Auf die Kündigung des Atomabkommens durch US Präsident Trump reagiert Europa mit einer Zweckgesellschaft, die die Sanktionen des langjährigen atlantischen Freundes und NATO-Bündnispartners zugunsten des iranischen Schurkensystems unterhöhlen. Denn für die Entwicklung der EU-Wirtschaft sind die Umsätze mit dem Iran eigentlich viel zu klein, um relevant zu sein.
Immerhin ist Deutschland mittlerweile gezwungen, selbst Sanktionen gegen die iranische Airline Mahan Air zu verhängen, die sich im Eigentum und unter Führung der iranischen Revolutionsgarden befinden soll. Die Gesellschaft fliegt von Teheran aus München und Düsseldorf an. Bei 65 Flugzeugen und rund 85 Destinationen in 28 Ländern wird sie das verschmerzen können. Grund sollen Attentatspläne und durchgeführte Attentate in Europa gewesen sein.
Mittlerweile begründet die Bundesregierung die Sanktion mit den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, weil “die Airline Ausrüstung und Personen in Kriegsgebiete im Nahen Osten – vor allem nach Syrien – transportiere” meldet dpa. Damit dürfte kaum humanitäre Hilfe gemeint sein. Irgendwie muss das Material für militärische Stellungen des Iran in unmittelbarer Grenznähe zu Israel ja dort hin gekommen sein. Peinlich wäre es, wenn dies nun mit einem der sieben Airbusse geschehen wäre, die Mahan nach Aufhebung der Sanktionen auch gegen Luftfahrzeuge von Virgin Air im Juli 2015 erwarb.
Iranische Stellungen in Syrien richten sich gegen Israel
Mittlerweile hat der Iran sozusagen das Geschäft von Hamas und Hisbollah übernommen und feuert etwa am 21. Januar 2019 eine Rakete von ihren syrischen Stellungen auf Israel. Die wird er aber vielleicht in Zukunft nicht mehr brauchen. „Das Atomabkommen hat das Raketenprogramm von Anfang an ausgespart“, berichtet Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und selbst gebürtiger Iraner. So können die Iraner im verborgenen weiter ihre Atomwaffen und offen neue Raketen entwickeln, die mittlerweile erhebliche Reichweiten erreichen. Beides berichtet der renommierte ehemalige hochrangige NATO-Funktionär Hans Rühle in zwei Beiträgen in der WELT.
Das geheime Atomwaffenprogramm der Iranischen Revolutionsgarden ist ausdrücklich vom Abkommen ausgenommen, ebenso wie das Raketenprogramm, mittlerweile berichtet auch die New York Times, dass der Iran in Sharud Langstreckenraketen entwickelt und 2016 und 17 entsprechende Tests durchgeführt haben soll. Deren Reichweite wird auf 10-16.000 Kilometer geschätzt. Und sie würden dann auch mit Atomsprengköpfen nicht nur Israel, sondern auch Europa oder die USA erreichen. Das Erpressungspotential wäre enorm und Israels Existenz akut bedroht. Die Tatsache, dass weder das militärische Atomprogramm noch die Raketen Teil des Atom-Vertrags sind, erweist sich als schwerwiegender Fehler.
Die Zweckgesellschaft, in der Verstöße durch europäische Firmen gegen amerikanische Subventionen verschleiert werden sollen, ist auch ein schwerer Fehler und ein Anachronismus. Sie nimmt gerade in Paris ihre Arbeit auf und hat einen deutschen Geschäftsführer. Die Briten erledigen als dritte Gesellschafter die Buchhaltung. So sollen die USA europäischen Firmen den Handel mit dem Iran mit Hilfe der europäischen Staaten nicht nachweisen können (näheres zu Sanktionen und Handelspolitik siehe auch hier).
Die Europäer fördern damit ein Land, das die Existenz Israels aggressiv gefährdet, in der Region nach Gaza (Hamas), Libanon (Hisbollah) und nun eigenen Stellungen in Syrien nicht nur Israel förmlich umzingelt, sondern diese Länder förmlich im eigenen Sinne destabilisieren.
Allerdings ist die Veranstaltung wahrscheinlich eine Totgeburt. Für die Unternehmen bleibt das ganze wegen bescheidener Umsätze hoch riskant. Das erlebt gerade die Finanzchefin des chinesischen Konzerns Huawei, die insbesondere wegen dem Verstoß gegen US-Sanktionen gegen den Iran schon seit geraumer Zeit in kanadischer Auslieferungshaft befindet.
