischen Feld. Um den Niedergang des Landes noch irgendwie zu stoppen, wird die nächste Bundesregierung in vielen Bereichen schnell und radikal umsteuern müssen. Dabei gehören die beiden Themen Wirtschaft und Migration, die eng miteinander verknüpft sind, ganz oben auf die Agenda.
Ein wichtiger Reformschritt wäre es, endlich richtige Fachleute mit langjähriger praktischer Erfahrung in Industrie und Wirtschaft an die Schaltstellen wirtschaftspolitischer Entscheidungen zu setzen. Zusätzlich sollte wieder dem Mittelstand Gehör geschenkt werden. Wenn es einer Bevölkerungsgruppe gelingen sollte, unsere Volkswirtschaft zurück auf die Erfolgsspur zu führen, dann ist es der industrielle Mittelstand mit seiner großen Erfahrung und seiner international anerkannten Problemlösungskompetenz.
Diese Geburtstagsparty verlief vollkommen anders als von mir erwartet. Auf der Heimfahrt fasste ich zwei Vorsätze: Erstens es zukünftig wieder vermehrt zu wagen, mich auch nach Feierabend mit anderen Leuten zu treffen und zweitens bei nächster Gelegenheit sämtliche Werke zu Software- und IT-Themen in meiner Hausbibliothek erneut zu durchforsten. Möglicherweise lassen sich noch weitere Erkenntnisse aus dem IT-Umfeld auf die Politik übertragen. Vier der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit sind IT-Unternehmen. Offensichtlich steckt sehr viel interdisziplinäres Know-how im IT-Sektor.
Christian Demant ist Dipl.-Ing. Technische Kybernetik, arbeitet seit 10 Jahren als selbstständiger Unternehmensberater und unterstützt mittelständische Unternehmer u.a. in M&A-Prozessen. Nebenbei schreibt er Fachbücher im Bereich der Softwareentwicklung.
Literatur:
[1] Brooks F (2003) Vom Mythos des Mann-Monats. Mitp, Bonn, S. 26
[2] Isaacson W (2023) Elon Musk – Die Biografie. Bertelsmann, München, 1. Aufl., S. 438