Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am Dienstag, den 30.7.2019, die Bankenunion für verfassungskonform erklärt, womit es seit 2012, als es den ESM nicht verhinderte, konsequent die Eurorettung als verfassungskonform einschätzt. Es ist nicht zu erwarten, dass es diese Haltung kurzfristig ändern wird. Nun sind wir Bürger einem Steuermitteltransfer innerhalb der Eurozone in tausendfacher Milliardenhöhe ausgeliefert, denn unser Parlament, das eigentlich die Hoheit über die Steuermittel innehat, hat sie verloren: Wir leben im Zustand einer “taxation without representation”, die jeglichem historischen Beispiel spottet. Wie ist es in einer Demokratie so weit gekommen?
“Der Euro als Währung ist gescheitert.”, sagte der Hauptgründer der AfD, der Makroökonom Bernd Lucke, bereits 2014, und er hatte damit recht: gescheitert, wie alle von oben gegen die historisch gewachsene Realität geplanten sterilen Elite-Institutionen. Vergleichbare Großprojekte, bei denen Eliten sich dazu berechtigt fühlten, gegen die “volonté de tous” (Rousseau) der ganz normalen Menschen eine von den Herrschenden (heute: den Amtsträgern) definierte “volonté générale” (auch Rousseau) planen und umsetzen zu müssen, ist beispielsweise die Lateinische Münzunion und im weiteren Sinne auch die Staaten Jugoslawien, UdSSR oder neuerdings das sozialistische Venezuela. Solche Pseudo-Institutionen und planerischen Staatsprojekte funktionieren mittelfristig nicht, weil Vergesellschaftung nicht planbar ist und nur solche Institutionen erfolgreich sind, die spontan entstandene Vergesellschaftungsmuster nutzen, wie etwa Schulen, Universitäten und Gerichte – und auf staatlicher Ebene historisch gewachsene Ordnungen. Doch selbst wenn das Scheitern von Pseudo-Institutionen bereits klar sichtbar und messbar ist, wird der echte Zusammenbruch, das Ende der gescheiterten Institution, ihr Tod, von deren elitären Trägern so lange wie möglich negiert, kaschiert, verschleppt und hinausgezögert. Denn an diesen Institutionen hängt ihre Macht.
So ist es auch beim Euro. Er ist gescheitert, und befindet sich, wie an der Bilanz der EZB ersichtlich ist, bereits im Multiorganversagen. Denn das System zwingt Länder mit Handelsbilanzungleichgewichten in einen Währungsraum, was unweigerlich dazu führt, dass Exportüberschussländer wie Deutschland Kapital in die Importüberschussländer wie Italien transferieren müssen, was H.-W. Sinn umfänglich aufgezeigt hat. Seit zehn Jahren, seit der (die ganze Zeit über verschleppte) Staatskonkurs Griechenlands die Eurokrise ausgelöst hat, tun sie das aber nicht mehr aus freien Stücken. Daher pumpen die Euro-Staaten das Geld nun zwangsweise in die Importüberschussländer, mittlerweile sind es deutlich über 5.000 Milliarden EUR, die i.W. durch ESM, EFSF, TARGET-Salden und die Wertpapierkäufe der EZB zwangsweise an diese Länder verliehen worden sind.
Wenn der Euro endgültig tot ist, werden dafür die Steuerzahler nach einem noch unklaren Schlüssel haften; die Gewinne aus den Geschäften der Exporteure hingegen werden die ganze Zeit über weitgehend privatisiert. Doch diese massiven Zwangstransfers reicht nicht, da die zugrundeliegenden Ungleichgewichte der Euro-Zone (Handelsbilanzungleichgewicht, Produktivitätsmangel der Überkonsumländer) nicht gelöst wurden und der Überkonsum weitergeht: Wie ein Junkie braucht das Euro-System immer weitere Transfermittel, jeder netto überkonsumierte Euro muss zwangserliehen werden. Da die Verursacher der Importüberschüsse, überkonsumierende Unternehmen und Staaten, sich das Geld dafür bei ihren nationalen Banken leihen, befinden sich in deren Bilanzen riesige Mengen fauler Kredite und Anleihen, die niemals zurückgezahlt werden können.
