Alexander Wendt / 29.06.2018 / 06:16 / Foto: Monster4711 / 16 / Seite ausdrucken

Facebook stuft „Petition 2018“ als „Hassrede“ ein

Die Petition 2018, hervorgegangen aus der Erklärung 2018, wird im Oktober dieses Jahres im Petitionsausschuss des Bundestages behandelt werden. Das bestätigte der Ausschussvorsitzende Marian Wendt (CDU) auf Anfrage.

Nachdem die Petition auf ihrer ursprünglichen Webseite seit März von 165.000 Bürgern unterstützt worden war, mussten die Unterschriften auf der offiziellen Seite des Bundestages innerhalb von vier Wochen noch einmal neu geleistet werden. Trotz der Techniktücken – der Server arbeitete zu bestimmten Zeiten extrem langsam, Faxe kamen kaum durch – sammelten sich auch hier wieder in kurzer Zeit 57.000 Unterschriften, so dass die Unterstützer das Quorum für eine öffentliche Behandlung mit Rederecht für die Petenten von 50.000 bequem erreichten. Üblicherweise behandelt der Bundestag pro Jahr zwei Petitionen dieser Größenordnung. In der Arbeitsweise des Ausschusses gilt der Oktobertermin als früh.

Vor dem mit Abgeordneten aller Fraktionen besetzten Ausschuss werden die Mitinitiatorin Vera Lengsfeld und möglicherweise ein weiterer Erstunterzeichner sprechen. Es gibt keine formelle Entscheidungsfrist. Aber bei einem normalen parlamentarischen Lauf der Dinge sollte der Ausschuss nach der Anhörung innerhalb eines weiteren Monats seine Entscheidung treffen und die Petition entweder ablehnen oder dem Bundesstag zur Annahme empfehlen. Zur Erinnerung: Mit der Petition 2018 fordern Bürger vom Parlament die Einsetzung einer Kommission, die Vorschläge zu drei Punkten ausarbeiten soll:

• Ordnung der Migration an der Grenze, um das Asylrecht für tatsächlich politisch Verfolgte zu erhalten, aber die Vermischung von Asylrecht und Einwanderung und vor allem illegale Migration zu beenden. Die Schaffung eines pragmatischen Einwanderungsrechts nach australischem beziehungsweise kanadischem Vorbild gehört zwingend dazu.

• Überwindung des Kontrollverlusts im Inneren; der Zustand muss enden, in dem der Staat in hunderttausenden Fällen immer noch nichts über die Identität der Eingereisten weiß und hunderttausendfach abgelehnte Asylbewerber nicht abschiebt, selbst islamistische Gefährder nicht.

• Hilfe für diejenigen, die am dringendsten Hilfe brauchen. Weltweit sind etwa 68 Millionen Menschen im Aufbruch, teils vertrieben, teils auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Nur ein Zehntel davon kommt überhaupt in die erste Welt, die allermeisten – Frauen, Kinder, Alte, Kranke, generell diejenigen, die keine 10.000 Dollar für Schlepper zahlen können – vegetieren oft unter elendigsten Bedingungen. Mit dem Geld, das in Deutschland für einen Migranten ausgegeben wird – der mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit weder politisch verfolgt wird noch aus einem Kriegsgebiet kommt – lässt sich vor Ort Unterstützung für mindestens fünfzig Menschen organisieren.

Als mögliche Mitglieder der Kommission hatten die Erstunterzeichner unter anderem den Verfassungsrechtler Udo di Fabio, den Staatsrechtler Rupert Scholz, den Migrationsforscher Ruud Koopmanns, die Gründerin der Ibn-Ruschd-Goethe-Moschee Seyran Ates und die ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John genannt, wobei die Berufung natürlich Sache des Bundestags wäre. Die Kommission könnte, falls es keine Obstruktionspolitik gibt, noch Ende des Jahres ihre Arbeit aufnehmen. Sie wäre also zur richtigen Zeit zur Stelle, um in der Nach-Merkel-Ära die Migrationspolitik endlich wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Eine gewissermaßen regierungsamtliche Bestätigung

Seit der vergangenen Woche gibt es eine gewissermaßen regierungsamtliche Bestätigung für die zentrale Aussage der Erklärung und Petition 2018, nämlich die Tatsache, dass die Migration nach Deutschland tausendfach illegal verläuft. Auf seiner Pressekonferenz am 18. Juni in München erklärte Innenminister Horst Seehofer, ab sofort, also vom 19. Juni an, Migranten zurückweisen zu lassen, für die ein Wiedereinreise- beziehungsweise Aufenthaltsverbot gilt. Damit gab er zu Protokoll, dass selbst diese Gruppe bisher auf Anordnung von Angela Merkel durchgewunken wurde.

