In Aserbaidschan dreht sich der Klimazirkus vor allem um sich selbst. Und in den EU-Berichten gibt es beim "Klimaschutz" nur Fortschritte. Man nimmt nur die "guten" Zahlen und verdrängt die Schäden. EU-Bewohner müssen künftig 72 Stunden lang autark überlebensfähig sein, sonst haben sie Pech gehabt.
Während in den USA die Zeichen auf Veränderung stehen, haftet die EU nur umso entschlossener ihrer Ideologie vom ersten klimaneutralen Kontinent der Welt an. In ihrem aktuellen Fortschrittsbericht zum Klimaschutz hebt die EU-Kommission hervor, dass im Jahr 2023 der größte Rückgang von Netto-Treibhausgas-Emissionen seit Jahrzehnten zu verzeichnen gewesen sei – mit Ausnahme des von COVID-19 geprägten Jahres 2020. 2023 wurden demnach in der EU im Vergleich zum Vorjahr 8,3 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen. Die Netto-Emissionen liegen damit 37 Prozent unter dem Stand von 1990. Die EU sei nach wie vor auf Kurs für die verpflichtende Senkung bis 2030 um mindestens 55 Prozent. Gleichzeitig sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 1990 um 68 Prozent gewachsen. Das zeige die anhaltende Entkopplung von Emissionen und Wirtschaftswachstum, heißt es im EU-Bericht.
Die ganze Wahrheit ist das freilich nicht. Wie die Statistiken zum EU-Bruttoinlandsprodukt von 2009 bis 2023 verdeutlichen, gab es 2020, also in dem Jahr, in dem die wenigsten Netto-Treibhausgas-Emissionen der letzten Jahrzehnte gemessen wurden, sehr wohl auch einen deutlichen Rückgang des BIPs. Klimapolitik-Kommissar Wopke Hoekstra versicherte dennoch:
„Die EU ist führend beim Übergang zu einer sauberen Wirtschaft. Auf die EU entfallen nun sechs Prozent der weltweiten Emissionen. Zur COP 29 zeigen wir unseren internationalen Partnern wieder, dass es möglich ist, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen und zugleich in das Wachstum unserer Wirtschaft zu investieren. Leider zeigt der Bericht auch, dass unsere Arbeit sowohl im In- als auch im Ausland fortgesetzt werden muss, da wir den Schaden sehen, den der Klimawandel unseren Bürgerinnen und Bürgern zufügt.“
Die Kommission liefert auch Zahlen für 2023: Das EU-Emissionshandelssystem habe im vergangenen Jahr Einnahmen in Höhe von 43,6 Milliarden Euro für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen erwirtschaftet. 7,4 Milliarden Euro werden dem Innovationsfonds und dem Modernisierungsfonds zugewiesen, der Rest soll direkt an die Mitgliedstaaten gehen. Die Emissionen von Gebäuden, der Landwirtschaft, des inländischen Verkehrs, der kleinen Industrie und von Abfällen seien um rund 2 Prozent zurückgegangen (Gebäudesektor minus 5,5 Prozent, Landwirtschaft minus 2 Prozent, Verkehr knapp 1 Prozent). Und die natürliche Kohlenstoffsenke der EU sei um 8,5 Prozent gewachsen, womit sich der rückläufige Trend der vergangenen zehn Jahre im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft (LULUCF) umgekehrt habe. Es seien jedoch weitere Anstrengungen nötig, um die Ziele für 2030 zu erreichen.
Fragt sich, wie diese Anstrengungen aussehen werden. Da es eine eindeutige Korrelation von Lockdown und Schrumpfen des BIPs im Corona-Jahr 2020 gab, wird es wohl auf Verzicht für die EU-Bürger hinauslaufen: zum Beispiel Verzicht auf Reisen. Zunächst geht es aber um Signale an Investoren. So wird im Bericht betont, dass erhebliche öffentliche und private Investitionen erforderlich seien, um bis 2050 klimaneutral zu werden.
Der Investitionsbedarf für das Energiesystem wird für den Zeitraum 2021 bis 2030 auf rund 565 Milliarden Euro pro Jahr (entspricht 3,3 Prozent des BIP) und für den Zeitraum 2031 bis 2050 auf durchschnittlich 660 Milliarden Euro pro Jahr (entspricht 3,2 Prozent des BIP) geschätzt (gegenüber 250 Milliarden Euro für den Zeitraum 2011 bis 2020 bzw. 1. 7 Prozent des BIP). Und die jährlichen Ausgaben für den Verkehr werden sich laut Bericht auf etwa 785 Milliarden Euro im Zeitraum 2021 bis 2030 und 870 Milliarden Euro im Zeitraum 2031 bis 2050 belaufen (das entspricht 4,2 Prozent des BIP, ein ähnlicher Anteil am BIP wie im Zeitraum 2011-2020). In diesen Zahlen sind jedoch Investitionen in den Naturschutz und die Wiederherstellung der Natur noch nicht enthalten, die ebenfalls entscheidend für die Erreichung der Klimaneutralität seien.