Regime steht mit dem Rücken zur Wand
Die ökonomische Lage im Iran ist desolat, berichtet Djir-Sarai. Das liegt nicht nur an den Sanktionen sondern hauptsächlich an Korruption und Mißmanagement. Unter den 180 Ländern, deren Korruption Transparancy International misst, steht der Iran auf Platz 130 von 180. Zum Vergleich: Der ebenfalls nicht besonders saubere Konkurrent Saudi-Arabien steht auf Platz 57.
Bis auf sehr kleine Unternehmen ist fast die ganze Ökonomie unter der Kontrolle des iranischen Staates. Die Unternehmen sind entweder verstaatlicht, gehören zu religiösen Stiftungen oder den Revolutionsgarden. Hier gehören sozusagen die Betriebe den Betriebskampfgruppen, das ist der signifikante Unterschied zu DDR oder Sowjetunion: Einerseits verteidigen sie ihr Eigentum viel verbitterter als die Betriebskämpfer und andererseits können sie sich aus den Umsätzen und Gewinnen der Unternehmen wohlfeil finanzieren. Das erklärt auch die ungeheure Brutalität, mit denen auch die Revolutionsgarden mit Enduros und Gewehren 2009 bei der niedergeschlagenen Revolution gegen das eigene Volk scharf schossen. Sie hatten etwas zu verlieren.
Ein erheblicher Teil der Wertschöpfung liegt in den Händen der staatlich kontrollierten “religiösen Stiftungen”, die ihre Erlöse karitativen Zwecken widmen sollen. Es handelt sich gewissermaßen um die islamische Version der DDR-Kombinate, in der es kein Anreiz für den Einzelnen gibt, zum Wohl des Gesamtunternehmens beizutragen. Ein fruchtbarer Boden, auf dem Korruption gedeiht.
Mittlerweile sind Proteste gegen die wirtschaftliche Situation an der Tagesordnung. “LKW-Fahrer bekommen keinen Lohn, Beamten werden keine Gehälter gezahlt, Strom und sauberes Wasser fehlen”.” (Früher richteten sich solche Proteste auch gegen die abnehmenden Subventionen der Lebensmittel- und Ölpreise, die seit etwa 2010 reduziert wurde. Weil der Iran zu wenig Treibstoffe für den eigenen Energieverbrauch aus dem geförderten Erdöl herstellte, mussten die sogar importiert werden. Das war eine fortwährende Quelle der Inflation, die bei rund 10 Prozent liegt und der Abwertung der eigenen Währung. „Mittlerweile nehmen diese Proteste, die man alltäglich bei Facebook oder Instagram verfolgen kann, zu“, sagt Djir-Sarai. „Solange sie nicht das politische System herausfordern, lässt man sie gewähren.“
Wie in vielen Ländern, wo die Regime sich durch Rohstoffe finanzieren, ist die eigene Bevölkerung eigentlich egal, weil die Elite nicht auf das Steuersurrogat angewiesen ist. Im Iran benötigt sie jedoch zusätzliche Mittel zur religiös motivierten Expansionspolitik. Eine marktwirtschaftliche Reform würde zwar die Lebenssituation der Menschen verbessern, wäre aber mit einem Machtverlust der Mullahs verbunden. “Kein iranischer Politiker hat große Lust, als iranischer Gorbatschow in die Geschichte einzugehen” (Djir-Sarai). Mit der Aufhebung der Sanktionen wurde so eine zusätzliche Finanzierungsquelle für diesen Kampf erschlossen. Auch aus diesem Grund ist das verbohrte Festhalten an dem Atomabkommen seitens der Europäer schwer verständlich.
Religiös-Politisch bleibt das Regime grausam und unerbittlich
Das Kopftuch ist das Symbol der islamischen Revolution. Doch viele Frauen begehren seit Jahren immer wieder dagegen auf, es tragen zu müssen. Genaue Zahlen sind nicht verlässlich zu eruieren, weil eine entsprechende Statistik nicht geführt wird. In der Berichterstattung wird von zweijährigen Haftstrafen berichtet, in einem konkreten Fall sogar von zusätzlich 18 Jahren Bewährung im Wiederholungsfall. Die Frauenbewegung der “Straße der Revolution” ist jedenfalls ein erhebliches Indiz dafür, dass Proteste gegen die religiös-politisch motivierten Beschneidungen von Menschenrechten immer weniger hingenommen werden.
