Dieter Prokop, Gastautor / 20.05.2019 / 12:00 / Foto: Montevallo / 29 / Seite ausdrucken

Eurovision: Der Sieg des singulär leidenden Mannes

Endlich mal ein leidender Mann! Der niederländische Sänger Duncan Laurence: Seine Ballade ist ergreifend. Es geht um einen Freund, der jung starb und das Glück der Liebe nie erfahren hat. Vorgetragen ohne alle Show von einem einsamen Sänger am Keyboard. Er gewann den Eurovision Song Contest 2019. An zweiter Stelle ein weiterer leidender Mann. Für Italien sang der Rapper Mahmood, wie Geld Familien zerstört. Er trug das nicht als Ballade vor, sondern als Macho im Stil von Eros Ramazotti. 

Warum wurden beide – abgesehen davon, dass beide singen konnten – die Sieger des Eurovision Song Contest 2019? 

Nach den Thesen des Soziologen Andreas Reckwitz leben wir in einer „Gesellschaft der Singularitäten“. Darin zählt nicht das Allgemeine, sondern das Besondere, Singuläre. Angeblich leben heute alle Menschen in „Milieus“ und erfahren dort ihr Leben, ihre Werte – und ihr Leiden. Mit Letzterem hat er sicher recht. Im „Singulären“ steckt auch das Leiden. Und das Leiden hat heute in der Öffentlichkeit einen besonderen Marktwert.

Das Leiden packt die Herzen eben mehr

Zur Zeit eher für Frauen, für jene, die um Quoten kämpfen. Für sie plädiert zum Beispiel die Politikwissenschaftlerin Wendy Brown für einen Rechtszustand, der den Frauen nicht nur die formale Gleichheit der Bürgerrechte verschaffen soll, sondern eine neue Art von Recht artikuliert, die auch das Leiden der Frauen zur Kenntnis nimmt – und in der Form von Quoten realisiert.

Das Leiden packt die Herzen eben mehr als alles programmatische, wie es für Frankreich der Sänger Bilal Hassani vortrug, der sich Conchita Wurst zum Vorbild nahm und gegen Hass und für Diversität Partei ergriff. Und der sich deshalb – selbst androgyn und schlank – mit einer kugeligen Balletteuse umgab, die federleicht zu hüpfen versuchte. Und mit einer zweiten, Schlanken. Das war politisch korrekt, aber eben doch zu sehr „Ideologie auf der Zunge“ und auch im Bild. Er kam nur auf Platz 14.

Da brachte dann doch das singuläre Leiden mehr Stimmen. Aber es ist schon erstaunlich, dass es ausgerechnet zwei Männer waren, die da mit besonderer Sensibilität auftraten und gewannen. Eigentlich hielt man bisher stets die Frauen für besonders sensibel. Könnte es vielleicht ein gesellschaftlicher Trend sein, dass jetzt die Männer den Frauen die Hegemonie über eines ihrer früheren Kampfmittel im Geschlechterkampf, die „Sensibilität“, zu rauben versuchen?

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Marc Blenk / 20.05.2019

Lieber Herr Prokop, das mag schon sein. Nur, fragt sich, was der real existierende Feminismus und sein williges männliches Produkt ( zumindest verbal) mit Sensibilität zu tun haben. Das Leiden ist ja hier nicht des Leidens wegen da oder seiner Überwindung. Sondern als Vorwurf und Penetration von Aufmerksamkeitswille. Aufmerksamkeit wird abgenötigt, erzwungen. Auch wenn die Anlässe noch so albern sind. Kurzum diese angeblich Sensiblen nerven nur, gehen auf den Wecker, weil sie verlangen, dass es irgendwen im gesellschaftlichen Raum interessieren müsste.