Schwerer zu begreifen als eine offene Finanzunion
Unweigerlich müssen deswegen früher oder später Banken in die Insolvenz gehen, nämlich dann, wenn ihre Eigenkapital nicht mehr reicht, um die aus den wegen der Nullzinspolitik der EZB schwächelnden Kapitalanlagen erwirtschafteten Verluste oder die Ausfälle von Krediten zu decken oder das Wegbrechen von Eigenkapital zu verkraften. Letzteres tritt auf, wenn ihnen die Einleger oder Shareholder davonlaufen, weil sie Angst um ihre Ersparnisse oder ihre Investitionen haben. In den ersten beiden Fällen gehen die Einlagen der Sparer bei den Banken mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz, im dritten Fall teilweise (bei denjenigen, die zu spät zur Bank rennen) verloren. Die Sparereinlagen beliefen sich 2014 in der EU auf etwa 5.500 Milliarden Euro.
Um den im Euro systemimmanenten Überkonsum weiter zu finanzieren, stehen theoretisch folgende wesentliche Instrumente zur Verfügung: Gemeinsamer Sozialstaat – eine Forderung von Habermas, Merz und anderen, gemeinsame Steuern – eine Forderung von Macron und Habermas und eine sogenannte Bankenunion. Gemeinsamer Sozialstaat oder Steuern (offene Finanzunion) werden von den Souveränen Europas, den Wahlbevölkerungen der Nationalstaaten, vehement abgelehnt, weil jedem einfachen Bürger klar ist, was das bedeutet, nämlich ein totales Ende der fiskalischen Souveränität. Vergleichbare Entwicklungen haben zum englischen Bürgerkrieg Mitte des 17. Jahrhunderts und 1776 zum Abfall der Kolonien, aus denen dann die USA wurden, von ihrem Kolonialherren, dem Vereinigten Königreich, geführt (“no taxation without representation”).
Daher hat man sich im Kreis der EU-Eliten auf die Bankenunion geeinigt. Sie ist schwerer zu begreifen als eine offene Finanzunion, hat aber ein extrem hohes Transferpotenzial, weshalb man sich von ihr verspricht, den Euro idealerweise so lange zu finanzieren, bis eine endgültige offene Transferunion möglich wird. Wie funktioniert die Bankenunion?
Wenn die durch faule Aktiva (vereinfacht: Finanzmittelverwendung) maroden Banken ihr Schicksal ereilt, muss der Staat die Banken retten oder geordnet abwickeln, damit es nicht zu einem Ausfall des Zahlungssystems und einer Kernschmelze des Finanzsystems mit Kontraktion der Realwirtschaft kommt. Bei der Abwicklung müssen die Gläubiger der Bank mit dem höchsten Anspruch auf Rückzahlung ihres Fremdkapitals zuerst bedient werden: die Einleger (Sparer), dann erst andere Fremdkapitalgeber (wie andere Banken, nachrangige Darlehen). Eigentlich sind dafür die überkonsumierenden Staaten zuständig, doch sind sie dazu schon lange nicht mehr in der Lage: Ihnen fehlt die Kreditwürdigkeit, um als “lender of the last resort” am Anleihenmarkt auftreten zu können und Geld für die Bankenrettung aufzubringen: Dies war ein wesentlicher Faktor bei der Auslösung der Euro-Krise, der zur Idee der Schaffung einer EU-Bankenunion geführt hat.
Daher soll die Abwicklung vergemeinschaftet werden, de facto sollen die noch kreditwürdigen Länder für die Rettung der Einlagen der Banken der überkonsumierenden Länder zahlen. Es wurden 2014 bei der Schaffung der Bankenunion folgende Komponenten vorgesehen und teilweise bereits realisiert: eine einheitliche Bankenaufsicht durch die EZB – SSM (single supervisory mechanism) und SRM (single resolution mechanism), bestehend aus einer einheitlichen Abwicklung maroder Banken mit Hilfe des SRB (single resolution board) und einer gemeinsame Einlagensicherung, SRF (single resolution fund), also eine Garantie der Einlagen durch alle an der Bankenunion beteiligten Staaten. Der SRF soll bis 2024 mit 55 Mrd. EUR Mitteln der Banken ausgestattet werden (1 Prozent der Einlagen im Jahr 2014).