Seehofer bezeichnete diese bis eben noch gültige Praxis als „Skandal“. Sie widerspricht klar dem Asyl- und Aufenthaltsgesetz. Merkel wehrte sich nicht gegen Seehofers Anordnung. Auf Nachfrage von BILD behauptete Merkel am Mittwoch, sie habe nicht gewusst, dass bisher selbst Personen mit Einreisevorbot einreisen konnten. Dabei war dieser Punkt im Fall des so genannten „Togoers aus Ellwangen“ schon öffentlich debattiert worden; die Bundespolizei hatte damals mitgeteilt, sie könne nach seiner Abschiebung nach Italien die Wiedereinreise nicht verweigern, der Mann könnte dank der rechtswidrigen mündlichen Anweisung von Ex-Innenminister Thomas de Maizière trotz abgelehnten Asylantrags und nach rechtmäßiger Ausweisung plus Wiedereinreiseverbot auch gleich wieder einen neuen Asylantrag stellen.

Wenn die Bundeskanzlerin sagt, ihr sei noch in der vergangenen Woche diese rechtswidrige Praxis nicht bekannt gewesen, dann lügt sie entweder dreist – oder sie liest schon länger weder Zeitungen noch die Berichte ihres Bundespolizeichefs Dieter Romann. Aus Gründen der Staatsräson muss sie in dem einen wie dem anderen Fall aus dem Amt entfernt werden.

Dass auch eine zweite, sehr viel größere Gruppe illegal nach Deutschland einreist – diejenigen, die als Asylbewerber schon in einem anderen EU-Land registriert sind – stellte Seehofer in der vergangenen Woche ebenfalls fest. Auch in diesem Fall widerspricht Merkel nicht. Sie lässt nur verbreiten, die Zurückweisung der bei EURODAC Registrierten müsse „europäisch“ geregelt werden – was sie bis zum 1. Juli bewerkstelligt haben will. (Dieser längere Exkurs als notabene für alle besorgten Qualitätsjournalisten, besonders in öffentlich-rechtlichen Medien und diversen wohlmeinenden Organen, die den Initiatoren der „Erklärung 2018“ armrudernd und mit überschnappender Stimme entgegengehalten hatten, es gäbe überhaupt keine illegale Einwanderung: Dass es sie gibt, ist mittlerweile amtliche Meinung im Innenministerium und, trotz aller Nebelgranaten, im Kanzleramt).

Facebook stuft Bundestagspetition als Hassrede ein

Und nun zu einem Skandal. Tausende Facebook-Nutzer hatten dazu aufgerufen, die Erklärung beziehungsweise Petition 2018 zu unterzeichnen. Einer, der das tat, wurde dafür kürzlich von Facebook wegen angeblicher „Hassrede“ für 30 Tage gesperrt – obwohl er nur unaufgeregt zum Unterzeichnen aufgerufen und den Link verbreitet hatte. Es handelt sich um den ersten Fall, in dem Löschtrupps im Auftrag von Facebook einen Aufruf für eine Petition unterdrückten, die auf der offiziellen Seite des Bundestages zu finden ist. Damit bestätigt sich der Verdacht, den viele liberale Bürger von Anfang an gegen das verfassungswidrige „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ von Heiko Maas hegten: Es ist darauf angelegt, die politische Willensbildung zu unterdrücken, sofern sie der Regierung und ihren Unterstützern nicht in den Kram passt.

Der Betroffene ist willens zu klagen, der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel wird ihn gegen Facebook vertreten. Steinhöfel hatte in der Vergangenheit schon in mehreren spektakulären Urteilen Facebook gezwungen, gelöschte Inhalte wieder herzustellen, die nicht gegen Gesetze verstoßen hatten, beziehungsweise rechtswidrige Posts – etwa gegen die AfD-Politikerin Alice Weidel – zu löschen, wogegen sich das Netzwerk zuerst sträubte. In diesem Zensurfall ist ein Urteil wegen der Präzedenzwirkung besonders wichtig.