Dr. Gerhard Giesemann / 20.05.2019

“Männer sind Schweine” - also arme Schweine. Aber es kommt Hilfe vom Moslem: Der weiß: EIN Mann genügt vollauf, um vier Frauen (plus XX) ständig schwanger zu halten. Wir brauchen dringend wieder mal ne Blutpumpe à la Verdun, die Kerle nehmen überhand, wech damit. Meine Rede seit ‘15 (2015).  Auch der gute Hirte weiß das, hält sich deshalb nur wenige männliche Exemplare zu Zuchtzwecken. Die männl. Tiere fressen nämlich zu viel, geben weder Milch noch Eier, gebären keine Jungtiere, nerven also bloß und stinken. Und die Götter bevorzugen männliche Tiere und Menschen als Opfer, wegen ihrer Höherwertigkeit - der gute Hirte darf seine Weibchen behalten - absolute win-win-Situation. Es bleibt bei agnus DEI - wer will schon schon eine agna? So ist doch alles auf’s Feinste gerichtet (nach Hans Küng, katholischer Theologe, Weggefährte von Benedikt XVI, leider dement seit ein paar Jahren (der Hans)). Halleluja.

Wolf-Dietrich Staebe / 20.05.2019

Heul! Plärr! Und demnächst sind wir eh alle tot - prophezeit Gretel!

Werner Arning / 20.05.2019

Wenn ich das Radio anschalte und gerade ein Mann singt, denke ich oft, was hat er denn? Warum weint er? Worüber lamentiert er? Warum heult er so? Was ist ihm denn zugestoßen? Die Texte versteht man ja häufig nicht. Aber die Stimme drückt Leid aus, unerträgliche Sehnsucht, vielleicht Liebeskummer, sie schreit flehend, sensibel, und scheint um Gnade zu betteln. Es scheint sich um einen Trend zu handeln. Was haben sie denn, die Männer?

Helmut Driesel / 20.05.2019

Also, ich weiß nicht, ein Künstler ist ein Künstler, ist ein Künstler. Das heißt, der kann das entweder oder er ist eine Niete, aber eben kein Künstler. Mick Jagger konnte das Leiden auch perfekt in seinen Gesang bringen, ohne auch nur im Entferntesten betroffen zu sein. Die besten Rock-Balladen sind Leidensgeschichten und die meisten davon wurden von Männern gesungen. Von Kerlen, die wir alle um ihr aufregendes Leben beneidet haben und die nie auf den Gedanken gekommen wären, sich ihr Leiden von einem Psychotherapeuten um die Ohren hauen zu lassen. Das Leid der Männer ist in Wahrheit eine Musikrichtung und heißt Blues. Also hat es auch einen edlen Zweck und es verdient Geld. Ist das nicht fabelhaft? Kann man noch mehr verlangen?

Günter Fuchs / 20.05.2019

Leidende Männer in der Musikszene hat es doch immer schon gegeben, schon in den 1960er Jahren! Hören Sie sich mal Ray Charles “No Use Crying”,  “Please Say You’re Fooling” oder “I Can Make It Through The Days”, von Sam Cooke “Nothing Can Change This Love” oder von William Bell “Nothing Takes The Place Of You” an! Auch in diesen Songs wurde schwer gelitten, jedoch in besserer Qualität und auf bedeutend höherem Niveau!!!

Ralf Berzborn / 20.05.2019

Hard times create strong men . Strong men create good times. Good times create weak men . Weak men create hard times .

Anders Dairie / 20.05.2019

Die beiden deutschen Damen wurden bereits eine Woche zuvor von selbst ernannten Kritikern “hingerichtet”.  Wer sich selbst kastriert, muss sich nicht wundern, wenn die Konkurrenz auch den letzten Nippel abschneidet.  Wenn sich Herren finden,  die ihre Seelen-Fürze ganz breit veröffentlichen, bekommen sie automa-tisch von den vielen Damen ihre Punkte,  denen solche Schmalzbäder mit grell farbiger Lichtshow zum unverzichtbaren Teil der Lebensverrichtung gehören. Wirklich neu war die Nummer mit den Damen auf den Spitzen schwankender Stäbe des Stabhochsprungs.  Weil bei allem Blödsinn noch wbl.  Mut dazu kam.

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