Die EU müsse auch ihr internationales Engagement fortsetzen - beginnend mit der Weltklimakonferenz COP 29 -, um sicherzustellen, dass ihre internationalen Partner ebenfalls die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Glaubt irgendjemand in der EU-Kommission ernsthaft noch daran, dass andere Länder dem verheerenden Europäischen Green Deal nacheifern werden? Was dagegen für andere Länder tatsächlich von Interesse sein dürfte, ist die Tatsache, dass die EU, ihre Mitgliedstaaten und ihre Finanzinstitute nach wie vor der führende Geber von Entwicklungshilfe und der weltweit größte Geber von Klimaschutzfinanzierungen sind. Auf das „Team Europa“ entfällt laut Bericht etwa ein Drittel der weltweiten öffentlichen Klimaschutzfinanzierung.
Und die EU-Kommission hält daran fest, dass die „Klimaexposition“ auf allen Regierungsebenen bei der Festlegung politischer Prioritäten und in allen sektoralen Politikbereichen berücksichtigt werden müsse. Der Fortschrittsbericht zum Klimaschutz ergänzt übrigens den jährlichen Bericht über die Lage der Energieunion, in dem u.a. ein Fünfjahresplan enthalten ist, durch den beispielsweise die Nachfrage nach grünem Wasserstoff angekurbelt werden soll (achgut berichtete).
Dabei kann nicht oft genug betont werden, dass die Fixierung auf die Treibhausgasemissionen nichts mit sinnvollem Umweltschutz zu tun hat, sondern vor allem im Sinne der Konzerne ist, die an der vollständigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft verdienen. Die Theorie des menschengemachten Klimawandel ist keineswegs eine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, und auch der angebliche Konsens von 97 Prozent der Klimaforscher zur Emission von Treibhausgasen als Hauptursache für die globale Erwärmung existiert in der Realität nicht, wie Prof. Dr. Gisela Müller-Plath auf achgut gerade detailliert ausgeführt hat.
Selbstversorger-Pflicht für drei Tage?
Ebenfalls zu denken gibt ein weiterer aktueller Bericht, in dem der ehemalige finnische Präsident Sauli Niinistö ein Sicherheitskonzept für die EU vorstellt. Demnach sollen nämlich alle EU-Haushalte darauf vorbereitet sein, sich mindestens 72 Stunden lang selbst versorgen zu können. Niinistö war von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im März dazu aufgefordert worden, einen Plan auszuarbeiten, der EU-Bürger aktiv in die Vorbereitung auf Krisen wie Kriege, Naturkatastrophen und Pandemien einbezieht. Unter anderem schlägt Niinistö Investitionen in die „Risikobildung der Bürger“ vor, die Themen wie „Cybersicherheit, Katastrophenrisiken und Desinformation“ behandeln soll. Außerdem sollen die Geheimdienste der EU-Länder besser miteinander kooperieren und dabei auch leichter auf verschlüsselte Daten zugreifen können. Nicht zuletzt fordert Niiniströ eine Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie.
Die EU müsse sich auf eine neue Realität einstellen. Innerhalb weniger Jahre habe die EU die schwerste Pandemie seit 100 Jahren, den blutigsten Krieg auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg und das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt. Dass es vor Beginn der Wetteraufzeichnungen etwa die Römische und die mittelalterliche Wärmephase gegegen hat, die noch nichts mit der Industrialisierung zu zun haben konnte, wird in diesem Krisenszenario ausgeblendet. Und dass die Corona-Krise vor allem herbeigetestet wurde, um einen künstlichen Markt für die modRNA-Genimpfstoffe zu schaffen, wird natürlich ebenfalls tunlichst verschwiegen. Vielmehr sollen sich die Europäer angesichts der angeblich zunehmenden Schäden durch extreme Wetterereignisse nicht nur fragen, wie der Klimawandel sich auf künftige Generationen auswirken wird, sondern auch, welche Vorbereitungen sie jetzt treffen müssen. Bei diesen äußerst disruptiven Ereignissen handele es sich nämlich weder um Störungen vorübergehender Natur noch um isolierte Vorkommnisse. Der EU stehe ein längerer Zeitraum bevor, der von großen Risiken und Unsicherheiten geprägt sein werde.
Mit anderen Worten: Die EU-Bürger werden auf ganzer Linie auf einen Krisenmodus eingeschworen. Und Kommissionspräsidentin von der Leyen bekräftigt in ihrer Erklärung die Notwendigkeit von „ressortübergreifender Vorsorge“, bei der die Zivillgesellschaft miteinbezogen werden müsse. Diese Vorsorge müsse das gesamte Spektrum der Bedrohungen und Risiken abdecken. Mit Bezug auf die Überschwemmungen in Spanien weist von der Leyen auf das Copernicus-Satellitensystem hin, das bei der Koordinierung der Rettungsteams helfen könne. Außerdem solle es zum Beispiel die Wälder vom Himmel aus beobachten, weil im Nu aus einem Funken ein Brand entstehen könne. Es ist also davon auszugehen, dass die flächendeckende Überwachung per Satellit zunehmen wird. Außerdem warnt von der Leyen vor Desinformation und Cyberangriffen. Die EU müsse in der Lage sein, „alle notwendigen Instrumente und Ressourcen der öffentlichen Ordnung konzertiert und koordiniert zu nutzen und die Behörden auf allen Ebenen – auf nationaler, lokaler und EU-Ebene – entsprechend ihren unterschiedlichen Rollen zu mobilisieren“.
