Exklusiv: Alles zur neuen Demokratie

Also, zunächst noch mal fürs Protokoll: In einem kleinen, aber feinen Bundesland im Osten der Republik wird gewählt. Nicht das Parlament, das hatte man vor einem Vierteljahr erledigt. Jetzt wird im Parlament abgestimmt, von den dafür gewählten Abgeordneten. Die heißen anders auch Volksvertreter, weil sie nämlich das Volk vertreten. Zum Beispiel bei der Wahl eines Regierungschefs.

Da Letzteres gerade in Thüringen ansteht, machen das die Volksvertreter, pflichttreu und ordnungsgemäß. Und so geschieht ein nagelneuer Ministerpräsident, nach allen Regeln der Kunst und der Gesetze sowieso. Diesen Vorgang in seiner Gesamtheit nennt man Demokratie. Und, noch viel wichtiger, Rechtsstaat. Falls Ihnen der Unterschied gerade nicht geläufig ist: Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt. Rechtsstaat ist, wenn das Schaf das Abendessen überlebt.

Das Zauberhafte im Fall Thüringen ist, dass das Ergebnis des demokratisch-rechtsstaatlichen Prozesses weder formal noch inhaltlich Anlass zur Beanstandung gab. Gewählt wurde ein allseits geachteter Mann, ein lupenreiner und noch dazu liberaler Demokrat aus der Mitte der Gesellschaft. Besser geht kaum. Zu allem Überfluss brachte er einen weiteren Produktvorteil mit. Er ist nämlich Unternehmer, also ganz und gar nicht ein Vertreter des verbreiteten Kreißsaal-Hörsaal-Plenarsaal-Karrieretums.

Richtig gewählt, aber von den Falschen

Alles gut demnach. Deshalb freuten sich spontan Kollegen mit dem frischgebackenen Ministerpräsidenten namens Thomas Kemmerich, zum Beispiel Wolfgang Kubicki und Dorothee Bär. Das war, bevor das Land durchdrehte. Kurz darauf schwoll in Politik und Medien ein gewaltiger Río de kaka an, und CSU-Doro übte sich hurtig in schärfster Selbstkritik. So, wie man das früher unter Mao machte, um der fälligen Liquidierung zu entgehen.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wieso die Aufregung, lief doch wunderbärchen? Klar, der ehrenwerte Herr Kemmerich war richtig und rechtmäßig gewählt worden. Aber halt von den Falschen. Die heißen AfD, sind üble Gesellen und leicht daran zu erkennen, dass sie nach Schwefel riechen und ein ekliges Volkstribünchen namens Höcke als Landeschef haben. 

Gute Menschen dagegen heißen zum Beispiel Linke. Die erkennt man daran, dass sie sich gerne mal von Stasi-Spitzel oder SED-Funktionär in Richtung Landtagsabgeordneter beruflich umorientierten. Oder dass sie meinen, früher sei nicht alles schlecht und die DDR kein Unrechtsstaat gewesen, so wie ein Herr namens Ramelow. Die stinkenden Widerlinge von der AfD haben zwar nichts Vergleichbares auf dem Kerbholz wie die Linken. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Deshalb gilt: Wehret den Anfängen. 

Merkel: erfrischend sportlich

Und so regte man sich querbeet gar fürchterlich auf und warf mit Wörtern um sich, dass es nur so krachte: inakzeptabel, unerträglich, Debakel, Desaster, Dammbruch, Tabubruch, Skandal, Krise, Katastrophe. Und so Sachen. Der feine Herr Ramelow von den guten Linken setzte noch einen drauf. Er verglich den Herrn Kemmerich mit dem Herrn Hitler und bewies aufs Neue, dass er in „Geschi“ öfter mal gefehlt hatte.

Dass es um etwas wirklich Wichtiges ging, merkte man daran, dass sich die Bundeskanzlerin einschaltete. Die hat mit Deutschland bekanntlich schon länger nichts mehr am Hut und weilte zur Halbzeit ihrer vierjährigen Welt-Abschiedstournee in Südafrika. Trotzdem ließ sie sofort alles liegen und Staatschef Ramaphosa doof rumstehen, um die verkorkste deutsche Innenpolitik geradezubiegen. 

