Der hektische Versuch der EU-Kommission, den Schaden, den sie durch ihre Deindustrialiserung anrichtet, durch neue planwirtschaftlich gesteuerte Industriezweige wieder wett zu machen, kostet zusätzliche Milliarden von den Steuerzahlern.
Gleich drei aktuelle Pressemitteilungen der EU-Kommission werfen ein bezeichnendes Licht auf die Bemühungen der Kommission, die katastrophalen Folgen ihrer zerstörerischen Green Deal-Politik dadurch zu verschleiern, dass sie gigantische Summen an Fördermittel verschleudert. Zur Kasse gebeten für den „Green Deal“, durch den der europäische Kontinent bis 2050 „klimaneutral“ sein soll, werden die EU-Bürger – wobei es bei fortgesetzter Deindustrialisierung an die Substanz gehen wird. Profitieren werden – zumindest kurzfristig – diejenigen Unternehmen und deren Investoren, die sich folgsam auf die EU-Vorgaben einlassen.
Am 21. Oktober verkündete die Kommission nämlich, dass sie sich für mehr Deep-Tech-Innovationen mit „Risikokapitalgebern“ zusammenschließt. Am selben Tag gab sie zudem bekannt, dass sie im Rahmen des LIFE-Programms für Umwelt- und Klimapolitik mehr als 380 Millionen Euro für 133 neue Klima-Projekte bereitgestellt hat. Und am 23. Oktober teilte sie mit, dass sie 4,8 Milliarden Euro aus ihrem Innovationsfonds in 85 innovative Netto-Null-Projekte investiert. Mit Netto-Null ist gemeint, dass die menschengemachten Treibhausgas-Emissionen aus der Atmosphäre entfernt werden sollen, damit die Klimabilanz netto Null beträgt.
Wie diese Nachrichten miteinander zusammenhängen, wird besonders deutlich, wenn man sich die internationalen Gipfel der vergangenen Wochen vor Augen führt: Beim Zukunftsgipfel in New York wurde Ende September beschlossen, die globale Politikgestaltung u.a. durch einen Digitalpakt im Sinne der Digitalgiganten zu transformieren (achgut berichtete). Beim „Berlin Global Dialoge“ Anfang Oktober standen Themen auf dem Programm wie „Globale Strategien für die Energiewende“, „Wie sich private Investitionen für Innovation und industrielle Transformation mobilisieren lassen“ und „Die Neuordnung der globalen Wirtschaftslandschaft“. Was BlackRock-Chef Larry Fink zu der Aussage veranlasste, dass es einzig und allein darum gehe, neue ökonomische Gelegenheiten („opportunities“) zu nutzen (achgut berichtete).
Auch der Weltgesundheitsgipfel, der Mitte Oktober in Berlin stattfand, erwies sich einmal mehr als Marktplatz für Investoren in der Pharmabranche – insbesondere zu Gunsten der Impfstoffindustrie. Wobei die Themen Gesundheit und Klimakrise auffällig miteinander vermischt wurden und Stiftungsgigant Bill Gates betonte, dass angesichts des Klimawandels Investitionen auf dem Gebiet von Gesundheit und Ernährungsinnovationen unabdinglich seien (achgut berichtete).
Ein Netzwerk „vertrauenswürdiger Investoren“
Bei der internationalen Hamburger Nachhaltigkeitskonferenz am 7. und 8. Oktober wurde dann in erster Linie über Lösungen für die „sozial-ökologische Transformation“ verhandelt. Eigentlicher Anlass der Konferenz war – wie auf der Hamburger Webseite offen kommuniziert wird – allerdings, dass Versicherungen, Pensionsfonds und andere Großanleger über enorme Summen verfügen, die sie gerne gewinnbringend investieren wollen. Dabei sollen auch Institutionen wie die Weltbankgruppe, der Internationale Währungsfonds, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Welthandelsorganisation mit ins Boot geholt werden (achgut berichtete).
Und beim Digitalgipfel am 21. und 22. Oktober in Frankfurt schließlich sprach Bundeskanzler Scholz in seiner Rede davon, dass er eine Allianz von Staat und Wirtschaft eingehen möchte. Wörtlich sagte er: „Ich will, dass Deutschland – Wirtschaft und Staat gemeinsam – noch mehr in Zukunftstechnologien investiert.“ Und weiter: „In Brüssel machen wir zudem gemeinsam mit Frankreich Druck, damit wir endlich die europäische Kapitalmarktunion zustande bringen, damit mehr privates Kapital hier nach Europa kommt und nicht erst den Umweg über die USA nehmen muss.“ Außerdem wies er auf ein neues „Forschungsdatengesetz“ hin, durch das milliardenschwere Investitionen in die Pharma- und Biotechindustrie am Standort Deutschland geleitet werden sollen.