Der SRM soll es im Extremfall ermöglichen, über die Bankenunion die Nettosumme aller gefährdeten Einlagen der Banken in die überkonsumierenden Länder zu transferieren – denn obwohl auch Banken überexportierender Länder gefährdet sind, wäre der Nettoeffekt ein massiver Kapitaltransfer von den Überexporteuren zu den Überkonsumenten – das ist, wie wir oben gesehen haben, der tiefere Sinn der Bankenunion. Scheinbar entsteht ein finanzpolitisches perpetuum mobile, da marode Banken beliebig weiter faule Kredite vergeben und aufrechterhalten sowie weitere Staatsanleihen mit Junk-Status kaufen, dabei aber der Rettung der Sparereinlagen stets sicher sein können. Und so ist es auch, die Banken im Euro-Raum haben im Mittel 10 bis 15 Prozent fauler Kredite in ihren Aktiva, in Griechenland lag die Quote 2018 bei 43 Prozent, in Deutschland dürfte sie aktuell 10 bis 15 Prozent betragen. Bei diesen Quoten sind die faulen Staatsanleihen, die sie halten, noch gar nicht eingerechnet.
Prof. Markus Kerber, der Prozessbevollmächtigte, der das Plädoyer zur Klage gegen die Bankenunion verfasst hat, argumentiert wie folgt, dass die Union verfassungswidrig ist: Falls die SRF-Mittel, über die die BRD die Kontrolle vollständig verliert, nicht zu Rettung ausreichen (was sehr wahrscheinlich ist, 55 Milliarden sind nur ein Prozent der geschützten Einlagen, und die Probleme der Banken sind enorm, deutlich mehr als ein Prozent der Banken sind konkursgefährdet, wahrscheinlich mindestens 20 Prozent), müssen die Mitgliederstaaten nachzahlen, der Bedarf könnte sich in einer echten Bankenkrise schnell auf tausende von Milliarden Euro belaufen. Das SRB soll sogar in der Lage sein, weitere finanzielle Mittel über “öffentliche Finanzkonstruktionen” von den Euroländern zu rekrutieren.
Dies gefährdet die Finanzstabilität, weil riesige Verpflichtungen auf die BRD zukommen können, über die der Nationalstaat keine Kontrolle mehr ausüben kann. Damit habe die BRD “Hoheitsrechte auf einem so souveränitäts-sensitiven Gebiet wie der Finanzstabilität” aufgegeben, was ein krasser Fall eines Ultra-vires-Akts (Entscheidung außerhalb der Entscheidungskompetenz des Entscheiders) bedeute. Die Finanzstabilität ist aber als wesentliche Komponente der Eigentumsgarantie des Staates eine seiner zentralen hoheitlichen Aufgaben, die dieser nicht abgeben kann. Daher ist die Bankenunion verfassungswidrig.
Weiterhin betont Kerber den Interessenkonflikt der EZB als Träger des SSM. Da die EZB Banken beaufsichtigen soll, die gleichzeitig ihr Debitor sind, besteht die Gefahr, dass die EZB die Situation der Banken besser beurteilt, als sie ist, um keine Abschreibungen auf ihre Aktiva vornehmen zu müssen, was unbedingt verhindert werden soll, damit die Märkte ruhig bleiben.
Seit 2009 kaufen EZB und nationale Banken in deren Auftrag öffentliche und private Wertpapiere mit Hilfe diverser Ankaufprogramme. Dadurch hat sich die Bilanz der EZB auf über 4.500 Milliarden Euro aufgebläht, auf das dem Ankauf von Staatsanleihen gewidmete PSPP alleine entfallen etwa 2.000 Milliarden Euro. Auf der Passivseite (vereinfacht: Finanzmittelquelle) steht im Wesentlichen aus dem Nichts geschaffenes Geld, das die EZB elektronisch gedruckt hat. Die offizielle Begründung dafür ist die Ankurbelung der Inflation auf einen Wert von zwei Prozent, der – abgesehen davon, dass dieses Ziel an sich äußerst fragwürdig ist – jedoch nicht erreicht wird.