Nun mag der eine oder andere einwenden, dass es die oberste Exekutivkraft der Bundesrepublik Deutschland einen feuchten Darmwind angeht, wie ein souveränes Landesparlament abzustimmen geruht. Schon klar, aber Angela Merkel wäre nicht Angela Merkel, wenn sie sich von Bürokratenkram wie Gewaltenteilung und Föderalismus beeindrucken ließe. Kann, muss aber nicht, lautet ihre erfrischend sportliche Einstellung zu Verfassung und ähnlichem Pillepalle.

Einzigartig! Unverzeihlich! Rückgängig!

Also verfügte die Kanzlerin vom schwarzen Kontinent aus per Fernsprech: Erstens sei „die Wahl dieses Ministerpräsidenten“ ein „einzigartiger Vorgang“ gewesen. Das war etwas irritierend, weil sich nicht wenige erinnerten, dass es schon öfter Ministerpräsidentenwahlen gegeben hatte. Zweitens sei der Vorgang „unverzeihlich“. An dieser Stelle wunderte sich mancher Thüringer, dem bisher nicht aufgefallen war, dass mit seiner Landesverfassung etwas nicht stimmte.

Egal, drittens, so die Kanzlerin, müsse „das Ergebnis“ wegen erstens und zweitens – also wegen „einzigartig“ und „unverzeihlich“ – wieder „rückgängig gemacht werden“. Für alle Begriffsverzögerten stellte Angela Merkel zur Sicherheit klar: „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie. Es war ein Tag, der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat.“

Spätestens jetzt waren alle überzeugt, denn wenn der CDU etwas nicht passt, dann befindet sich die Demokratie in Lebensgefahr und das Land vor dem Untergang, das weiß jeder. Gut, jeder außer Thomas Kemmerich, Ministerpräsident von Thüringen. Aber der hat es nach einer mehrstündigen Ganzkörpermassage durch Christian Lindner schließlich auch eingesehen. Also trat Kemmerich zurück, damit es der CDU besser geht, Bodo Ramelow endlich wieder Ministerpräsident wird und überhaupt alles seine gewohnte Ordnung hat.

Demokratie neu denken

Falls Sie zwischendurch den Überblick verloren haben, hier noch einmal die Zusammenfassung: In Thüringen wurde der Richtige gewählt, aber von den Falschen. Das musste umgehend korrigiert werden, damit anschließend der Falsche gewählt werden kann, aber von den Richtigen. Eigentlich ganz einfach, logisch und nachvollziehbar. Im Grunde nicht weiter erwähnenswert.

Was in der Diskussion zu kurz kam, ist das Grundsätzliche. Die Bundeskanzlerin und ihre hilfreichen Helfer in Politik und Medien haben nämlich – bisher weitgehend unbemerkt – mit ihrem lobenswerten Vorgehen in der Kemmerich-Affäre ganz wesentlich zur Weiterentwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beigetragen. „Demokratie neu denken“, heißt das spannende, bisher unausgesprochene Motto.

Wir bei Achgut wären nicht bei Achgut, wenn wir uns nicht auf neues Denken einlassen würden. Außerdem steht bei uns bekanntlich Service-Orientierung an erster Stelle. Erfahren Sie daher jetzt exklusiv und konkret, auf welche interessanten Neuerungen Sie sich freuen dürfen. Es wird sich eine Menge ändern – und Sie wissen es zuerst, wie immer kostenlos und ohne Abozwang!

Achse-exklusiv: Das neue Wahlrecht

Die gute Nachricht vorab: Alles wird einfacher. Wahlen gelten in Zukunft grundsätzlich nur noch, wenn die Richtigen gewählt haben. Zur Vermeidung aufwendiger Nachprüfungen und unnötiger Irritationen werden die Falschen von vornherein von der Wahl ausgeschlossen – ein wichtiger, wirksamer Beitrag zu mehr Rechtssicherheit und Systemvertrauen. Gleichzeitig wird missbräuchliche Wahlrechtsausübung effektiv verhindert (praktisches Beispiel: AfD wählt Ramelow; Ramelow muss zurücktreten, weil von Falschen gewählt).