Vor diesem Hintergrund lesen sich die Pressemitteilungen der EU-Kommission nun geradezu wie Auftragsbestätigungen oder Garantieversprechen für Konzerne und deren Anteilseignern: Damit Investoren die Deep Tech- und Cleantech-Industrie für die Entwicklung „klimaneutraler“ Technologien risikofrei unterstützen können, ohne dass deren Produkte überhaupt erfolgreich sein müssen oder eine tatsächliche Nachfrage danach besteht, übernimmt die EU-Kommission einfach selbst die Verantwortung für die Finanzierung.
So hat die Kommission jetzt also ein Netzwerk „vertrauenswürdiger Investoren“ ins Leben gerufen, um Unternehmen etwa in den Bereichen künstliche Intelligenz und Biotechnologie zu fördern. Dabei beruft sie sich auf den „Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ von Mario Draghi, den dieser in Auftrag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erstellt und ihr im September überreicht hat (achgut berichtete). Auch Draghi spricht sich dafür aus, durch industrielle Innovationen die Dekarbonisierung der Wirtschaft voranzutreiben und letztlich eine europäische Schuldenunion einzugehen. Es seien nämlich zusätzliche jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro nötig. Iliana Ivanova, EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, bezeichnete diesen Ansatz euphemistisch als „mutig“ und erklärte dazu: „Indem wir uns mit Risikokapital zusammenschließen, reagieren wir auf die im Draghi-Bericht dargelegten dringenden Herausforderungen, die mutige Maßnahmen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas bei kritischen Technologien erfordern.“
Das neue Netzwerk soll eine Gruppe von Investoren zusammenbringen, die gemeinsam mit der EU-Kommission Kapital für innovative Deep-Tech-Unternehmen in Europa mobilisieren sollen. Die Mittel dafür kommen aus dem Fonds des Europäischen Innovationsrates (EIC), der ein privatrechtlicher Kapitalfonds mit der Europäischen Kommission als Anteilseigner und Teil des EU-Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont Europa ist. Die erste Gruppe umfasst konkret 71 Investoren aus ganz Europa. Dazu gehören Risikokapitalfonds, öffentliche Investmentbanken, Stiftungen und Corporate Venture Funds, die zusammen über 90 Milliarden Euro an Vermögenswerten repräsentieren. Der EIC-Fonds hat inzwischen fast eine Milliarde Euro in 251 Start-up-Unternehmen in Europa investiert und Koinvestitionen in Höhe von mehr als vier Milliarden Euro von rund 1000 Investoren nach sich gezogen. Dadurch seien – so rechnet die EU-Kommission vor – pro investiertem Euro mehr als vier Euro mobilisiert worden. Einziger Anlageberater des Fonds ist die Europäische Investitionsbank. Insgesamt sollen mehr als 500 Unternehmen unterstützt werden. Unter den Investoren finden sich u.a. Atlantic Bridge, Debiopharm Innovation Fund, European Circular Bio-economy Fund (ECBF), I&I Biotech Fund, NATO Innovation Fund und Nordic Alpha Partners.
Auch bei den133 neuen Projekte im Rahmen des LIFE-Programms für Umwelt- und Klimapolitik, für die die EU-Kommission 380 Millionen Euro bereitstellt, geht es offenbar um den hektischen Versuch, den Schaden, den die Kommission durch ihre Deindustrialiserung anrichtet, durch neue planwirtschaftlich gesteuerte Industriezweige wieder wett zu machen. Der bereit gestellte Betrag entspricht dabei mehr als der Hälfte des Gesamtinvestitionsbedarfs in Höhe von 574 Millionen Euro für diese Projekte. Der Rest stammt von nationalen, regionalen und lokalen Regierungen, öffentlich-privaten Partnerschaften, Unternehmen und Stiftungen. 16 der Projekte werden in Deutschland oder mit deutscher Beteiligung durchgeführt. Dazu zählen Projekte zu grünen Lieferketten für Agrarunternehmen und Lebensmittelhersteller, zu emissionsfreien Hochspannungsschaltanlagen, zur Stärkung der lokalen Verwaltungen bei der Erstellung von Heiz- und Kühlplänen sowie zu Qualifikationen von Fachkräften für den Fernwärme- und Fernkältesektor. Involviert sind u.a. die Siemens Energy Global GmbH & Co. KG, die Global Nature Fund Stiftung, das IREES-Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien sowie die Wirtschaft und Infrastruktur GmbH & Co Planungs-KG.