In Wirklichkeit geht es bei den Staatsanleihenkäufen einzig um die im AEUV eindeutig verbotene Monetarisierung von Staatsschulden zur Finanzierung des Importüberschusses der überkonsumierenden, an Produktivitätsmangel und hoher Arbeitslosigkeit leidenden Länder. Um die direkte monetäre Staatsfinanzierung zu umgehen, werden die Anleihen am Sekundärmarkt gekauft, doch gibt es den entsprechenden Primärmarkt nur deswegen! Denn die Privatbanken würden beispielsweise italienische Staatsanleihen ohne Nachfrage durch die EZB nicht im erforderlichen Ausmaß kaufen.
Das Programm zum Ankauf privater Unternehmensanleihen (CSPP) soll ebenfalls die Inflation befördern, führt aber dazu, dass der Staat als selektiver Fremdkapitalgeber für Großunternehmen auftritt, während kleine und mittlere Unternehmen vom Programm praktisch ausgeschlossen sind und bei der Kapitalbeschaffung benachteiligt werden. Letztlich betreibt die EZB mit diesem Programm eine partielle, auf die Privilegierung von Konzernen gerichtete Verwirklichung der Forderung von Marx und Engels im Kommunistischen Manifest zur Verstaatlichung des Kreditwesens.
Das wichtigste ist aber Folgendes: Fallen Wertpapiere, die die EZB hält, aus, haftet dafür über die nationalen Notenbanken der Steuerzahler der Euro-Mitgliedsländer. Der überwiegende Teil der Haftung im Euro-System liegt nun in der EZB-Bilanz, gefolgt von TARGET-Salden und dem ESM.
Die Wertpapierkäufe sind verfassungswidrig, weil die EZB dabei eine Haftungssumme von mehreren tausend Milliarden Euro erzeugt, ohne dass unser Parlament, das laut Verfassung die Fiskalhoheit hat und diese auch nicht an einen supranationalen Körper abgeben kann, dies beeinflussen kann. Die EZB ist kein Verfassungsorgan der BRD. Ein Großteil der Haftungssumme wird sich materialisieren, da die Überkonsumländer der Eurozone uns gegenüber Exportüberschüsse erwirtschaften müssten, um die Schulden zurückzuzahlen. Das ist aber so gut wie ausgeschlossen.
Am Ende werden wir alle enteignet werden, doch ist eine der wichtigsten Funktionen des Staates die Garantie des Privateigentums. Diese Garantie wird durch alle zur Rettung des Euro eingesetzten Mittel gebrochen. Die Eurorettung ist eindeutig und in mehrfacher Hinsicht verfassungswidrig.
Verfassungskonform ist, was das BVerfG dafür hält. Das galt so lange, bis das Gericht in der Euro-Frage eindeutig begonnen hat, die Verfassung gegen die Bürger auszulegen. Warum tut es das? Eine Ablehnung der Schuldenvergemeinschaftung und des Mitteltransfers innerhalb der Euro-Zone würde deren rasches Ende bedeuten. Doch das an der EZB-Bilanz und den Target-Salden eindeutig ablesbare Scheitern des Elite-Projekts soll mit allen Mitteln bis zu seinem endgültigen Tod kaschiert werden. Denn es geht um Macht. Dafür sind die Richter des BVerfG sogar bereit, mit fadenscheinigen Begründungen in diesem Bereich die Gewaltenteilung zu beendigen, die ja eigentlich uns Bürger vor dem Machtmissbrauch der Amtsträger schützen soll: Sie heißen politisches Handeln für verfassungskonform, welches die Verfassung eindeutig bricht.
Schon heute enteignet das Euro-System die Bürger, weil wir über die TARGET-Salden, das ist ein nicht-verzinster hochriskanter Kredit ohne Besicherung, die Exportgewinne der Eurosystem-Exporteure bezahlen und die Verzinsung unserer Kapitalanlagen (wie etwa Lebensversicherungen oder Rentenfonds) durch die Zinspolitik der EZB massiv reduziert oder annulliert wird.
Gleichzeitig wächst bis zum endgültigen Tod des Euro-Systems mit EZB-Bilanz und TARGET-Salden die Haftungssumme weiter, die auf uns Bürger zukommt. Wenn es soweit ist, zerbricht das Euro-System, und es wird die EU mit sich fortreißen. Zurückbleiben werden tief zerstrittene, bankrotte Staaten, die ihre Bürger massiv enteignen müssen, um sich zu refinanzieren. Das Ende wird, wie bei allen der Realität der Lebenswelt entgegengesetzten Elite-Projekten, scheußlich.