@ Dirk Jungnickel: So unterschiedlich können die Meinungen sein. Hinsichtlich “der Mannschaft” bin ich Herrn Weißgerber näher als Ihnen, Das muß aber Jeder mit sich selbst abmachen und da ist Ihre Meinung im Zweifel nicht besser oder schlechter als meine. Wenn Sie jedoch die Meinung vertreten, Merkel würde die Gesellschaft nicht “atomisieren”, dann frage ich mich, ob da nicht schon ein teilweiser Realitätsverlust eingetreten ist. Ok, vielleicht liegt es daran, daß wir (noch) keine Einigkeit darüber haben, was Sie oder ich unter “atomisieren” verstehen. Wenn eine Gesellschaft auseinanderdividiert wird, wenn Menschen in eine rechtsradikale Ecke gedrängt werden, nur weil sie auf die durchaus vorhandenen und sich täglich manifestierenden Gefahren von “Multikulti” hinweisen, wenn diese Menschen dann von Truppen, die staatlicherseits alimentiert werden, drangsaliert werden und die deren Autos anzünden und deren Häuser besprühen, Ihnen wird Lokalverbot erteilt usw. usf. - dann sehe ich das durchaus als eine Atomisierung der Gesellschaft an und frage mich, wie Sie das anders sehen können. Eine Gesellschaft, die Andersdenkende nicht aushält, die nicht anders mit ihnen umgehen kann, als sie auf die an den allerschlimmsten Faschismus erinnernde Weise ausgrenzt: diese Gesellschaft muß nicht mehr atomisiert werden, die ist es bereits. Und das ist der ganz unzweifelhaft zweifelhafte Verdienst, und damit auch das einzige, was sie wirklich vollständig auf die Beine gestellt hat, von Merkel. Woher Sie Ihren Optimismus nehmen, erschliesst sich mir nicht.
Die “Mannschaft” ist eben ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es gibt eben nicht nur die Entfremdung der Bevölkerung von der “Mannschaft” sondern auch eine Entfremdung der Spieler untereinander. So wie gemeinsame Werte und gemeinsame Kultur als Bindemittel der Gesellschaft abhanden kamen, so löst sich das auch bei den Spielern auf. Keine Gemeinsamkeiten, kein gemeinsames Ziel, für das Anstrengung und Leistung sich lohnte. Die haben eben aufgepasst, welchen Wertewandel Merkel und die veröffentliche Meinung verfolgen: Wichtig sind die richtige Haltung, Inklusion und Gleichmacherei - herausragende Leistung ist nicht gefragt, sondern verdächtig.
Wollen Sie ernsthaft unterstellen, daß Gündogans und Özils Verhalten Teil eines Masterplans des DfB ist, der seinerseits von der Bundeskanzlerin beeinflußt wird?
@ Dirk Jungnickel:Der legendäre Liverpool-Trainer Bill Shankly meinte einmal: «Einige Leute halten Fussball für einen Kampf um Leben und Tod. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.» Fussball kann gar nicht politisiert werden,er ist es schon lange.
Verehrter Herr Weißgerber, ich habe mich hier schon des öfteren gegen die meist an den Haaren herbei gezogenen Vergleiche und Gleichsetzungen der “DDR” mit der heutigen Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen. Uns ehemaligen Oppositionellen mag es durchaus manchmal aufstoßen, dass wir oft an “DDR” - Verhältnisse erinnert werden. Lassen wir doch aber bitte mal die Kirche im Dorf und stellen uns der Realität. Was wäre denn z.B. geschehen, wenn wir uns adäquat kritisch wie hier auf der Achse in der “DDR” über die “DDR” geäußert hätten ? Und warum wohl setze ich diese verlogene Bezeichnung in Gänsefüßchen ? Obwohl bekennender Fußballmuffel kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie den Fußball politisieren, was sie ja der “DDR” vorwerfen. Sind Sie denn immer noch der Meinung, dass es sich um SPORT handele ? Es ist ein knallhartes Geschäft, und mir ist es egal, wenn sich da Multikulti - Mannschaften um den Ball balgen. Und die “merkelsche Multikulturalität” wird mit Sicherheit unsere Gesellschaft nicht “atomisieren”. Soviel Optimismus muß sein !!!
Es bleibt nicht aus, Herr Weißgerber, dass ein Land, dessen Propaganda inzwischen der der DDR immer ähnlicher wird, auch bei den sogenannten Identifikationssymbolen, die freiwillig ihre Identität verleugnen, sich innerlich von dieser farblosen Masse verabschieden. Mir war die Niederlage ebenfalls ziemlich schnuppe.
Um es noch einmal zu sagen: “Mannschaft” war und ist die Bezeichnung für die Auswahl des DFB im Ausland. Die hat man übernommen. Und zwar nicht, weil das “National-” fehlt (es stimmt ja auch nicht, dass es eine “deutsche Nationalmannschaft” ist, quasi eine Staatstruppe, sondern es ist eine Auswahlmannschaft des DFB), sondern weil die ausländische Presse damit ihre Hochachtung zum Ausdruck bringen wollte vor dem Teamgeist, dem Zusammenhalt des Teams; kurzum der “Mannschaft”. Mir persönlich ist es lieber, wenn die Bezeichnung für ein Fußballteam zum Lehnwort in England wird als die Art und Weise, wie man Krieg führt (Blitzkrieg, wobei “Krieg” als querre im übrigen auch in Frankreich Lehnwort wurde) . Reporter nennen das Auswahlteam der Brasilianer ja auch “seleceau”, dass der Italiner “azurri”, dass der Franzosen “le bleu” und so weiter, ohne dass irgendwer in dem jeweiligen Heimatland auf die Idee kommt, dass damit der “nationale Charakter” des Team geleugnet wird. Hier wird - aus Unkenntnis oder absichtlich - Stimmung gemacht gegen das Auswahlteam. Dass dieses Auswahlteam nicht mehr nur aus “Biodeutschen” besteht, entspricht wohl der banalen Tatsache, dass viele ehemaligen Ausländer keine mehr sind. Ich jedenfalls kann eher damit leben, wenn die Auswahlmannschaft des DFB mit Özil, Khedira oder Gündogan verliert als mit Kaltz, Briegel oder den Försterbrüdern den Gegner plattwalzt oder vom Platz grätscht. Fußball ist ein Spiel und sollte auch ein Spiel bleiben, d.h. mit Ernst betrieben werden und wenns vorbei ist, hat nur eine Mannschaft verloren und liegt nicht, wie 45, ein ganzes Land in Trümmern.
Solange die “Deutsche Nationalmannschaft” nicht mehr so heißen darf, was eine Farce ist, solange ignoriere ich sie. Mit einer “Mannschaft” identifiziere ich mich nicht. Von mir aus kann sie verlieren. Abgesehen davon, daß mir Fußball genau so wenig bedeutet wie eine Wagner Oper in Bayreuth. Ich liebe Mozart. Was mich allerdings gefreut hat, daß Gastgeber Russland 5:0 gegen Saudi Arabien gewonnen hat. Für meine fußballbegeisterten Enkel war das Spiel Portugal gegen Spanien das Beste bisher. Was die Sozialkundelehrer angeht, so haben etliche auch nur ihre “Pflicht” erledigt. Wir hatten einen, der wollte, daß alle gute Noten bringen. Er hat immer zwei Wochen vorher angekündigt, wann ein Schüler mit einer mündlichen Prüfung rechnen mußten und hat das exakt eingehalten. So hatten fast alle in Staabü sehr gute Noten. Staabü (Rotlicht) war ein sehr wichtiges Fach in der DDR.
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