Die Kommission hat übrigens die Mittel für das LIFE-Programm im Zeitraum 2021 bis 2027 um fast 60 Prozent aufgestockt. Es beläuft sich nun auf mehr als 5,43 Milliarden Euro. Die im Rahmen des LIFE-Programms vergebenen Finanzhilfen werden von der Europäischen Exekutivagentur für Klimainfrastruktur und Umwelt (European Climate, Infrastructure and Environment Executive Agency, kurz: CINEA) verwaltet. Zudem hat die EU-Kommission nun noch 85 „innovative Netto-Null-Projekte“ ausgewählt, die sie mit 4,8 Milliarden Euro aus ihrem Innovationsfonds fördert, um „modernste saubere Technologien“ in ganz Europa zu verwirklichen. Das funktioniert so: In der EU müssen Treibhausgas-Verursacher ihre Emissionen über das EU-Emissionshandelssystem (EHS-Zertifikate) bezahlen. Die über dieses System aufgebrachten Mittel werden in den Innovationsfonds reinvestiert, durch den dann wiederum Förderprogramme für innovative CO2-arme Technologien finanziert werden. Wopke Hoekstra, Kommissar für Klimapolitik und zuständig für Verkehr, stellt dazu zufrieden fest: „Der Fonds zeigt einmal mehr, dass das EU-Emissionshandelssystem ein hervorragendes Instrument zur Emissionsminderung ist und die Projekte finanziert, die wir für den Aufbau eines klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Europas benötigen.“
Aus Deutschland sind derzeit zur Vorbereitung der Finanzhilfe aus dem EU-Innovationsfund eingeladen: CEMEX Zement GmbH, Statkraft Hydrogen GmbH, KNORR-BREMSE SYSTEME FUR NUTZFAHRZEUGE GMBH, J. M. VOITH SE & CO. KG, FLENDER GMBH, REVERION GMBH, BALLARD POWER SYSTEMS INC, Proton Motor Fuel Cell GmbH sowie thyssenkrupp nucera Projekt 1 GmbH. An laufenden Projekten beteiligt sind u.a. Bosch, MBI, Nordsee2 und Fenecon. Bei der Auswahl der aktuellen Projekte liegt der Schwerpunkt zum ersten Mal auf der Cleantech-Produktion. Die Projekte sollen vor 2030 in Betrieb genommen werden und in den ersten zehn Betriebsjahren die Emissionen um etwa 476 Millionen Tonnen CO2 -Äquivalent verringern. Der Gesamtbetrag der Unterstützung durch den Fonds beläuft sich mittlerweile auf 12 Milliarden Euro. Zusätzlich vergibt die EU-Kommission nun auch ein neues Qualitätssiegel: das STEP-Siegel, mit dem „hochwertige Projekte“ ausgezeichnet werden, die zu den Zielen der Plattform Strategische Technologien für Europa (STEP)beitragen. Das Siegel soll 64 Projekten, die ein Gesamtbudget von 8,4 Milliarden Euro beantragen, den Zugang zu weiteren Fördermöglichkeiten erleichtern.
Dabei hat es der EU-Kommission vor allem der „erneuerbare Wasserstoff“ angetan: Der Innovationsfonds stehe voll und ganz im Einklang mit den Zielen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie zur Steigerung der erneuerbaren Energiequellen in ganz Europa. Der Fonds spiele eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung der Einführung von Wasserstoff aus RFNBO (erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs) in Industrie und Verkehr. Und die Kommission orakelt: „Insgesamt werden die im Rahmen dieser und früherer Aufforderungen ausgewählten Projekte zur jährlichen Erzeugung von 631,5 Kilotonnen RFNBO-Wasserstoff beitragen. Allein die im Rahmen dieser Aufforderung ausgewählten Projekte werden jährlich 61 Kilotonnen liefern.“ Ob diese Erwartung in der Realität erfüllt wird, ist fraglich. Die EU-Kommission betreibt hier nichts anderes als gelenkte Wirtschaft, die auf tönernen Füßen steht. Auch die von der Kommission Anfang Oktober angekündigte sogenannte Repo-Fazilität, durch die sie via Rückkaufgarantien sichere Kredite vergeben will, basiert nämlich auf Finanzmitteln, die noch gar nicht existieren, sondern in Form von CO2-Steuern erst zukünftig generiert werden sollen.
Selbst wenn man von der Prämisse ausgehen würde, dass eine vollständige Dekarbonisierung der Industrie aus Klimaschutzgründen nötig wäre, würde einem in Anbetracht der horrenden Summen und des Wusts von Projekten und Fördermitteltöpfen schwindelig werden. Führt man sich aber vor Augen, dass die Dekarbonisierung der Industrie keineswegs eine wissenschaftlich fundierte Notwendigkeit darstellt, sondern vor allem neue Märkte öffnen soll, steht man fassungslos vor der Zerstörungswut, mit der top-down die europäische Wirtschaft vernichtet wird, um sie anschließend „klimaneutral“ zu transformieren. Erklären lässt sich das alles letztlich nur mit der fatalen Hörigkeit der EU-Kommission gegenüber den „innovativen“ Konzernen und deren Investoren, die neue Geschäftsfelder suchen – oder künstlich erschaffen wollen. Wobei Deutschland als Musterknabe mit seiner „Energiewende“, die konkret das Gasnetz gefährdet, und dem geplanten Deutschland-Fonds wieder einmal voran prescht.