Martina Binnig, Gastautorin / 29.03.2023 / 12:00 / 61 / Seite ausdrucken

EU schießt sich mit Verboten ins eigene Bein

Die EU ist ein supranationaler Machtapparat geworden, der regelrecht besessen nach Regulierung und Verboten lechzt, wie viele Beispiele zeigen. Nun könnte sie über ihr eigenes Verbot stolpern. 

Ausgerechnet der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments könnte den Umstieg auf Wärmepumpen bremsen, auf den Habeck setzt, wenn ab 2024 keine neuen Gas- oder Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Denn der Ausschuss hat bereits am 1. März für einen raschen Ausstieg aus der Verwendung von fluorierten Kältemitteln, die bei den meisten Wärmepumpen verwendet werden, gestimmt. So berichtet das Nachrichtenportal euractiv, dass das Verbot von Geräten, die sogenannte F-Gase enthalten, zu einem Engpass bei Wärmepumpen führen könnte. Dabei spielen Wärmepumpen auch im REPowerEU-Plan der EU eine entscheidende Rolle, durch den das Ziel der europäischen Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden soll. Mit anderen Worten: Die EU schießt sich ins eigene Bein.

Anlass genug, um sich einmal mit dem bunten Reigen weiterer EU-Verbote zu beschäftigen, die in Rechtsakten wie Verordnungen und Richtlinien festgehalten sind. Eine Verordnung ist ein verbindlicher Rechtsakt, den alle EU-Länder unmittelbar in vollem Umfang umsetzen müssen. Steht eine Verordnung im Konflikt mit einem nationalen Gesetz, so hat die Verordnung Vorrang. In einer Richtlinie wird ein Ziel festgelegt, das zwar auch von allen EU-Ländern erreicht werden muss, doch es ist Sache der einzelnen Länder, eigene Rechtsvorschriften zur Verwirklichung dieses Ziels zu erlassen. Aktuell beschäftigt sich die EU also u.a. mit der Regulierung der PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), die auch Ewigkeitschemikalien genannt werden, da sie sehr stabil sowie wasser-, schmutz-, und fettabweisend sind.

Mit PFAS wird eine Gruppe von mehr als 10.000 Chemikalien bezeichnet, die beispielsweise für Outdoor-Ausrüstungen, Kochgeschirr, schmutzabweisende Teppiche, Nahrungsmittelverpackungen oder eben auch in Wärmepumpen eingesetzt werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht die angekündigten Maßnahmen der EU jedoch kritisch, da die breite Regulierung ganzer Stoffgruppen, unabhängig vom tatsächlichen Risiko der einzelnen Substanzen, nicht angemessen sei. Laut einer Pressemitteilung der EU-Kommission vom 23. März läuft nun bis zum 25. September dieses Jahres eine Konsultation der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Wer mehr dazu wissen möchte, kann am 5. April von 11 bis 13 Uhr über die ECHA-Homepage an einer Online-Informationsveranstaltung teilnehmen.

EU gefährdet Krabbenfischerei

Ebenfalls aktuell ist der am 21. Februar dieses Jahres veröffentlichte „EU-Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung mariner Ökosysteme für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei“, der u.a. ein Verbot von Grundschleppnetzen in Schutzgebieten vorsieht. Hier formiert sich jedoch breiter Widerstand wie etwa bei der Agrarministerkonferenz in Büsum vergangene Woche. Denn ein pauschales Verbot würde das Ende der Krabbenfischerei an der Nordseeküste bedeuten. Der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, Dirk Sander, kommentierte die EU-Pläne wie folgt: „Du kannst keine Krabbe im Wattenmeer und wo auch immer mit Netzen fischen, die nicht am Grund sind. Angeln kann man sie auch nicht.“ 

Ähnlich verhält es sich mit den EU-Vorgaben für die Landwirtschaft wie etwa in der Verordnung für Düngemittel und dem Entwurf einer Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. In den Niederlanden, wo die Regierung schon besonders rigide Stickstoff-Maßnahmen vorgelegt hat, fällt der Protest der Landwirte entsprechend massiv aus, denn etwa 30 Prozent der Vieh-Betriebe stünden vor dem Aus, wenn die Landwirtschaft – wie gefordert – ihren Ausstoß an Stickstoffverbindungen tatsächlich bis 2030 um 50 Prozent reduzieren würde.

Die „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) gehört auch laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft „zu den wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik“. Dafür sind sieben Öko-Regelungen formuliert worden (Achgut berichtete), deren Ziel wiederum die angestrebte Klimaneutralität ist.

Deindustrialisierung, Verarmung und Unfreiheit

Die ideologische Fixierung auf CO2-Emissionen ist auch Hintergrund für das im Moment noch umstrittene EU-weite Verbrennerverbot ab 2035 (Achgut berichtete hier bzw. hier) und für die Transformation des Gebäudebestands in Nullemissionsgebäude bis 2050. Dagegen wecken die klassischen EU-Verbote wie etwa die Glühbirnenverordnung von 2009 , die Bananenverordnung von 1995 oder die Gurkenverordnung der Kommission von 1988 geradezu nostalgische Erinnerungen: Was waren das noch für harmlose Zeiten! Man hat drüber gelacht, den Kopf geschüttelt und ist weiter seines Weges gegangen. Ein paar Jahrzehnte und etliche Verordnungen später bleibt einem das Lachen nun allzu oft im Hals stecken. Die Zeichen stehen auf Deindustrialisierung, Verarmung und Unfreiheit.

