Felix Perrefort / 10.06.2022 / 10:00 / Foto: achgut.com / 49 / Seite ausdrucken

Corona-Maßnahmen in der Evaluation: Außer Spesen nix gewesen

Ein Experten-Ausschuss soll die Wirksamkeit von Corona-Maßnahmen belegen, ohne dass sich in den großen Krankheitsstatistiken eine schwerwiegende Pandemie zeigen würde. Die Corona-Jünger wird aber auch das nicht zum Umdenken bewegen, so wie das in einer Glaubensgemeinschaft halt ist.

Christina Berndt, Wissenschaftsjournalistin des Jahres 2021, veröffentlichte in der Süddeutschen Zeitung kürzlich einen Artikel, in dem sie die Corona-Maßnahmen präventiv gegen ihre Evaluierung durch den Sachverständigenausschuss verteidigte. Die nämlich drohe negativer auszufallen, als ihr lieb ist: Es stehe „zu befürchten, dass die wichtige Evaluation am Ende nicht die Erwartungen erfüllen wird, die Politikerinnen und Bürger sich erhoffen. Denn ein Entwurf, den die Süddeutsche Zeitung einsehen konnte, wird in Fachkreisen bereits verrissen (…). Folgt man den Schlussfolgerungen der Autoren des Kapitels, dann gibt es letztlich kaum Belege für den Nutzen der verschiedensten Maßnahmen zwischen Kontaktbeschränkungen und 3G-Regeln – mit Ausnahme des Maskentragens in Innenräumen.“ 

Zu beneiden ist der Evaluationsausschuss nicht. Er müsste die Infektionszahlen mit den Maßnahmen korrelieren, um so zu zeigen, dass diese auf jene einen positiven Einfluss ausüben. Das Hauptproblem dürfte aber darin bestehen, dass sich in Deutschland ein außergewöhnliches Viren-, Krankheits- und Sterbegeschehen außerhalb der PCR-Test-Daten, also in den klassischen Meldesystemen, zu keinem Zeitpunkt offenbarte. 

Weder konnte das RKI eine signifikante Zunahme von Krankenhausaufenthalten wegen schwerer Atemwegsinfektionen feststellen (siehe hier Seite 6) noch lassen sich anhand der Grafiken der Initiative Qualitätsmedizin auffällige Schwankungen bezüglich der beatmungspflichtigen Intensivfälle ausmachen (siehe hier Abb. 4). Warum auch? Schließlich handelt es sich um einen Erreger, der in der Regel unbemerkt weitergegeben wird, meistens milde Verläufe erzeugt und nur selten Lungenentzündungen hervorruft. Daher entsprach das durchschnittliche Sterbealter an oder mit Covid-19 von Anfang an der allgemeinen Lebenserwartung, auch dem RKI zufolge (S. 6). Achgut-Autor Thomas Maul hat noch sehr viel mehr Corona-Tatsachen zusammengetragen, die den Wald vor lauter Bäumen erkennen lassen. Auch offiziell wird inzwischen angegeben, dass das Gesundheitssystem zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd an seine Grenzen kam. 

Glauben müssen statt beweisen können 

Um der Regierung rückblickend ein positives Zeugnis auszustellen, muss der Expertenausschuss also innerhalb eines Krankheitsgeschehens, das sich von denen der Vorjahre nicht nennenswert unterscheidet, etwas scheinbar Außergewöhnliches identifizieren, um damit zu behaupten, dass es ohne staatliche Eingriffe noch außergewöhnlicher geworden wäre. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder gab es keine bedrohlichen Auffälligkeiten in den die Bevölkerung betreffenden Monitorings, weil der Erreger sich in seiner Gefährlichkeit nicht großartig von gewohnten unterschied. Dann wären die getroffenen Maßnahmen samt und sonders maßlos übertrieben gewesen. 

Oder aber es gab eine überaus gefährliche Krankheit, und die Maßnahmen haben die Statistiken exakt so austariert, dass sie auf den jahresüblichen Niveaus liegen. Daran kann man glauben – und dieser Glaube ist in Deutschland inoffizielle Staatsreligion –, doch positivistisch beweisen lässt sich das naturgemäß nicht. 

Christina Berndt scheint etwas davon zu ahnen, wenn sie in ihrem Artikel vorsorglich konstatiert: „Nur weil es keine Evidenz gibt, heißt es nicht, dass Maßnahmen nicht wirken, mitunter fehlen eben nur die Daten, die die Wirkung belegen.“ In den sozialen Medien wurde sich darüber lustig gemacht, indem der Teil ab „mitunter“ weggelassen wurde, womit das Zitat allerdings verfälscht wird. Statt den Sinn ihrer Aussage zu entstellen, sollte man ihr entgegenhalten, dass nach zwei Jahren täglich dokumentierter „Jahrhundertpandemie“ (Spahn) eindeutig belegende Daten doch zweifellos vorhanden wären, gäbe es eine solche Wirkung. In früheren Märchen hätte Berndt vielleicht gesagt: Nur weil ein Kaiser nackt scheint, heißt das nicht, dass er keine Kleidung trägt, mitunter fehlt nur das günstige Licht, das sie sichtbar macht.

