Vielen Dank für den Artikel, der mich olfaktorisch (ja, der Geruchssinn und Geruchs-Erinnerungen kennen weder Zeit noch Raum) zurück in die 80er Jahre katapultiert hat. Dieser leicht muffige Geruch, unterlegt mit einer Spur Patchoulie und etwas Erdig-Schimmeligem, das vermutlich von den schrumpeligen Äpfelchen und den halbgetrockneten ... Karotten (? so genau war das nicht mehr zu erkennen) ausging. Ich - damals Anfang 30 und Mutter, kaufte dort, nein, nichts essbares, das habe ich dann doch nicht über mich gebracht. Ich kaufte dort Mullwindeln und Wollwindelhosen. Dazu noch Lanolin, flüssig, in kleinen Plastikflaschen. Darin musste frau die Wollwindelhosen ausgiebigst baden und schwenken, damit diese dann undurchlässig für Pipi und andere Flüssigkeiten aus dem Babyverdauungstrackt würden. Korrekt in Lanolin geschwenkte Wollwindelhosen lassen nix nach Außen dringen, alles bleibt dann nämlich fein und schön drinnen - an Babys Popo. Außerdem kaufte ich mir ein gutes Gewissen (biologisch abbaubar vermutlich, denn es ist so völlig verschwunden nach all den Jahren). Meine Kinder hatten also lange Zeit ökologisch-korrekte wunde Popöchen, denn natürlich sind klatschnasse Mullwindeln nicht optimal für zarte Kinderhaut. Letztere musste dann, kinderärztlich verordnet, regelmäßig in Kaliumpermanganat gebadet werden, auf dass sie sich von den ökologisch und biologisch korrekten Windeln wieder erholen möge. Und ich habe damals gebadet und gewaschen, gewaschen, gewaschen: Wollwindelhosen, Babypopos und Mullwindeln. Fand ich total bio und hip und irgendwie gut, weil man so zu einer besonderen Community gehörte, die wallende Gewänder, lila Latzhosen, raspelkurze Haare (die Frauen) oder lange Zotteln (die Männer) trug. Damals war ich halt jung und brauchte das. Geblieben ist die Erinnerung an den Geruch. Wenn ich einen Bioladen sehe, rieche ich es wieder. Dazu muss ich den Laden gar nicht betreten. Will ich auch nicht mehr.
@Simone Robertson: stimmt, mit den Haaren ist das nicht so einfach! Hatte früher eine schöne Matte; beim Älterwerden wurden die Haare am Oberkopf dünner und das Gesicht veränderte sich auch - die Proportionen stimmten nicht mehr. Daher kurz - aber ich gebe mir alle Mühe, daß nicht der frustrerte oder gar “freche” Look dabei herauskommt. Habe auch keinen (kleinen!) Rucksack auf dem Rücken…:). Horror.
Danke Hr. Schneider. Sie geben uns Hoffnung. Christian Freund Koch / Gasthofbetreiber
Ja, Herr Schneider, das ist ja nun dumm gelaufen in Ihrer Mittagspause. Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie auch einer geregelten Arbeit nachgehen. Vielleicht wäre es doch die bessere Idee gewesen, wenn sie es vorgezogen hätten, mit der besten aller Frauen Babys zu machen. Sozusagen anstatt Bio essen, Bio machen. Dann hätten Sie zumindest anstatt den Regenwald und die Wale Deutschland demographisch gerettet.
Im Bioladen kann ich per se nichts Ideologisches sehen. Für Gesundheit und besten Genuss kommt es auf die Qualität der Lebensmittel an, möglichst natürlich und ohne Gifte erzeugt sollten sie sein. Deshalb ist Grundvoraussetzung jedes echten Gourmet-Essens unter anderem auch, dass die Zutaten “bio” sind.
Kleiner Nachtrag, Herr Schneider. Schlimmer noch als diese grauen Kurzhaarfrisuren der Damen (Kurze Haare können ja auch sexy sein) sind diese langen gekräuselten grauen-melierten Mähnen dieser speziell gekleideten Damen. Und bitte, den Rucksack nicht vergessen. Die brauchen auch immer einen safe-space, wenn sie High-Heels sehen.
Einen der besten Thilo Schneiders. Großartig auf den Punkt gebracht. Ich habe den Text gespeichert. Vielen Dank für dieses Highlight
Ich weiß, es ist kindisch und ganz und gar albern und wahrscheinlich auch völlig verbohrt: Ich sehe beim Einkauf von Lebensmitteln stets nach, ob sich darauf ein Biosiegel befindet. Und falls, stelle ich das Produkt wieder weg. Es mag darunter durchaus Genießbares geben, nur hatte ich nie das Glück, derartiges gereicht zu bekommen. Biokekse? Warum nicht gleich Bierdeckel? Biowein? Danke, mein Ösophagus möchte ihn nicht. Seltsame Getränke, die pro Schluck mein Leben um Stunden verlängern? Dann lieber mit Tang und Teer eines anständigen Whiskys auf der Zunge umkippen. Selbst die aus was-auch-immer-gemachten Köttbullar bei Ikea gehen leichter runter als ihre vegetarische Mutation. Selten, aber nicht selten genug, muss ich bei biogläubischen, zudem noch vegetarischen Freunden essen. Dann stecke ich mir immer ein Streuselbrötchen sowie eine Leberwurst für den Heimweg ein.
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