Marcus Ermler / 19.05.2019 / 17:00 / Foto: Udo Grimberg / 47 / Seite ausdrucken

Europawahl: Ich wähle Ditfurth

In den letzten zwei Wochen haben ja bereits Roger LetschVera Lengsfeld und Gunter Weißgerber ihre Positionen zur Europawahl dargelegt. Ich möchte hier gerne eine etwas andere Wahlmöglichkeit vorstellen, die auf den ersten Blick so undenkbar erscheinen mag, wie sie auf den zweiten Blick dann doch nur konsequent sein muss. Wen ich zur Europawahl wählen werde: Es ist Jutta Ditfurths ÖkoLinX.

Jutta Ditfurth? Mag jetzt der eine oder andere entsetzt fragen. Ist das nicht die Krawallbürste, die vor zwei Jahren bei „Maischberger“ den CDU-Granden Wolfgang Bosbach mit ihren Statements zu den G20-Demos derart in den Wahnsinn getrieben hat, dass selbiger fluchtartig das Fernsehstudio verließ? Quasi dort ihr eigenes „Welcome to Hell“-Blümchen ins Deutsche Fernsehen pflanzte? Ist das nicht die an Joschka Fischer gescheiterte Fundi-Grüne, die aus Protest gegen die „Rechtsentwicklung“ der Grünen 1991 aus der Partei austrat?

Und ÖkoLinX? Ist das nicht eher eine Ökosekte, die sich um ihren Guru Jutta versammelt? Eine Partei, die überall nur Faschismus sieht? Die Seenotrettung grenzenlos machen will? Die in Deutschland institutionellen Rassismus festmacht? Die sich gegen Kapitalismus, Nationalismus und Militarisierung exponiert? Die einen Sozialismus predigt, der nur im unbedingten Ökologismus aufgehen kann? Oder in den Worten von ÖkoLinX gesagt: Eine Ökologische Linke im „Widerstand gegen die Ausbeutung des Menschen und gegen die Vernichtung der Natur“.

Vom Faschismus-Menetekel zum Kampf gegen BDS

Das mag, je nach eigener politischer Positionierung, alles stimmen oder nicht; und man muss es sicherlich nicht alles inhaltlich teilen oder gar vollständig goutieren. Jedoch ist dort eben ein Punkt, der gerne und vielfältig in der medialen Darstellung verschwiegen wird. Mag Jutta Ditfurth zwar auch noch so viel Faschismus menetekelisieren, so tut sie das eben auch aus einem ihr wichtig erscheinenden Grunde: dem Kampf gegen den Antisemitismus, der nicht nur in ihren zahlreichen Tweets, sondern ebenso in der Darstellung ihrer Partei auf deren Website seinen Widerhall findet.

Im Vorfeld der Europawahl zog Ditfurth so mit einem zweiteiligen Vortragsprogramm durch die Lande. Während der erste Teil sich obigem Parteimotto verpflichtet fühlt und bekannte sozialistische Rhetorik bedient: „Capitalism kills Climate! Für ein Ende der Ausbeutung von Mensch und Natur – warum wir uns vom Kapitalismus befreien müssen“. Hat der zweite Teile eine sehr viel interessantere Ausgestaltung, weil von immenser politischer Aktualität: „Herzl, Lenin, Stalin, UNO, BDS – Wie der ‚linke‘ Antizionismus zum Antisemitismus wurde und sich mit dem christlichen und muslimischen Antisemitismus im BDS vereinigte“.

Im Jahr 2016 schied ÖkoLinX aus der sozialistischen Folklorebewegung „Revolutionäres 1. Mai-Bündnis“ aus, da BDS-Bewegte und Pro-Palästina-Apologeten still und heimlich zu Mitgliedern des Bündnisses wurden. Kommentar von ÖkoLinX dazu: 

