Das Zentrum für Politische Schönheit befindet sich ab sofort in einer Hamburger Anwaltskanzlei. Bislang hatte eine Berliner Initiative von Kunsthandwerkern, Yoga-Lehrern und Batik-Designern diesen an und für sich schönen Namen gekapert. Auf deren Website heißt es unter anderem: „Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) ist eine Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit“. Jetzt lassen wir mal die Sturmtruppe, die Moral und die Großgesinnheit weg und konzentrieren uns auf Poesie und Schönheit. Und damit sind wir bei Joachim Steinhöfel, dem Hamburger Anwalt und Achgut.com-Autor.
Es ist ja durchaus bekannt, dass Poesie im Anwaltsberuf eine feste Heimstatt hat, nun wird auch klar, dass Eleganz und Schönheit des Denkens nach langer Abstinenz in deutsche Gerichtssäle zurückkehrt. Wie sonst sollte man Steinhöfels jüngsten Coup in der Auseinandersetzung mit Facebook beschreiben. Steinhöfel engagiert sich seit langem gegen Lösch- und Zensurmaßnahmen von Facebook und Friends, teilweise im Auftrag, teilweise Pro bono mit seiner von Spenden getragenen Initiative „Meinungsfreiheit im Netz“. Achgut.com ist ständiger Chronist seiner unterhaltsamen Art, daran zu erinnern, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Siehe beispielsweise hier, hier, hier, hier und hier.
Steinhöfel prozessiert gewissermaßen mit einem Schwarzen Loch, das viel Geld hat und sich teure Anwälte und Schriftsätze in der Seitenstärke von Doktor Schiwago leisten kann, und deshalb meint, nach wie vor nach Gutsherrenart agieren zu können. Daraus resultiert offenbar auch die Tatsache, dass das Schwarze Loch glaubt, Gerichtskosten von verlorenen Prozessen respektive einstweiligen Verfügungen nicht erstatten zu müssen. Doch wie kriegt man von einem Schwarzen Loch sein Geld? Man kann in einem solchen Fall jammern, krakeelen oder den großen Bruder schicken, der in den Hausflur pinkeln soll. Doch wo ist der Hausflur von Facebook?
Und jetzt kommt – Trommelwirbel meine Damen und Herren – die Schönheit und Eleganz des Denk-Ansatzes zur Wirkung. Und die Kernidee lautet: Wir holen es bei denen, die den ganzen Schlamassel verursacht haben. Also bei denen, die entsprechende Zensurgesetze verabschiedet haben, die jetzt studentische und sonstige Hilfskräfte bei Facebook völlig undurchsichtig und in vorauseilendem Gehorsam exekutieren.
Steinhöfel lässt deshalb kurzerhand Konten von CDU und SPD pfänden. Im Eislauf nennt man solche wunderschönen Darbietungen Axel oder Rittberger, in der Kunstgeschichte ist es vergleichbar mit Mona Lisa oder Nofretete. Steinhöfel: “Die Koalitionsparteien sind genau die richtigen Adressaten für die Kontopfändung. Denn sie sind aufgrund des NetzDGs für die erratischen Eingriffe von Facebook in die Meinungsfreiheit mitverantwortlich. In einer dritten Sache verabreichen wir heute auch noch der CSU ein wenig von dieser Medizin.”
Aber wie ist das möglich? Ganz einfach: Beide Parteien schalten massiv Werbung bei Facebook, und das Unternehmen Facebook hat damit Forderungen gegen die Parteien. Oder sagen wir es so: Es hat Forderungen gegen die Parteien gehabt, weil Steinhöfel das Geld vorher abgreifen lässt. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bewirkt die Beschlagnahme der Forderung auf den Konten der Koalitionsparteien. Anstatt an Facebook für die geschaltete Werbung zu zahlen, sind die offenen Forderungen jetzt an Steinhöfel, beziehungsweise seinen Mandanten zu leisten.
Wie sagte der Medienwissenschaftler Norbert Bolz in einem Gespräch mit Achgut.com zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz so schön: „Wer traut sich im Moment zu lachen? Man könnte diese lächerlichen Strukturen eigentlich nur durch ein großes Gelächter zum Zusammenbruch bringen“. Steinhöfels Aktion ist in jedem Fall die schönste Kombination von Humor und Rechtsstaat, seit es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gibt.
Joachim Steinhöfels Fonds “Meinungsfreiheit im Netz” finden Sie hier.
Beitragsbild: Pixabay

Lieber Herr Kaufmann, was haben Sie denn zu sich genommen, als Sie in die Tastatur griffen? Das möchte ich auch! Natürlich nicht, wenn ich die Achse lese, aber für trübe Stunden bei anderen Medien... Ich würde jede Wette eingehen, dass Sie so einen Leserbrief weder bei SPON, FAZ; taz oder Welt abliefern könnten. Sie sehen, wie tolerant wir Konservativen sind...
Herr maxeiner. Sie sind grade dabei einen Leser zu verlieren. Entweder oder.
Ach ich liebe diesen Steinhõfel. Wenn jetzt mein Rechtschreibprogramm mir auch noch den korrekten Namen erlauben würde. Alles unterwandert heutzutage.
@Carl Gunter: Beleidigungen haben hier keinen Platz. Und "dämlich" verbitte ich mir. Von erlebter Gegenwartsgeschichte haben Sie wohl wenig Ahnung, wenn es nicht im Spiegel oder in der schwäbischen Prawda steht.
Jetzt mal auf dem Teppich bleiben. Die "Volksparteien" sind nur Drittschuldner; letztlich ist es denen egal, ob sie an facebook oder an Steinhöfel zahlen. Es erweist sich mal wieder, daß Normalmensch wenig Ahnung vom Zwangsvollstreckungsrecht hat - was nicht weiter schlimm ist. Ein vollstreckbarer Titel hilft wenig, wenn der Schuldner entschlossen zahlungsunwillig ist. Erst in der erfolgreichen Vollstreckung -8.Buch der ZPO- erweist sich die Kunst des Zugriffs aufs Schuldnervermögen, die viele Anwälte nicht beherrschen (und die auch nicht angemessen vergütet wird). Wovon ich den sehr geschätzten Herrn Steinhöfel allerdings ausnehmen möchte.
Einfach klasse Herr Steinhöfel. Respekt. Weiter so.
Sehr geehrter Herr Steinhöfel, sehr geehrter Herr Maxeiner, - ich kann mir sehr gut vorstellen, dass auch Facebook kein Fan des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist. Als Privatunternehmen (AG) liegen deren Geschäftsinteressen bestimmt nicht darin, als Zensurbehörde für die deutsche Regierung tätig zu sein. Facebook wird an dieser Stelle durch unseren Gesetzgeber politisch und wirtschaftlich missbraucht, und hat in jedem Fall die "Arschkarte" gezogen. Entweder drohen hohe Bußgelder oder verlorene Prozesse bzw. Prozesskosten. Und deshalb hilft Herr Steinhöfel durch Rückgriff auf die Konten der Altparteien auch Facebook!