Markus C. Kerber, Gastautor / 14.02.2025 / 14:00 / Foto: WikiCommons / 13 / Seite ausdrucken

EZB: Weiter auf Inflationskurs

Im Windschatten der Geopolitik gewöhnt Madame Lagarde die Deutschen an eine Inflation von fast drei Prozent.

Als am 30.1.2025 die Europäische Zentralbank zum wiederholten Male alle drei Hauptzinssätze um 25 Basispunkte (0,25 Prozent) herabsetzte, rechtfertigte sie dies in ihrem geldpolitischen Beschluss mit dem Argument: „Der Desinflationsprozess schreitet gut voran. Die Inflation hat sich im Wesentlichen weiterhin im Einklang mit den Projektionen entwickelt und dürfte im laufenden Jahr zum mittelfristigen Zielwert des EZB-Rates von 2 Prozent zurückkehren.“ Nur vier Tage später meldet die Europäische Statistikbehörde, dass die Inflation jedenfalls in Deutschland, wieder angestiegen ist und zwar auf 2,6 Prozent. Dies geschieht ganz unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, die bestenfalls bei den Lebensmittelpreisen spürt, dass die Inflation längst nicht besiegt ist.

Schon bei der Neufestsetzung des Inflationsziels hatte die wenig stabilitätsorientierte EZB-Präsidentin Madame Lagarde getönt, dass man zwar nicht länger einen Inflationswert von unter zwei Prozent, sondern im Durchschnitt von  ca. zwei Prozent anstrebe. Diese Ankündigung, die sogar vom „Vater des Euros“, Otmar Issing, einst begrüßt wurde, ging indessen einher mit großen Zweifeln in der deutschen Ökonomen-Szene. Im Nachgang zum EZB-Rat fragte die Journaille sogar bei der Frankfurter Showveranstaltung Madame Lagarde, ob es letztlich nicht darauf hinauslaufen würde, die Eurobürger an eine durchschnittliche Inflationsrate von drei Prozent zu gewöhnen.

Obschon die EZB – aufgrund der von ihr erhöhten Geldmenge – eine überschießende Inflation seit dem zweiten Halbjahr 2021 in Kauf genommen hatte, bestritt Madame Lagarde jegliche Absicht, das mittelfristige Inflationsziel klammheimlich auf drei Prozent zu erhöhen. Zweifel an dieser Behauptung sind geblieben, denn nichts beseitigt Schulden so schnell wie Inflation, und die Hochschuldenländer, zu denen jetzt auch Lagardes Heimatland Frankreich eindeutig gehört, haben zur Inflation stets ein anderes Verhältnis gehabt als die Deutschen. Mit Erstaunen und ohne bissige Kommentare müssen deutsche Beobachter zur Kenntnis nehmen, dass es nach langem, monatelangem Ringen dem neuen französischen Premierminister gelungen ist, einen Haushalt durchs Parlament zu bringen, der statt einem Defizit von 6,1 Prozent ein Defizit von 5,4 Prozent in Kauf nimmt.

Der Widerspruch zwischen der Inflationsentwicklung und der Zinspolitik der EZB

Hieran nimmt die Europäische Kommission mit Macrons Mitarbeiterin Frau von der Leyen keinen Anstoß, obschon damit die Latte von zwei Prozent von Frankreich ungezählte Male gerissen worden ist. Wie sagte der damalige Kommissionchef Juncker: „Wir machen nichts, weil Frankreich halt Frankreich ist“.

Der Widerspruch zwischen der realen Inflationsentwicklung im Eurowährungsgebiet und der Zinspolitik der EZB kann also nicht frappierender sein. Wie wenig sich die EZB an Stabilitätszielen orientiert, wird schließlich daran deutlich, dass ihre Entscheidung, die Hauptzinssätze erneut und entgegen dem anhaltenden Inflationstrend zu senken, zwar den Interessen der Hochschuldenländern entspricht, sich indes völlig von der Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank unterscheidet. Die Fed sieht aufgrund anhaltender Inflationsgefahren den Zeitpunkt für erneute Zinssenkungen für nicht gekommen und erhält dafür von Donald Trump schlechte Noten. Dies ehrt diese Institution und ihren standhaften Gouverneur. Wie lange indes wird Frau Lagarde, deren geldpolitische Kompetenz im Fachpublikum zutreffend eingeordnet wird, die europäische Öffentlichkeit über die inhärenten Inflationsgefahren und das Inflationspotential angesichts der anhaltend hohen Geldmenge im Unklaren lassen.

Spätestens wenn sich die internationale Konfliktszene beruhigt, werden sich die Augen der Beobachter wieder stärker auf die EZB richten. Zuvor wird Frau Lagarde gewiss zusammen mit dem SPD-Bundesbankpräsidenten Nagel noch einige Zinssenkungen durchführen.

 

Dr. jur. Markus C. Kerbergeb. 1956, ist Jurist und Professor für Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, E.N.A. 1985 (Diderot), Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und der Université Panthéon-Assas. Er ist Autor der Schrift „Führung und Verantwortung: Das Strategiedefizit Deutschlands und seine Überwindung“, die hier im Achgut-Shop erworben werden kann.

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L. Luhmann / 14.02.2025

Solange wir es dulden, von WEF-Schergen:Innen unterdrückt zu werden, wird sich nichts ändern!