Joachim Steinhöfel hatte in der Vergangenheit Facebook-Löschungsopfer oft pro bono beraten. Um Prozesse zu führen, braucht es allerdings Unterstützung, wenn der Kläger nicht genügend Geld aufbringen kann. Der Medienrechtler hat deshalb am Freitag ein Spendenkonto für diesen Zensurfall eröffnet. Die IBAN lautet DE62 2004 0000 0825 2280 05, Inhaber und Empfänger: Joachim Nikolaus Steinhöfel.

Nach Abschluss des Verfahrens erhält jeder Unterstützer eine Aufstellung über die angefallenen Kosten. Eventuelle Überschüsse sollen dazu verwendet werden, in ähnlichen Fällen gegen Willkürakte von Facebook vorzugehen. Allen Unterstützern schon einmal vorab ein herzliches Dankeschön.

Dieser Beitrag erscheint auch auf Alexander Wendts Publico-Magazin.

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Leserpost

netiquette:

Andreas Mertens / 29.06.2018

Quis custodiet ipsos custodes?

Gabriele Klein / 29.06.2018

....in dem Löschtrupps im Auftrag von Facebook einen Aufruf für eine Petition unterdrückten, die auf der offiziellen Seite des Bundestages zu finden ist. dass die Löschtrupps im “Auftrag” von Facebook arbeiten bezweifle ich doch sehr…... Die Zensoren, die Facebook zum Löschen bewegen scheinen mir doch woanders “inkognito” zu sitzen. Ganz genau das was rauskommt war doch beabsichtigt nämlich (AGITPROP im verdeckten Modus)    Dies führt zur nächsten Frage und zum Punkt von Frau G. Meyer und J. Hirsch: Was das Wahrheitsministerium kann können die Bürger doch auch, also, warum nicht die WALL OF SHAME etwas weiter ausbauen und diese von Frau Hirsch angesprochenen Ungeheuerlichkeiten ganz genauso eng verfolgen? Wie kommt es, dass da nur “Kläger” auf der EINEN Seite sind die komischerweise ihr Anliegen durchsetzen und die andern nicht? Um der Fuchtel einer “inkognito” hinterm Facebook Vorhang agierenden deutschen Regierung zu entgehen rege ich ganz einfach einen “Umzug” an und zwar dorthin wo es dieses Netzdurchsetzungsgesetz nicht gibt. z.B. auf der Seite von Donald Trump….. Der Petitionsserver dort scheint besser zu funktionnieren….und, da es keine Grenzen mehr gibt, warum nicht? Vielleicht hilft es ja, wenn die Petitionen gegen offene Grenzen und Netzdurchsetzungsgesetz den Umweg über das Weiße Haus nehmen…...Nachdem meine Steuern laut englischer Presse und Achgut bereits in die Clinton Foundation auswanderten, scheint mir diese Vorgehensweise nur recht und billig…..,

HaJo Wolf / 29.06.2018

Löschen? Aber ja! Das ganze Facebook löschen! Man kann, wie ich, primstens ohne leben.

Thomas Raffelsieper / 29.06.2018

Heiko Maas hat vor einiger Zeit allen ernstes gesagt, daß wir Deutschen das zu denken habe, was die Regierung vorgibt. Das sollte sich jeder mal auf der Zunge zergehen lassen. Es werden bei uns schon Dauerdiebe nach §63 StGB entmündigt, wenn “Gefahr für die Allgemeinheit” besteht. In der Geschichtswissenschaft nennt sich das Caesarenwahn. Ich nenne das psychische Wahrnehmungsstörung aus den 4 Stufen des schizoiden Feldes.

Frank Volkmar / 29.06.2018

Vielen Dank Herr Maas ! Natürlich hat jeder in diesem Land das Recht seine Meinung frei zu äußern ! Natürlich frei von “Hass”. Und wie der definiert wird, entscheidet Herr Maas und wenn erforderlich dann auch flexibel weil die “Hasspropagandisten” überall lauern !

Thomas Dornheck / 29.06.2018

Ich habe 200 Euro überwiesen.

Peter Seidler / 29.06.2018

Überweisung an das Spendenkonto von Herrn Steinhöfel ist gerade raus. Normalerweise überweis ich kein Geld direkt an Rechtsanwälte, aber in diesem Fall ist das natürlich etwas anderes.

Lars Bäcker / 29.06.2018

Facebook… wird immer unbedeutender. Sollen sie doch als Hassrede einstufen, was sie wollen. Der Protest findet immer einen Weg an die Öffentlichkeit. Ob auf Facebook oder anderswo…

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