Der Boykott ist nur eine Zwischenstufe zum eigentlichen Ziel: der Zerstörung des Staates Israel. Alle Bewohner*innen Israels werden in Kollektivhaftung für die Menschenrechtsverletzungen des Staates, des Militärs und der orthodoxen Siedler*innen genommen. Die antizionistischen Antisemit*innen maßen sich darüber hinaus einen Alleinvertretungsanspruch für alle Palästinenser*innen an und lassen kein kritisches Wort über Raketenangriffe, Selbstmordattentate und Messeranschläge zu […] Und Israel wird dämonisiert wie kein zweiter Staat. Es wird zum Objekt der Wahnvorstellung von einer ‚jüdischen Weltmacht‘, verschärft seit der Weltwirtschaftskrise von 2008ff, und es wird mit dem NS-Faschismus gleichgesetzt.“

Klare Worte gegen die antisemitische Querfront

Als Folge dieses Dissens veröffentlichte die Partei im Jahr 2017 dann ein Positionspapier „für eine aufgeklärte, antiautoritäre linke Position zu Israel und seiner Geschichte und zum Antisemitismus“. Hiermit will ÖkoLinX klarstellen: 

Viele gesellschaftliche Linke haben klare Positionen gegen jedweden Antisemitismus, aber in einigen Teilen der Linken wird das Existenzrecht Israels immer offener in Frage gestellt, in anderen vermeidet mensch gleich die ganze Auseinandersetzung […] Eine besonders üble Rolle spielt dabei eine internationale antizionistisch-antisemitische Kampagne namens BDS (Boycott Divestment Sanctions), die Israel in den Augen der Welt als ‚Schurkenstaat‘ erscheinen lassen will. Die Anführer und Ideologen des BDS sagen seit Jahren offen, dass ihr Ziel die Vernichtung des Staates Israel ist. Aber kaum jemand will es hören.“

Im Papier wird weiter deutlich, wen Ditfurth in Deutschland als Tretlager in dieser neuzeitlichen faschistischen Maschinerie ausmacht. Es seien linke wie rechtsextreme „Querfrontfraktionen“, die sich in der politischen Rechten im „völkischen“ wie „faschistischen Lager“ finden sowie sich in der politischen Linken aus dem „alternativen oder auch linksbürgerlichen Milieus“ rekrutieren. Besonders aber solche „nationale Linke“ aus der Linkspartei, die eine „Querfront“ mit „rechten Ideolog*innen“ eingehen.

Dann steht dort eine Jutta Ditfurth auf

Man kann also bereits an dieser kleinen Auswahl von Zitaten und Referenzen zu ÖkoLinX erkennen, dass sich die Partei sehr klar projüdisch positioniert und auch nicht davor Halt macht, in die politische Linke hinein ihren Kampf gegen Antisemitismus zu tragen. Eine Positionierung, die dementsprechend auch einiges an Widerspruch in einer sonst bis zum Judenpogrom triebgesteuerten Linken erzeugen muss und wird.

Und das ist eben auch meine wesentliche Motivation, dieser Partei meine Stimme zu geben. Eben nicht, weil sie gegen Nationalismus, gegen Faschismus oder gegen Rechts agitiert. Das ist im Meer des staatlich sanktionierten Kampfes „gegen Rechts“ doch eher nur ein marginales Tröpfchen. Nein, es ist die helle Stimme in einer weitestgehend antisemitischen Dunkelheit der politischen Linken in Deutschland, die sich sonst nur in Wohlfühlsprechblasen gegen Antisemitismus ergeht oder gleich den puren Judenhass predigt.

Wenn die EU-Kommission wieder einmal Erzeugnisse israelischer Firmen besonders kennzeichnen will, palästinensische Terroristen oder BDS-Faschisten ungehindert ihren antisemitischen Dünnpfiff im EU-Parlament verbreiten dürfen sowie palästinensische Präsidenten in Reden vor den EU-Parlamentariern Juden unwidersprochen als Brunnenvergifter bezeichnen können und dies von der Europäischen Linken freudetrunken beklatscht wird. Dann steht dort eine Jutta Ditfurth auf und watscht die linken Antisemiten ab, wie es vor zwei Jahren Wolfgang Bosbach in einem anderen Kontext hautnah erleben durfte. Allein, um die dann aufkommende nackte Panik und den anschließenden Fluchtreflex beobachten zu dürfen, wähle ich ÖkoLinX.