Die Anhänger der Maßnahmen wollen schon aus Gründen des Stolzes nicht wahrhaben, dass sie sich getäuscht haben und alles vergebens war. Sie bestreiten zwanghaft, dass die angerichteten Kollateralschäden und verübten Menschenrechtsverletzungen dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip spotteten. So zieht die Süddeutsche gegen jede Evidenz Möglichkeiten in Betracht, die ihre Fantasien und Selbstgewissheiten aufrechterhalten. Christina Berndt verlangt in einem früheren Artikel für die SZ von der Politik künftig weitere von ihr selbst als „Drangsalierungen“ bezeichnete Maßnahmen, „auch ohne dass deren Wirksamkeit nach höchsten Standards bewiesen ist“. Wissenschaftlichkeit ist hier in einen bloßen Glauben umgeschlagen. 

Foto: achgut.com

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Richard Loewe / 10.06.2022

eine “Maßnahme”, die Erzwingung der Teilnahme an einem gentechnischen Experiment, würde ich persönlich nicht als Spesen bezeichnen.

Boris Kotchoubey / 10.06.2022

Liebe AchGutler, der Artikel verweist auf ZWEI verschiedene Artikel in der SZ, aber die beiden Links führen zu demselben Artikel! Grüße BK (Anm. d. Red.: Der Link ist aktualisiert. Danke für den Hinweis.)

Torsten Gürges / 10.06.2022

So, so, das Maskentragen in Innenräumn soll also etwas bringen… Wie merkwürdig, dass das in grossen Vergleichen nirgendwo zu sehen ist. Viele (qualitativ gute!) Studien mit Daten aus der realen Welt zeigen das sehr deutlich. Dass man mit Modellierungsansätzen alles Mögliche zeigen kann, weiss jeder, der sich mit dynamischen Systemen und den Ihnen zugrundeliegenden mathematisch-physikalischen Modellen auch nur minimal auskennt. Das bedeutet nicht, dass Modellierungen grundsätzlich wertlos sind. Aber sie müssen eben an der Realität gemessen werden. Wenn das nicht passiert, betreibt man keine ernsthafte Wissenschaft mehr.

Boris Kotchoubey / 10.06.2022

“Die Anhänger der Maßnahmen wollen schon aus Gründen des Stolzes nicht wahrhaben, dass sie sich getäuscht haben und alles vergebens war.” Nein, sie haben sich nicht getäuscht, und nichts war vergebens. Sie sind nach Plan vorgegangen und bewiesen, dass in Deutschland eine Abschaffung der Grundrechte ohne jeglichen Widerstand möglich ist. Und wenn wir jetzt noch keine Diktatur haben, dann nur weil sie vertagt wurde.

David König / 10.06.2022

»Just to be clear, actual science is the exact OPPOSITE of putting blind faith in supposed “experts.” And anyone who can’t or won’t show you the data he relied on or how he reached his conclusions is not a scientist; he is a propagandist.« — Larken Rose     Zu deutsch: »Nur um das klarzustellen: Tatsächliche Wissenschaft ist das genaue Gegenteil von blindem Vertrauen in vermeintliche „Experten“. Und jeder, der Ihnen nicht zeigen kann oder will, auf welche Daten er sich stützt oder wie er zu seinen Schlussfolgerungen kommt, ist kein Wissenschaftler, sondern ein Propagandist.« Damit erfüllt Christina Berndt die Bedingungen eines Propagandisten, der Evidenz und Transparenz verachtet und dem Glauben in staatliche Repressalien frönt. Ob ihr bewusst ist, dass ihre Forderungen den totalitären Entwicklungen unserer Gesellschaft weiteren Vorschub leisten und den Menschen ihre Mündigkeit, Selbstbestimmung und Freiheit abspricht?

Dieter Kief / 10.06.2022

Es ist lohnend Journalisten wie Christina Berndt / Wissenschaftsredaktion (!) SZ und Joachim Müller-Jung sowie Sybille Anderl (Wissenchaftsredaktion FAZ) und die Leiterin der Wissenschaftredaktion der weLT, Pia Heinemann) genau zu begleiten. - Eine zähe Arbeit, aber aufschlussreich. Denn die Artikel in diesen Leitmedien sind nach wie vor noch sehr folgenreich. - Also: super Artikel, da oben, Felix Perrefort. - Der Blogger eugyppius hat sich besonders auf Christina Berndt eingestellt - ebenfalls sehr lohnenswert. Seine Artikel sind auf substack.

Volker Kleinophorst / 10.06.2022

„Im vergangenen Jahr starben in San Francisco mehr Menschen an Fentanyl-Überdosen als an Covid-19, doch der Distriktstaatsanwalt Chesa Boudin verurteilte 2021 keine einzige Person wegen des Handels mit dem tödlichen Opioid.” (aus Stefan Frank, “Erdbeben in Kalifornien” auf dieser Seite, Spitzentext übrigens) Die Fentanyl-Pandmie ist im Gegensatz zu Covid-Plandemie ja auch real.

Karl-Heinz Boehnke / 10.06.2022

Es ist mehr als Glaube, es ist die größte Sekte, die es je gab, nämlich eine mit mehrheitlich lemminghafter Besessenheit zur Opferung seiner selbst und sogar der eigenen Kinder, manchmal wohl nur aus niederer Selbstverwirklichung. So etwas ist bisher immer nur bei Endzeitstimmung erwartet worden.

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