Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen Prozess eröffnet, in dem die Bürger der Euro-Staaten an der aktuellen Überprüfung der Strategie der Notenbank beteiligt werden sollen. Ziel dieser Prüfung ist laut einer EZB-Pressemitteilung, „ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, inwieweit weitere Überlegungen wie Finanzstabilität, Beschäftigung und ökologische Nachhaltigkeit bei der Erfüllung des Preisstabilitätsmandats der EZB eine Rolle spielen können“.
„Bei dieser Strategieüberprüfung müssen wir von Ihnen hören“, sagt EZB-Präsidentin Christine Lagarde in einem Video zum Auftakt. „Bitte teilen Sie uns ihre Ideen und Anliegen mit.“ Bereits bei ihrem Amtsantritt im Dezember 2019 hatte Lagarde angekündigt, „anders“ sein zu wollen. Die Notenbank werde in Zukunft „nicht nur predigen, sondern auch zuhören“. Kritiker fürchten indes, dass dies auch ein Einfallstor füpr organisierter Interessenträger und umtriebige NGOs sein könnte, um auf die EZB-Politik Einfluss auszuüben.
Im Internet ist bereits eine Seite eingerichtet worden, auf der sich jeder über den Prozess informieren und über ein Formular seine Meinung abgeben kann. Nach Angaben der F.A.Z. sollen die Mails der Bürger in einem eigens eingerichteten Projektbüro der EZB zusammenlaufen. Am Schluss solle dann aus den Vorschlägen ein Bericht zusammengestellt werden, der in die Arbeit des EZB-Rates zur Neuausrichtung der Strategie einfließen soll.
Als zweites Element seien Veranstaltungen unter dem Titel „Die EZB hört zu“ in den 19 Mitgliedstaaten geplant, die von den jeweiligen nationalen Notenbanken organisiert werden sollen, also in Deutschland von der Bundesbank. Vorbild seien Veranstaltungen der amerikanischen Notenbank unter dem Titel „Fed listens“. In Europa solle der Auftakt eine Veranstaltung am 26. März in Brüssel sein.
Trotz aller Öffnungsrhetorik soll nach Angaben der F.A.Z. nicht einfach jeder an diesen Veranstaltungen teilnehmen können. Vielmehr sollen die Gäste über Organisationen, etwa Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, NGOs und regionale Institutionen, ausgewählt werden. Die Veranstaltungen sollen laut F.A.Z. mit einer Informationskampagne verbunden werden.
An der grundsätzlichen Konstruktion der EZB als eine von der Politik unabhängige Organisation werden die neuen Versuche zur Bürgernähe nichts ändern. Die EZB wird auch in Zukunft nicht von gewählten Politikern kontrolliert werden. Anders sah es früher z.B. in Großbritannien aus. Dort wurden die Zinssätze bis 1997 vom Schatzkanzler, einem gewählten Politiker, festgelegt.