Wie zu erwarten war, ist es gestern in Brüssel zu einem Kompromissbeschluß des EU Gipfels zur Frage der europäischen Klimastrategie post Kyoto gekommen. Hinter den euphorischen Schlagzeilen verbirgt sich allerdings die Tatsache, daß die gestrige Vereinbarung kaum mehr als eine wage Absichtserklärung darstellt.Ob die angestrebten Ziele je erreicht werden ist fraglich, da der Widerstand gegenüber einer allzu rigorosen Energiepolitik innerhalb der EU keinesfalls gebrochen ist. Dabei werden zwei der Faktoren besonders schwer wiegen: Da ist zunächst der Umstand , daß die EU offenbar keine rechtliche Zuständigkeit für Energiepolitik hat, wie der Spiegel gestern berichtete:
“Doch die Probleme beginnen jetzt erst. Denn der EU-Rat hat nur ein abstraktes Ziel formuliert. Das eigentliche Ringen bleibt der EU-Kommission vorbehalten, jedem einzelnen Land ein Vetorecht über die endgültige Energiepolitik der EU einzuräumen
Barroso versprach, verbindliche Gesetzentwürfe noch in diesem Jahr vorzulegen. Dies wird allerdings dadurch erschwert, dass die EU formal keine Zuständigkeit für die Energiepolitik hat. Die wäre erst nach Annahme des neuen Verfassungsvertrags gegeben. ‘Mit der Verfassung wäre es viel einfacher’, sagte Barroso. So ist er auf den guten Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen….
Die mangelnde Macht der Kommission, den Beschluss auch durchzusetzen, könnte sich noch als Problem erweisen. Auf die Frage, was die Kommission denn mache, wenn ein Land sich weigere, hatten Barroso und Merkel keine überzeugende Antwort. Sie sehe keinen Anlass, das heute zu diskutieren, sagte die Kanzlerin unwirsch.”
Noch gravierender wird sich allerdings Merkels Zugeständnis an die EU Mitgliedsstaaten erweisen, jedem einzenen Land ein Vetorecht über die endgültige Energiepolitik der EU einzuräumen. Nach einem Bericht der WELT , dürfte diese Zugeständnis ein kaum zu überbrückendes Hindernis darstellen:
“Der Beitrag für jeden Mitgliedsstaat wird nach einem komplizierten Berechnungsverfahren ermittelt. Die einzelnen Länder werden am Ende unterschiedlich belastet. Sollte dann auch nur einer der insgesamt 27 Mitgliedsstaaten gegen die festgesetzte Lastenarithmetik bei den regenerativen Energien stimmen, scheitert das gesamte Gesetzespaket.
Ein Vetorecht für jeden - dies ist der eigentliche Preis, den Merkel für die Vereinbarung zahlen musste. Nicht Chirac und Österreichs neuer sozialdemokratischer Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, den Merkel am Freitagmorgen gegen halb zehn Uhr in kleiner Runde mit ein paar Scherzen und dem Zugeständnis auf einen neuen Querverweis umstimmen konnte, waren die eigentlichen Spielverderber bei diesem Gipfel. Die Störenfriede waren vor allem die osteuropäischen Staaten, wie Ungarn, Polen und Tschechien. Sie fürchten, dass ein hoher Anteil an regenerativen Energien zu teuer ist und das Wachstum der jungen Volkswirtschaften behindert.
Bis zum frühen Freitagmorgen feilten die Regierungsberater an neuen Kompromissen. Sie liefen über die langen Flure des Ratsgebäudes, vorbei an Blumenvasen mit schwarz-rot-gelb gefärbten Gerbera, und tauschten die Entwürfe untereinander aus. Um sechs Uhr früh präsentierten sie den Chefs ihre Vorschläge zum Frühstück - mit der Vetoklausel. “
Angesichts der Tatsache, daß es der EU nicht gelungen ist, über eine rechtlich unverbindliche und auch politisch kaum zu einzuhaltende Absichtserklärung hinauszukommen, darf an einem Durchbruch bei dem anstehenden G8 Gipfel gezweifelt werden.
Aktualisierung 10.3.07, 16:30 Uhr:
Die polnische Regierung hat unterdessen bestätigt, daß Polen keineswegs bereit ist die CO2 Emissionen um 20% zu reduzieren und daß kein EU Land dazu gezwungen werden kann:
“At first reading of the initial proposal, it would seem that each EU country would need to have 20% of renewable energy sources and to cut emission by 20%, also cutting energy consumption,” Kaczynski told a press conference in Brussels. “It is now apparent that every country may adopt tasks that are compliant with its own point of departure. ... Also, no country will be forced to adopt measures in this field without its consent,” Kaczynski also said.
Na, dann mal viel Glück, Herr Barroso!