P. Werner Lange, Gastautor / 26.09.2024 / 14:00 / Foto: Pixabay / 13 / Seite ausdrucken

Essen beim Türken, Saufen mit Russen

Statt das Wahlverhalten des ostdeutschen Wählers zu beäugen, sollte man lieber das Verhalten von Moderatoren und Medienmitarbeitern im Umgang mit deren Sorgen analysieren.

Als die Berichte über die brandenburgischen Landtagswahlen schon ausklangen, versuchte der ARD-Moderator Sascha Hingst noch, den Alterspräsidenten des Landtages und AfD-Politiker Alexander Gauland davon zu überzeugen, wie vorteilhaft die regellose Massenzuwanderung für die Deutschen sei:

Sprechen wir es mal an: Messerangriffe, Gruppenvergewaltigungen, das sind Themen, wo sich etwas verändert hat, wo wir drauf gucken müssen. Aber auf der anderen Seite verändern sich auch andere Sachen: Wenn wir dann den Herrn Sahin nehmen mit der Corona-Impfung, wir haben wissenschaftlich große Leute, die tolle Ideen haben, die hier zugewandert sind. Wir haben, wenn ich zu meinem kleinen Laden um die Ecke gehe und einkaufen will, kriege ich abends um zehn von meinem kleinen Türken was zu essen, das gab's früher bei mir nicht. Also, ich will sagen, die bringen mir auf allen Ebenen auch was mit. Warum immer nur das Negative betonen?“

Nun, als Moderatoren früher noch hungrig zu Bett gehen mussten, scheint sich das, glaube ich mich zu erinnern, jedenfalls vorteilhaft auf ihre Umgangsformen ausgewirkt zu haben. Der noch spät beim „kleinen Türken“ einkehrende Hingst ist dabei offenkundig zum Flegel geworden. Freilich unterscheidet ihn das nicht von den meisten anderen Moderatoren, die politische Gegner der Regierung während eines Interviews fortwährend durch Bemerkungen und Fragen unterbrechen – überheblich grinsend, wenn dem Befragten dennoch ein vollständiger Satz gelingt.

Und weshalb eigentlich „kleiner Türke“? Ist Hingst vielleicht ein heimlicher Leser des kleinen Akif, oder eher ein überheblicher Lümmel, der auf „seinen“ Türken ebenso herabsieht wie auf den Alterspräsidenten des brandenburgischen Landtages? Und der „Herr Sahin“? Meinte Hingst den Fußballer? Nuri Kazım Şahin oder den Mediziner Uğur Şahin, dem er den Doktortitel ebenso wie seinem Gegenüber vorenthielt? Es ist offenbar nicht einfach, sich die Namen eines Ladenbesitzers und eines Wissenschaftlers, gleich zweier Menschen zu merken, denen man sich angeblich in Dankbarkeit verbunden fühlt. Übrigens, im Gegensatz zu dem Fußballer ist der als Vierjähriger nach Deutschland gekommene und hier ausgebildete Dr. Şahin inzwischen mit dem Ertrag seiner Biontech-Anteile, es sollen viereinhalb Milliarden Dollar sein, sowie mit der gesamten Firma nach England ausgewandert.

Sodann zeigte ein vertrauenswürdig wirkender Mitarbeiter die Ergebnisse von Umfragen, „abgefragt unter den Menschen, die in Brandenburg AfD gewählt haben“. Sind tatsächlich Hunderttausende nach ihrer Meinung gefragt worden? Gewiss ist es doch nur ein „repräsentativer Querschnitt“ – das darf während der Aufführung durchaus gesagt werden. Demnach verlangen zehn Prozent dieser Menschen, „auch Migranten, die schon lange hier arbeiten und einen deutschen Pass haben, sollten das Land wieder verlassen.“

Gauland erwiderte darauf wie schon zuvor, das sei keine Forderung der AfD. Wer einen deutschen Pass habe sei deutscher Staatsbürger und könne – auch nach Verbrechen – nicht ausgewiesen werden. Aber sicherlich erinnerten sich nun viele Zuschauer endlich an die vorgebliche, längst gerichtlich zur Falschmeldung erklärte „Deportationskonferenz“, und das sollten sie schließlich auch. Nunmehr endete das Interview rasch, weil es zum Teil sein Ziel verfehlte, und überdies wartete der „kleine Türke“. Zum Schluss konnte man Alexander Gauland wenigstens noch das entsetzliche Bekenntnis entlocken, Deutschland solle ein Land der Deutschen sein, und schien zufrieden, weil damit eine „völkische Gesinnung“ entlarvt war.

