In den letzten zwei Wochen haben ja bereits Roger Letsch, Vera Lengsfeld und Gunter Weißgerber ihre Positionen zur Europawahl dargelegt. Ich möchte hier gerne eine etwas andere Wahlmöglichkeit vorstellen, die auf den ersten Blick so undenkbar erscheinen mag, wie sie auf den zweiten Blick dann doch nur konsequent sein muss. Wen ich zur Europawahl wählen werde: Es ist Jutta Ditfurths ÖkoLinX.
Jutta Ditfurth? Mag jetzt der eine oder andere entsetzt fragen. Ist das nicht die Krawallbürste, die vor zwei Jahren bei „Maischberger“ den CDU-Granden Wolfgang Bosbach mit ihren Statements zu den G20-Demos derart in den Wahnsinn getrieben hat, dass selbiger fluchtartig das Fernsehstudio verließ? Quasi dort ihr eigenes „Welcome to Hell“-Blümchen ins Deutsche Fernsehen pflanzte? Ist das nicht die an Joschka Fischer gescheiterte Fundi-Grüne, die aus Protest gegen die „Rechtsentwicklung“ der Grünen 1991 aus der Partei austrat?
Und ÖkoLinX? Ist das nicht eher eine Ökosekte, die sich um ihren Guru Jutta versammelt? Eine Partei, die überall nur Faschismus sieht? Die Seenotrettung grenzenlos machen will? Die in Deutschland institutionellen Rassismus festmacht? Die sich gegen Kapitalismus, Nationalismus und Militarisierung exponiert? Die einen Sozialismus predigt, der nur im unbedingten Ökologismus aufgehen kann? Oder in den Worten von ÖkoLinX gesagt: Eine Ökologische Linke im „Widerstand gegen die Ausbeutung des Menschen und gegen die Vernichtung der Natur“.
Vom Faschismus-Menetekel zum Kampf gegen BDS
Das mag, je nach eigener politischer Positionierung, alles stimmen oder nicht; und man muss es sicherlich nicht alles inhaltlich teilen oder gar vollständig goutieren. Jedoch ist dort eben ein Punkt, der gerne und vielfältig in der medialen Darstellung verschwiegen wird. Mag Jutta Ditfurth zwar auch noch so viel Faschismus menetekelisieren, so tut sie das eben auch aus einem ihr wichtig erscheinenden Grunde: dem Kampf gegen den Antisemitismus, der nicht nur in ihren zahlreichen Tweets, sondern ebenso in der Darstellung ihrer Partei auf deren Website seinen Widerhall findet.
Im Vorfeld der Europawahl zog Ditfurth so mit einem zweiteiligen Vortragsprogramm durch die Lande. Während der erste Teil sich obigem Parteimotto verpflichtet fühlt und bekannte sozialistische Rhetorik bedient: „Capitalism kills Climate! Für ein Ende der Ausbeutung von Mensch und Natur – warum wir uns vom Kapitalismus befreien müssen“. Hat der zweite Teile eine sehr viel interessantere Ausgestaltung, weil von immenser politischer Aktualität: „Herzl, Lenin, Stalin, UNO, BDS – Wie der ‚linke‘ Antizionismus zum Antisemitismus wurde und sich mit dem christlichen und muslimischen Antisemitismus im BDS vereinigte“.