Geheime Wahlen werden abgeschafft. Das ist vernünftig und konsequent, denn sonst könnte jeder wählen. „Das wäre ja noch schöner!“ und „Wo kommen wir denn da hin?“, lauten die einschlägig anwendbaren Rechtsgrundsätze. Zur Unterscheidung zwischen richtigen (berechtigten) und falschen (unberechtigten) Wählern dient die praktische Faustregel: Für Linke gilt Unschuldsvermutung, für Konservative Generalverdacht, also Beweislastumkehr. 

Um die erforderliche Differenzierung zwischen Richtigen und Falschen zu erleichtern, besteht ab sofort umfassende Klarnamenpflicht im Internet. In Zweifelsfällen entscheidet ein neutrales, unabhängiges Schiedsscharfgericht unter Vorsitz einer gesamtgesellschaftlich anerkannten und diversen Doppelspitze (Jakob Augstein und Heribert Prantl).

Und jetzt der Clou: Um Ihnen unnötige Antragsarbeit zu ersparen, entwickeln wir derzeit einen Fragebogen, exklusiv für Achse-Leser. Anhand klarer, einfacher Kriterien (Fleischkonsum, Fernreise, Führerschein, Besitz von Heino-CDs) können Sie schnell und zuverlässig ermitteln, ob Sie wahltauglich sind oder nicht. Wenn Sie undemokratischer Gesinnung anhängen, brauchen Sie sich in Zukunft nicht mehr mit zehnjähriger WhatsApp-Historie zu Ihrem Wahllokal aufzumachen. 

Kurz: Sie haben einen zusätzlichen Sonntag zur freien Verfügung, und Sie gehen echten Demokraten nicht mehr auf den Sack. Eine klassische Win-win-Situation. Gut für Sie und gut für das Land!

Foto: Joaquín de Alba Carmona CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Robert Schleif / 09.02.2020

Frei nach Karl Marx: Geschichte wiederholt sich immer zweimal - erst als Tragödie und dann als Farce. Schon die piefig-spiessige Hinterhof-Diktatur Honeckers war eher peinlich als dämonisch. Noch beschämender für das einstige Volk der Dichter und Denker, dass es jetzt kollektiv die Hacken vor einer unterdurchschnittlich begabten FDJ-Sekretärin zusammenschlägt und sich zugrunderichten lässt.

M. Terres / 09.02.2020

Ich schaue gerade hinaus ins Dunkel. Der Regen hämmert gegen die Scheibe, der Wind drückt gegen die Fassade. Mein Blick schweift ‘gen Osten. Ich kann Erfurt nicht sehen! Und jetzt stelle ich mir angesichts des infernalisch aufbrausenden Sturms die Frage aller Fragen: “Ist das noch Wetter oder hitlert es schon?” Die Demokratie ist bereits hinweggefegt worden. Sie hat sich aus Verzweiflung auf die Gleise geworfen! Nur die Deutsche Bahn hat es begriffen. Man lässt alle Züge in den Bahnhöfen halten.

Rainer Hanisch / 09.02.2020

Und welcher Vollpfosten glaubt jetzt noch an ein “demokratiches” Deutschland?

Volker Derouaux / 09.02.2020

In Zeiten von hybrider Kriegsführung, Menschenhandel, Terror von allen Seiten, Kriminalität, Latente Kriegsgefahr in vielen Weltregionen haben wir so große Herausforderungen zu meistern das wir uns eine gesellschaftliche Spaltung und staatliche Zersetzung nicht leisten können. Das spricht dafür das wir von der Stasi und der DDR übernommen wurden und nicht die DDR von der BRD demokratisiert wurde. Denn dort wurden diese gesellschaftlichen perfiden Prozesse durchgeführt mit dem denunzieren des eigenen sozialen Umfelds und hier wurden sie mithilfe der Kommunisten und Sozialisten noch perfider ein - und umgesetzt. Negerkuss ist rassistisch? Rückwirkende Ächtung eigentlich anerkannter Persönlichkeiten wegen der ,,neuen” Einordnung von Taten und Aussagen derer wie ,,Hindenburg, Erich Kästner und vieler anderer” die von irgendwelchen selbst ernannten Eliten als heute nicht mehr ,,korrekt” eingestuft wurden. Hallo!!! Bücher und Märchen sollen ins korrekte übersetzt werden? Lasst Frau Holle, Schneewittchen und alle Kultur in Ruhe. Jeder hat das Recht sie selbst zu beurteilen und zu bewerten! Lasst euch nicht versklaven und verar…en!

sybille eden / 09.02.2020

Zu all dem Jammertal deutscher Politik kann ich nur ein Buch empfehlen : Hans - Herrmann Hoppe : “DEMOKRATIE, der GOTT der KEINER IST”.