Nichts bleibt mehr unreguliert: Seien es Kryptowährungen, große Fernseher oder Kaffeekapseln. Und wie geht es nun mit den Wärmepumpen weiter? Möglicherweise werden natürliche Kältemitteln subventioniert, oder es wird Ausnahmeregelungen geben für Importe von Wärmepumpen nach Europa, um das Erreichen der REPowerEU-Ziele der EU nicht zu gefährden. Sicher ist nur, dass der Einfluss der EU auf die Heizsysteme selbst in Hinterposemuckel immens ist. So teilt auch der Bundesverband Wärmepumpe e.V., der wiederum zu den Gründungsmitgliedern der European Heat Pump Association (EHPA) gehört, auf seiner Webseite mit: „Energiepolitik wird maßgeblich von der Europäischen Union mitbestimmt.

Hier werden unter anderem Ausbauziele für Erneuerbare Energien sowie Maßnahmen zur Reduzierung von Energieverbräuchen und Treibhausgas-Emissionen vereinbart. Auch direkt für Verbraucher sichtbare Regelungen werden durch die EU getroffen, z.B. zum Energielabel, mit dem die Energieeffizienz von Heizsystemen gekennzeichnet wird. Auf EU-Ebene beschlossene Richtlinien, Gesetze und Verordnungen müssen in Deutschland verpflichtend umgesetzt werden.“ Das klingt nicht gerade beruhigend.

 

Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Foto: Pixabay

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Leo Hohensee / 29.03.2023

Zitat: “Steht eine (EU-) Verordnung im Konflikt mit einem nationalen Gesetz, so hat die Verordnung Vorrang. ........ ” Welch eine Entmündigung, welch eine Entrechtung, welch ein Verstoß gegen die Souveränität der Mitgliedsvölker? Nur - solche “Überermächtigung”/ Selbstermächtigung ist nicht vom Himmel gefallen. Ich mag den Ausdruck eigentlich nicht aber er trifft ins Schwarze - die “Abrissbirne” stand am Dirigentenpult und hat den Taktstock geschwungen. Zerstörung bis ins hinterste Eck ist das Ziel der “Musik”!! Die Dame wurde vier mal gewählt und hat ihren Auftrag “... zum Wohle des dt. Volkes .... ” in jeder denkbaren Weise missachtet und gegen diesen Auftrag rechtsmissbräuchlich verstoßen. Wir sollten sie vor Gericht stellen ....

T. Merkens / 29.03.2023

Bei der Überschrift dachte ich, die EU hätte versehentlich Idioten verboten.

Boris Kotchoubey / 29.03.2023

In einem totalitären polituschen System ist es NORMAL, und KEIN Fehler, wenn Verbote einander widersprechen. Das sollen sie sogar! Wären die Verbote konsequent, so könnte der Bürger das System durchschauen und Verbote umgehen. Das Ziel ist, dies unmöglich zu machen. Wenn verboten wird, ein Haus ohne Wärmepumpe zu bauen, und gleichzeitig verboten wird, Stoffe zu benutzen, die für die Wärmepumpe notwendig sind, dann ist jede Handlungsweise illegal. Dazu ein Witz aus den vergangenen (und künftigen) sozialistischen Zeiten, wahrlich ein Prophetenwitz: Einer kommt zum Rechtsanwalt und fragt: “Genosse Anwalt, habe ich Recht auf…” - “Ja, haben Sie!”, unterbricht der Anwalt. Der Mandat ist überrascht und fragt nach: “Aber ich wollte nur wissen, ob ich darauf Anspruch habe…” - “Ja, haben Sie!”, unterbricht der Anwalt wieder. - “Doch Sie haben mir nicht zugehört, Genosse Anwalt, Meine Frage war: Darf ich…” - “Nein, dürfen Sie nicht.”

Michael Neus / 29.03.2023

Früher war ich EU Gegner.. Heute bin ich EU Hasser…!

Burkhard Mundt / 29.03.2023

Die EU ist ein Tanzsaal für zuviele drittklassige und unfähige (man erinnere sich an die infantilen Teletubbies der Grünen) Politiker, die über mehr Macht verfügen, als die gewählten Regierungen ihrer Mitgliedstaaten. Denn die EU kann Unionsrecht mit Sanktionen, zB Subventionsgeldersperre oder Vertragsstrafen, durchsetzen. Aus den früher verlachten Politkaspern sind Politmonster einer ebensolchen Organisation geworden. Auch in Form des EUGH.

Oliver Beck / 29.03.2023

Ich finde ja auch, dass in der EU einiges schief läuft, aber einige Leser hier scheinen irgendwo in der Steinzeit hängengeblieben zu sein, wenn sie sich z.B. über zu schwache Staubsauger beschweren. Die haben bestimmt damals gerufen: “Rettet das FCKW”

Vera Roth / 29.03.2023

Es gab auch mal eine Verpflichtende 3% Hürde bei der Staatsverschuldung, die Deutschland als erstes Land überschritten hat, wenn ich mich richtig erinnere. Ich hoffe auf viel Lärm um wenig! herzliche Grüße

Rene Günter / 29.03.2023

Ich möchte daraus nicht den Dexit ableiten. Denn wir können froh sein, wenn wir uns eines Tages noch in ein anderes EU Land flüchten können, weil der ureigene deutsche Wahnsinn nicht mehr auszuhalten ist und das Zielland die ganzen EU Richtlinien nur als Papiertiger ansieht und faktisch nicht beachtet. Die rechtsliberalen Parteien in den Mitgliedsländern werden immer stärker. Holen wir uns die EU zurück von den ganzen Technokraten, Demokratieverächtern und verkopften Weltverbesserern!

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