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Karla Kuhn / 19.05.2019

Jedem Tierchen sein Pläsierchen, ich könnte mich nicht mehr im Spiegel anschauen nach diesem Kreuzchen.

Dirk Jungnickel / 19.05.2019

Ich finde es schon inakzeptabel diese politische Knallcharge überhaupt wieder ins Gespräch zu bringen. Auch wenn es sich natürlich um Satire handeln mag. Sollte Israel diese Dame nötig haben, dann gute Nacht. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie mit der gleichen Begeisterung den Mullahs im Iran die Füße leckt.

beat schaller / 19.05.2019

Ach Herr Elmer, so schaffen Sie es doch ganz sicher nicht, einen Bumerang weg zu schmeissen. Das ist für mich schon etwas weit her geholt, oder vielleicht haben Sie auch mal einen schlechte Tag heute. Versuchen Sie es einfach mal mit AfD. Lesen Sie nochmal das Wahlprogramm, ohne die paar Querschläger, die es in jeder jungen Partei gibt, über zu bewerten. Ein echter Versuch wäre das bestimmt wert und schlimmer als es heute geht, ist für mich seit langem nicht denkbar und trotzdem wird jeder Tag von neuem getoppt. Also, etwas Mut zur Umkehr. b.schaller

Michel O. Neland / 19.05.2019

Ein diverses EU-Parlament ist genau das, was die EU gerade nicht braucht.

Großheim Jürgen / 19.05.2019

Bitte sich die Webseite der Ökolinxe anschauen und die Berufe der Kandidaten. Deutsche “ Intellektuelle” im Geistigen Krankenstand. Ein Psychiater hätte seine Freude daran. Es gäbe viel zu tun, die Couch wartet.

von Kullmann / 19.05.2019

Und der Kommunistenquatsch, der im Ausradieren von Leben nicht zimperlich war. Alles egal?

Paul Siemons / 19.05.2019

Der Kreis derer, die einen am Sträußchen haben, scheint sich auf Achgut ausgeweitet zu haben.

Hans-Peter Dollhopf / 19.05.2019

Herr Ermler, von Ihrem Artikel angeregt klickte ich im Wahl-o-Mat zur Erhöhung der Trennschärfe die anderen 37 Thesen weg und prüfte nur auf die 32: “In der EU sollen Initiativen gegen Antisemitismus finanziell unterstützt werden.” Diese Recherche resultierte in “Leider kann der Wahl-O-Mat auf der Grundlage Ihres Antwortmusters kein individuelles und zuverlässiges Ergebnis berechnen.” Also ging ich zu den Stellungnahmen der Parteien. ÖkoLinX stimmte zu: “Ja, gegen jede Form des Antisemitismus: völkischen, rechtsradikalen, christlichen, muslimischen und antizionistischen Antisemitismus.” Positiv registrierte ich, dass Dittfurt auch Antizionismus ablehnt. Negativ: Sie kennt keinen linken Antisemitismus. In der erlesenen Aufzählung Adjektive sitzen Christen mit Rechtsradikalen und Völkische mit Muslimen in einem Boot, nur die Linken nicht. Na so was aber auch. Darob sah ich mir, nun ja, die ... AfD an. Überraschenderweise ist sie gegenüber der These neutral. Sie begründet so: “Die Bekämpfung des Antisemitismus ist Aufgabe der Nationalstaaten.” Für mich ist die Bekämpfung von Antisemitismus zwar jedermanns Sache, trotzdem wird von der AfD hier eindeutig seine Bekämpfung gefordert. Hier wird klar, dass der Wahl-o-Mat ja die Positionierung der Parteien bei einer EU-Wahl zur EU abbilden soll. Darum mussten als Kontrastmittel noch die Begründungen zu “Die EU soll sich langfristig zu einem europäischen Bundesstaat entwickeln” herangezogen werden.     Und beide Parteien lehnen den europäischen Bundesstaat ab. Aber bei den restlichen 36 Thesen sind AfD und ÖkoLinx vollkommen inkompatibel, darum fällt eine Entscheidung leicht. Wenn man schon die Dittfurt braucht, dann ist dieses ganze Brüsseler Konstrukt ein ziemlich antisemitisches Konstrukt. Weg mit dem Dreck!

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