Jetzt geht’s den Karikaturisten auch bei mir hier zuhause in Charlottesville an den Kragen. Vorige Woche veröffentlichte die Studentenzeitung “Cavalier Daily” der University of Virginia die Karikatur eines 22jährigen Studenten im vierten Unijahr, in der dieser sich etwas gequält witzig der Hungersnot am Horn von Afrika widmete.
Und schon erbosten sich selbsternannte Apostel politischer Korrektheit mit so lautem Geschrei über seine Darstellung ausgemergelter Äthiopier, daß die Univerwaltung per offenem Brief an den ganzen Campus den Cartoon verurteilte (ach du meine Güte! 60 Leute hatten sich per Email bei den Dünnhäutern beschwert), und die Redaktion des “Cavalier Daily”—die doch die Veröffentlichung abgezeichnet hatte und damit die Verantwortung dafür trug—ergriff, nachdem eine aufgewiegelte Studentengruppe das Redaktionsbüro belagert hatte, feige die Flucht und feuerte, wohl in panischer Angst um die eigenen Pfründe, das arme Würstchen vom Mitarbeiterteam.
Glaubt man denjenigen, die sich hier so wahnsinnig aufregen, müßte man meinen, die hungerleidenden Äthiopier wären so ähnlich ekelhaft als Zerrbilder dargestellt worden wie Afrikaner in den bösen alten Zeiten des Ku Klux Klan, also pechschwarz, mit leuchtendroten Wulstlippen, Nasenringen vielleicht—equivalent den Judenverhöhnungen im “Völkischen Beobachter”. Da ich das überhaupt nicht erkennen kann und die Idee dahinter nichtmal schlecht finde, wenn auch ein wenig tolpatschig illustriert, schicke ich meiner Frau per Skype, von Arbeitszimmer zu Arbeitszimmer, einen Link zur Zeichnung.
“Findest du das rassistisch, und fühlst du dich davon in deiner ethnischen Sensibilität verletzt wie einige deiner Kollegen?” frage ich sie quer durchs Cyberuniversum, obwohl sie keine zehn Meter entfernt sitzt; als Afroamerikanerin, die einen Lehrstuhl an ebendieser University of Virginia innehat, kann sie mir vielleicht ein bißchen Licht in mein unverständiges Dunkel werfen.
Kurz darauf kommt sie in mein Zimmer gestürzt. “Diese Humorlosigkeit und Überempfindlichkeit treibt mich wirklich auf die Palme”, ruft sie. Und was sie besonders erschüttere, sei nicht die zensurgeile Hysterie derjenigen, die sich beleidigt fühlten—Mimosenhaftigkeit gehöre schließlich bei Interessengruppen zum Modus operandi. “Da bangt’s einem um die Zukunft unserer Pressefreiheit, wenn diese Studentenredakteure nichtmal bei so einer harmlosen Sache Rückgrat bewahren und gleich die Zensurkeule gegen sich selbst schwingen.”
Sie beruhigt sich und setzt sich auf meinen Schreibtisch. “Das Problem mit dieser Karikatur,” fügt sie hinzu, “ist ihre Harmlosigkeit. Statt die Äthiopier über triviale Sachen streiten zu lassen, wär’s viel schockierender im Sinne einer politischen Karikatur, schlügen sie einander mit knurrendem Magen gegenseitig die Schädel beim Streit um Haut und Knochen ihres verhungerten Viehzeugs ein, wobei sich im Hintergrund Hyänen ins Fäustchen lachen.”
Ich liebe meine Frau!
Hier ist u.a. die Karikatur aus dem “Cavalier Daily” zu finden: http://readthehook.com/images/issues/2007/0638/offendingcartoons.html
Und hier hat die Washington Post der Sache einen “ausgewogenen”—sprich eiertanzenden—Artikel gewidmet:
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/09/11/AR2007091102087.html?sub=AR