Im Jahr 2016 schied ÖkoLinX aus der sozialistischen Folklorebewegung „Revolutionäres 1. Mai-Bündnis“ aus, da BDS-Bewegte und Pro-Palästina-Apologeten still und heimlich zu Mitgliedern des Bündnisses wurden. Kommentar von ÖkoLinX dazu:
„Der Boykott ist nur eine Zwischenstufe zum eigentlichen Ziel: der Zerstörung des Staates Israel. Alle Bewohner*innen Israels werden in Kollektivhaftung für die Menschenrechtsverletzungen des Staates, des Militärs und der orthodoxen Siedler*innen genommen. Die antizionistischen Antisemit*innen maßen sich darüber hinaus einen Alleinvertretungsanspruch für alle Palästinenser*innen an und lassen kein kritisches Wort über Raketenangriffe, Selbstmordattentate und Messeranschläge zu […] Und Israel wird dämonisiert wie kein zweiter Staat. Es wird zum Objekt der Wahnvorstellung von einer ‚jüdischen Weltmacht‘, verschärft seit der Weltwirtschaftskrise von 2008ff, und es wird mit dem NS-Faschismus gleichgesetzt.“
Klare Worte gegen die antisemitische Querfront
Als Folge dieses Dissens veröffentlichte die Partei im Jahr 2017 dann ein Positionspapier „für eine aufgeklärte, antiautoritäre linke Position zu Israel und seiner Geschichte und zum Antisemitismus“. Hiermit will ÖkoLinX klarstellen:
„Viele gesellschaftliche Linke haben klare Positionen gegen jedweden Antisemitismus, aber in einigen Teilen der Linken wird das Existenzrecht Israels immer offener in Frage gestellt, in anderen vermeidet mensch gleich die ganze Auseinandersetzung […] Eine besonders üble Rolle spielt dabei eine internationale antizionistisch-antisemitische Kampagne namens BDS (Boycott Divestment Sanctions), die Israel in den Augen der Welt als ‚Schurkenstaat‘ erscheinen lassen will. Die Anführer und Ideologen des BDS sagen seit Jahren offen, dass ihr Ziel die Vernichtung des Staates Israel ist. Aber kaum jemand will es hören.“
Im Papier wird weiter deutlich, wen Ditfurth in Deutschland als Tretlager in dieser neuzeitlichen faschistischen Maschinerie ausmacht. Es seien linke wie rechtsextreme „Querfrontfraktionen“, die sich in der politischen Rechten im „völkischen“ wie „faschistischen Lager“ finden sowie sich in der politischen Linken aus dem „alternativen oder auch linksbürgerlichen Milieus“ rekrutieren. Besonders aber solche „nationale Linke“ aus der Linkspartei, die eine „Querfront“ mit „rechten Ideolog*innen“ eingehen.
Dann steht dort eine Jutta Ditfurth auf
Man kann also bereits an dieser kleinen Auswahl von Zitaten und Referenzen zu ÖkoLinX erkennen, dass sich die Partei sehr klar projüdisch positioniert und auch nicht davor Halt macht, in die politische Linke hinein ihren Kampf gegen Antisemitismus zu tragen. Eine Positionierung, die dementsprechend auch einiges an Widerspruch in einer sonst bis zum Judenpogrom triebgesteuerten Linken erzeugen muss und wird.
Und das ist eben auch meine wesentliche Motivation, dieser Partei meine Stimme zu geben. Eben nicht, weil sie gegen Nationalismus, gegen Faschismus oder gegen Rechts agitiert. Das ist im Meer des staatlich sanktionierten Kampfes „gegen Rechts“ doch eher nur ein marginales Tröpfchen. Nein, es ist die helle Stimme in einer weitestgehend antisemitischen Dunkelheit der politischen Linken in Deutschland, die sich sonst nur in Wohlfühlsprechblasen gegen Antisemitismus ergeht oder gleich den puren Judenhass predigt.
Wenn die EU-Kommission wieder einmal Erzeugnisse israelischer Firmen besonders kennzeichnen will, palästinensische Terroristen oder BDS-Faschisten ungehindert ihren antisemitischen Dünnpfiff im EU-Parlament verbreiten dürfen sowie palästinensische Präsidenten in Reden vor den EU-Parlamentariern Juden unwidersprochen als Brunnenvergifter bezeichnen können und dies von der Europäischen Linken freudetrunken beklatscht wird. Dann steht dort eine Jutta Ditfurth auf und watscht die linken Antisemiten ab, wie es vor zwei Jahren Wolfgang Bosbach in einem anderen Kontext hautnah erleben durfte. Allein, um die dann aufkommende nackte Panik und den anschließenden Fluchtreflex beobachten zu dürfen, wähle ich ÖkoLinX.