Amnesty International hat 2017 rund tausend Hinrichtungen weltweit dokumentiert, die Hälfte davon entfallen auf den Iran (507). 2005 waren es “nur 94”, 2015 waren es aber schockierende 977. Die meisten Todesurteile werden wegen Drogendelikten vollzogen, etwa ein Drittel wegen Mordes, 9 Exekutionen von Frauen sind dokumentiert. 2018 wurde eine Frau wegen Mordes hingerichtet, die sich gegen den Mißbrauch durch ihren Mann und die Vergewaltigung durch seinen Schwager gewehrt hat. In einem weiteren Fall wurde eine junge Frau ebenfalls hingerichtet, weil die sich gegen ihren Vergewaltiger so weit gewehrt hatte, dass der daran starb. Im Januar 2019 wurde ein Mann öffentlich hingerichtet, weil er homosexuell war. Er soll vermeintlich zwei minderjährige Männer vergewaltigt haben. Die Rechtmäßigkeit des Urteils und die Richtigkeit des Tatvorwurfs wird von mit der Situation vertrauten Bürgerrechtlern bestritten.
Auch für Regimekritiker drohen Haftstrafen. Und für die unmenschlichen Haftbedingungen ist der Iran weithin bekannt. Spätestens seit dem “Mykonos-Attentat” vom 17. September 1992”, bei dem der iranische Geheimdienst vier iranisch-kurdische Politiker hinrichten ließ und zwei weitere Personen schwer verletzt wurden, ist bekannt, dass auch außerhalb des Landes Oppositionelle und Exilpolitiker um ihr Leben fürchten müssen. Deshalb ist auch gut vorstellbar, dass der wahre Grund für die Sanktionen gegen Mahan Air in Zusammenhang mit Attentatsplänen und möglichen Terroranschlägen steht.
Deutsche Politik mehr als peinlich
Die Einstellung der deutschen und Europäischen Außenpolitik ist kaum zu verstehen und noch schwerer zu ertragen. Das Atom-Abkommen war eine reine Alibi-Veranstaltung, über die das dortige Regime nur herzlich lachen kann. Die Waffenprogramme, von denen die wahre Gefahr ausgeht, sind nicht Gegenstand dieses Abkommens, sondern explizit ausgenommen. Insbesondere die Aufhebung der Sanktionen kennt nur einen Profiteur: Das Regime, das durch den Verkauf von Rohöl zu neuen Geldern kam. Die setzte es aber nicht zur Verbesserung der ökonomischen Lage des Volkes ein, sondern sie flossen an Terrororganisationen und wurden zur Unterstützung der Revolutionsgarden und des Repressionsapparates verwendet. Dass eine deutsche “Wirtschaftsdelegation” unter Federführung des damaligen Außenministers Gabriel als erste beim Regime um Aufträge bettelte, erscheint im Nachhinein mehr als peinlich.
Djir-Sarai fordert deshalb die Entwicklung einer neuen und umfassenden EU-Strategie auch für Iran und Syrien.
“Wenn wir Frieden und Sicherheit haben wollen, müssen wir neue Antworten auf die Atomfrage, das Raketenprogramm und die Außenpolitik finden und auch die Sicherheitsinteressen Europas und Israels berücksichtigen. Das militärische Atomprogramm und das Raketenprogramm muß Gegenstand eines solchen Abkommens sein.”
Die FDP hat auch im Bundestag beantragt, dass Deutschland und die EU sich finanziell an der Entwicklung einer Nachkriegsordnung Syriens beteiligt. ”Dieses Engagement wird an glasklare Kriterien geknüpft. Versöhnung, einen Verfassungsprozess, die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge, die die Chance haben müssen, sich am Aufbauprozess im eigenen Land beteiligen und den Rückzug des Irans aus Syrien” sagt Djir-Sarai.
Vor allem müssen wir aber unsere Einstellung gegenüber dem Iran ändern und die Missstände benennen, die vorhanden sind. Zwei Maßstäbe für dasselbe Unrecht kann sich keiner leisten. Während wir hierzulande #metoo feiern und gendergerechte Sprache wollen, können wir der Mißachtung der sexuellen Selbstbestimmungs- und Frauenrechte nicht tatenlos zusehen. Und wenn wir unser Engagement für Israel ernstnehmen, müssen wir seine Bedrohung durch den Iran bekämpfen. Sonst werden auch wir am Ende durch Erpressbarkeit bestraft.