Eine "echte Energieunion"
Während also die Bürger auf Krise, Krise und noch einmal Krise eingenordert werden, verkünden die Führungsspitzen der EU in ihrer Erklärung von Budapest, wo sie sich vor wenigen Tagen zu einem Gipfel trafen, einen Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Sie versprechen darin eine Art eierlegende Wollmilchsau, indem sie gleichzeitig Klimaneutralität, Energiesicherheit, wirtschaftlichen Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit zusichern.
So heißt es in einem Passus zum Beispiel, dass das doppelte Ziel verfolgt werde, „strategische Energiesouveränität und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen – zu diesem Zweck werden wir als Priorität eine echte Energieunion schaffen, die durch einen vollständig integrierten und vernetzten Energiemarkt gekennzeichnet ist, durch die Dekarbonisierung unseres Energiemixes und die Bereitstellung erschwinglicher und sauberer Energie für alle unsere Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen.“
Außerdem soll eine „Spar- und Investitionsunion“ bis 2026 realisiert werden. Allerdings geben die EU-Führungsspitzen zu, dass die Wettbewerbsherausforderungen erhebliche Investitionen erfordern, für die sowohl öffentliche als auch private Finanzmittel mobilisiert werden müssten. Auch die Europäische Investitionsbank müsse stärker einbezogen werden.
Und auch bei der Weltklimakonferenz (COP 29), die derzeit in Baku stattfindet, steht das Thema Klimafinanzierung im Mittelpunkt, wie die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bärbel Kofler (SPD), deutlich machte. Es gehe darum, einen fairen Anteil in den unterschiedlichen Ländern einzuwerben, um unter anderem die Abkehr von fossilen Brennstoffen voranbringen zu können. Im Gespräch sei eine Reform der Weltbank, aber auch eine „Milliardärssteuer“. Am Eröffnungstag der COP 29 gaben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten darüber hinaus eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie ihr Engagement für die Stärkung der Geschlechterintegration im globalen Klimaschutz bekräftigten.
Billionen-Beträge für den "Klimanotstand"
Harjeet Singh, Direktor für globales Engagement bei der Kampagne für einen Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe, forderte in Hinblick auf die COP 29, dass Deutschland und andere Industriestaaten vor allem mehr für die Klimafinanzierung und für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in Entwicklungsländern tun müssten. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit angesichts des Klimanotstands. Vor dem Hintergrund des anstehenden Regierungswechsels in den USA müsse Deutschland eine größere Rolle spielen als je zuvor. Deutschland könne auch anderen Länder helfen, mehr zu tun.
Damit der Ausstieg aus den fossilen Energien gelinge, würden – so Singh weiter – Billionen-Beträge benötigt. In der Vergangenheit sei die Klimafinanzierung viel zu häufig kreditbasiert statt zuschussbasiert gewesen. Das habe die Schuldenlast bei Ländern erhöht, die ohnehin mit hohen Problemen belastet seien. Deutschland könne zeigen, dass Klimafinanzierung kein Almosen sei, sondern „eine Entschädigung für vergangenes Handeln in Bereich Klima“. Übernähme Deutschland bei der Klimafinanzierung eine Führungsrolle, würden andere Länder folgen. Und Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik (DGAP), verwies darauf, dass das bisherige Finanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Entwicklungsländer nicht am Bedarf und den wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert und daher zu gering gesetzt gewesen sei. Für die nächste Periode seien deutlich mehr Mittel nötig.
Fazit: Die EU-Bürger werden darauf eingestimmt, dass sie künftig darben sollen. Dagegen dürfen sich Konzerne und Investoren auf vielversprechende neue Geschäftsfelder freuen. Das bedeutet nichts anderes als eine gigantische Vermögensumverteilung von unten nach oben.
Quellen:
Fortschrittsbericht Klimaschutz: 8 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen der EU in 2023
REPORT FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT AND
THE COUNCIL
Strengthening Europe’s civil and military preparedness and readiness: Report by Special Adviser Niinistö
Report: Safer Together – Strengthening Europe’s Civilian and Military Preparedness and Readiness
Erklärung von Präsidentin von der Leyen zur Vorstellung des Niinistö-Berichts über die Stärkung der zivilen und militärischen Einsatzbereitschaft Europas
Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit
Klimafinanzierung im Fokus der Weltklimakonferenz COP2
COP29: The European Union commits to ambitious climate action on gender and climate change
Statement at COP29 on the importance of an ambitious outcome on
gender and climate change
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.