BKKopp / 14.02.2025

Für die Fed kommt die politische Nagelprobe wahrscheinlich erst um die Jahresmitte. Präsident Trump hat schon immer erklärt, dass er, als erfolgreicher Geschäftsmann, viel von Geld versteht, und deshalb die Zentralbankpolitik mitbestimmen sollte. Das ” mit-” kann man auch streichen. Er wird absehbar, dass der Inflationsdruck in den USA steigt, und dass die Fed nicht die Zinsen so senken kann und wird wie das WH es gerne möchte. Daraus könnte ein öffentlicher Konflikt werden. Der Euro dürfte weicher werden, weil mit Zinssenkungen der EZB die Zinsdifferenz zum Dollar erhöht. Im Exztremfall könnten wir auf 90-95 Euro-Cents für den Dollar zugehen, was unsere Importe sehr verteuern würde, andererseits aber auch die Exporte erleichtern würde - selbst nach den USA mit dortigen Zöllen. Die EZB-Zinspolitik bleibt von Italien und Frankreich dominiert, die sich wegen der Finanzprobleme keine höheren Zinsen leisten können.

Sabine Schönfelder / 14.02.2025

Diese Dame hat keine Ahnung von ihrem Job. Deshalb wurde sie erwählt. Sie selbst schilderte ihre Unkenntnis in einem Brief an Macron, vor ihrem Amtsantritt. Einzig als Synchronschwimmerin brillierte Lagarde. Synchron zu den Regierungsvorgaben, synchron zu den korrupten finanziellen Spielchen der Großfinanz, synchron zum WEF, zu Rothschild. Das ist Lagarde ; genau das, was die Bibel schon vor 2000 Jahren erkannte….Little-Jesus-Macron ging in die Wüste, und eine lange Dürre folgte…..

R. Nicolaisen / 14.02.2025

Das offiziell zugegebene Ausmaß der Inflation ist doch eh immer ein Lügenwert.

G. Zülken / 14.02.2025

Madame Largarde, eine gute Freundin von Madame Merkel und Madame v.d.Leyen. Wer kann von diesem Trio Infernale etwas anderes erwarten als Murks. Besonders wenn es um Deutschland geht.

Günter H. Probst / 14.02.2025

Wenn man sich mit Ländern, wie Frankreich, die Ihre Währung 100 Franc zu 1 NF, oder, wie Italien 1000 Lire zu 1 € umwandeln, und immer schon eine Inflations- und keine Stabilitätskultur hatten, und deren Finanzminister der Notenbank Weisungen erteilen konnten, zusammen schmeißt, wechselt man von der Geldwertstabilität in einen Weich-, also Inflations- Währungsraum. Wenn man dann noch einem Italiener und einer Französin die Kontrolle über die Notenbank überläßt, ist die Geldschwemme garantiert. Die Geldwertstabilität kommt im Euroraum auch nicht mehr zurück. Die D müssen sich nur den Franzosen und Italienern anpassen, weniger sparen und mehr Immobilien erwerben. Und auch mal 20% Lohnsteigerungen und Rente mit 62 durchsetzen. Und die Staatsverschuldung auf 5-6% des BIP p.a. steigern, damit sie vor dem Bankrott wenigstens lustig gelebt haben.

R. Reiger / 14.02.2025

Zum EZB-Ziel von 2% Inflation: Oder WELCHE (!!!) Inflation haben wir: 1) Brummt die Wirtschaft gibt es die gute Inflation: Es steigen wegen der Nachfrage (!) nach Krediten für Investitionen die Zinsen und wegen der Kreditvergaben die Geldmenge und es erhöht sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes; das bewirkt die gewünschte, »gute« Boom-Inflation („boom inflation“). Aber Draghi hat seine 2% gute „boom inflation“ (non-energy industrial) immer unterschritten! Eine Geldschwemme muss keine Inflation auslösen, denn: Wenn einer 20% Wachstum erwartet dann zahlt er auch 10% Zinsen; wenn einer aber kein Wachstum erwartet, dann investiert er nicht und wenn man ihm das Geld schenkt! Keine Nachfrage treibt den Preis und das Geld hat keine Umlaufgeschwindigkeit. So ergibt sich keine Inflation. Der Grund ist mangelndes Vertrauen in die Politik: Keiner investiert mehr. ABER WAS WIR JETZT HABEN IST: 2) Aus gestörten Lieferketten (seit Corona) folgt Knappheits-Inflation („shortage inflation“). Das hat mit 1) nichts zu tun und im Gegensatz dazu besteht die Gefahr einer schrumpfenden Wirtschaft, 2) wird dann zur Stagflation. 3) Und wir haben durch (Energie-) Steuern und Abgaben getriebene Inflation; es glaubt doch wohl keiner, dass Steuern verbilligen. Neben anderen Faktoren bewirkt das Kosten-getriebene Inflation („cost-push inflation“). Das hat mit 1) nichts zu tun und auch im Gegensatz dazu besteht die Gefahr einer schrumpfenden Wirtschaft, 3) wird dann zur Stagflation. Der Geldbedarf des Staates ist ursächlich für diese Jagd nach Steuern. Und keiner investiert mehr. 4) Durch totalen Vertrauensverlust in den Staat folgt die Hyper-Inflation („hyper inflation“), siehe 1922 Zwangsanleihe. Zinserhöhungen würden bei 1) helfen, aber sie helfen bei 2), 3), 4) nicht ursächlich! Zum EZB-Ziel von 2%: Diese wären NICHT die gewünschten 2% „boom inflation“ siehe 1), diese 2% fallen unter 2) und 3). Die EZB ist machtlos und keiner investiert mehr. Es ist die Politik, stupid. Vergesst Europa.

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