Rita Wiesinger / 09.02.2020

“Stell Dir vor es ist Krieg und Keiner geht hin.” “Stell Dir vor die Diktatorin schafft an und niemand hört hin” Die schlimmsten Verbrechen in der Geschichte, konnten auch nur entstehen durch eine Kette feiger Erfüllungsgehilfen. Das sollte auch die primäre Lehre am Holocaustverbrechen sein. Weigert Euch, wenn es das Gewissen erfordert!

Jens Freimann / 09.02.2020

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Rot-Rot-Grün haben keine Mehrheit im Parlament und regen sich darüber auf, dass nicht einer der ihren gewählt wurde. An Dekadenz nicht zu überbieten!

Friedrich Richter / 09.02.2020

Es ist beunruhigend, die ausländische Presse zu diesem Thema zu lesen. Die NZZ ist, soweit ich es sehen konnte, die einzige Zeitung, die in Thüringen eine Vergewaltigung der Demokratie beobachtet hat. Bei vielen anderen herrscht der Tenor, dass es der Bundeskanzlerin gerade noch mal gelungen ist, den Faschismus niederzuringen und die Demokratie zu retten. Die EU-Nachbarn haben offenbar mit einer “gelenkten Demokratie” nach russischem Vorbild in Deutschland wenig Probleme, solange sie nur “links” ist.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Robert von Loewenstern / 10.03.2024 / 10:00 / 59

Melden ist geil!

Gut, dass es eine Zivilgesellschaft gibt, die mit Meldeportalen Ungeheuerliches aufzeigt – etwa eine antifeministische, rassistische und NS-verharmlosende Lesung zweier bekannter Publizisten und Achgut-Autoren. Als…/ mehr

Robert von Loewenstern / 19.02.2024 / 06:00 / 193

Der beste Mann der AfD

Erfahren Sie, warum ARD und ZDF zunehmend hysterischer die „rechte Gefahr“ beschwören und ein Untergangsszenario nach dem anderen produzieren. Und wer der treueste Freund und…/ mehr

Robert von Loewenstern / 23.11.2023 / 06:00 / 110

Ein Herz für Mörder

Seit den Hamas-Bestialitäten vom 7. Oktober entdeckten die Leitmedien den „linken Antisemitismus“ für sich. Aber woher kommt der eigentlich? Und welche zwei entscheidenden Fehler unterliefen…/ mehr

Robert von Loewenstern / 13.09.2023 / 06:00 / 190

Liebe FDP, das war’s dann wohl

Die FDP trat in die Ampelkoalition mit dem unausgesprochenen Versprechen gegenüber ihren Wählern ein, das Schlimmste zu verhindern. Hat sie auch – und dann doch…/ mehr

Robert von Loewenstern / 29.08.2023 / 06:00 / 60

Die AfD wirkt

Am vergangenen Sonntag stand die nächste Kür eines AfD-Mannes für ein kommunales Amt an. Achgut-Wahlbeobachter wagten sich in den braunen Sumpf – und gewannen überraschende…/ mehr

Robert von Loewenstern / 26.06.2023 / 06:00 / 101

Liebe Grüne, toll, dass ihr regiert!

Bei den Grünen läuft es nicht rund. Ihr strahlender Held strauchelt, in Umfragen geht es abwärts. Dabei ist es so wichtig für das Land, dass…/ mehr

Robert von Loewenstern / 14.06.2023 / 06:00 / 119

Liebe Grüne, was verheimlicht ihr?

Die Grünen wollen die nationale Energiewende anführen und versagen bei der Wärmepumpe im eigenen Haus – so die schlichte Medienerzählung. Achgut investigativ schaute genauer hin.…/ mehr

Robert von Loewenstern / 05.06.2023 / 06:00 / 123

Henryk! Verzeih mir!

Henryk Broder bat die Deutschen um Vergebung, weil er nicht so ein Musterjude ist wie WDR-Spitzenjournalist Lorenz Beckhardt. Unser Autor hofft, Henryk möge ihm nachsehen,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com