Das rätselhafte Wahlverhalten des Ostdeutschen

Mancher weiß vielleicht nicht recht, was das ist. Mein Duden wusste es vor einem Jahrzehnt auch noch nicht und vermied eine Erklärung für das in der schwärzesten Zeit deutscher Geschichte gebräuchliche Wort. Ein Wort, das politische Gegner jetzt wie ein Geschoss oder wie eine Torte im Gesicht treffen soll. Über den Begriff belehrt oder auch nicht, sannen viele Zuhörer nun sicherlich noch über den gefühllosen Satz des ARD-Moderators nach:

Sprechen wir es mal an: Messerangriffe, Gruppenvergewaltigungen, das sind Themen, wo sich etwas verändert hat, wo wir drauf gucken müssen. Aber auf der anderen Seite verändern sich auch andere Sachen ...“

Schwer zu glauben, dass Medienmitarbeiter, die so leichtfertig über Verbrechen reden, sich irgendwann ihrer Verantwortung bewusst werden und kritisch „drauf gucken“.

Und über Brandenburg hinaus erscheint nicht nur jenen, die aus einträglichen Gründen bemüht sind, allerlei Völkisches aufzuspüren, das Wahlverhalten Ostdeutscher rätselhaft. Da empfiehlt es sich, den Beistand von Experten aus dem akademischen Bereich zu suchen. So bemühte Die Tageszeitung (taz) bereits vor den Wahlen Prof. Dr. Silke Satjukow, Professorin für Geschichte der Neuzeit am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, um zu erfahren, weshalb Menschen in den östlichen Bundesländern bisweilen ein anderes Bild von Russland als jene im Westteil des Landes haben.

Frau Satjukow war bereit, dafür tief in die Geschichte der DDR zurückzublicken. Dabei sah sie geschlossene militärische Objekte, in denen Soldaten und Offiziere der sowjetischen Streitkräfte lebten, aber – so die taz – sie will auch Russen gesehen haben „inmitten der ostdeutschen Bevölkerung, als Nachbarn, die mehr oder weniger Kontakte pflegten.“ Frau Dr. Satjukow war vierundzwanzig Jahre alt, als die Mauer fiel. Sie wird sich gewiss gut der grün angestrichenen Bretterzäune erinnern, hinter denen die kahl geschorenen, ständig gedemütigten und brutal behandelten Soldaten lebten. Wenn man das sah, dann kam durchaus Mitgefühl auf. Von Nachbarn und Kontakten konnte – Besuche der Magazine genannten Verkaufsstellen und beaufsichtigte Veranstaltungen ausgenommen – nicht die Rede sein. Offiziere und ihre Familien hingegen suchten wohl nur überaus selten „mehr oder weniger Kontakt“. Vielleicht im Gespräch mit Pelzwarenhändlern.

Ich weiß nicht, wo die Professorin für Geschichte der Neuzeit den Osten erlebte – es wird jetzt ja viel Verlogenes erzählt und „eingeordnet“. Doch was die Tageszeitung ihr da abgelauscht hat, ist dann doch etwas arg: Ostdeutsche und Russen hätten sich verbrüdert, hätten einander geheiratet, Kinder gezeugt und dergleichen gehörig gefeiert. Mit Satjukows Worten: „Man hat am Abend in den Kneipen miteinander und gegeneinander gesoffen.“ Offenbar an jedem schönen Abend, den Mielke und Mütterchen Russland werden ließen. Nicht verwunderlich, wenn die wirtschaftlichen Leistungen im Osten zurückblieben. Mit Verlaub, das mag eine Erinnerung an ihre Studienzeit in Moskau sein, die der Professorin hier den Rückblick trübt. Dergleichen kann vielleicht manche Berufung, aber keine Wahlentscheidung erklären.

P. Werner Lange, ursprünglich Seemann, ist ein deutscher Autor von Biografien, Reisebeschreibungen, erzählenden Sachbüchern und Hörspielen. Er lebt bei Berlin

Foto: Pixabay

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Gerd Meier / 26.09.2024

In Polen musste mein Vater einmal vor Russen flüchten da sie an seiner Aussprache bemerkten das er kein Pole war…

Lutz Liebezeit / 26.09.2024

Werter Herr @ Herrmann, wenn sie sachbezogene Kommentare in “Putin-Freunde” umdichten, dann sitzen auf der anderen Seite die “Baerbock-Freunde”? / @ Thomas Szabó Die Indianer haben auch eine völkische Gesinnung. Die ist vom Völkerrecht gedeckt. Die Verneinung eines, oder des Volkes ist vom Völkerrecht nicht gedeckt.  Die ist völkerrechtwidrig, oder wie es auch heisst: volksverhetzend, oder rassistisch. Man muß bei Journalisten auf die niedrigen Instinkte gefaßt sein. Ausserdem besteht zwischen dem Zitat und den Parolen auf der Straße kein Unterschied: Kein Mensch ist illegal; No Borders - no nations - no deportations, Seenotrettung ist kein Verbrechen - das sind alle keine Begründung für das Handeln und sie sind auf heimtückische Weise verbrecherisch. Wie reagiert man auf sowas: Nun sind sie halt da! ? Oder: Warum soll das schlecht sein? Ich finde das nicht schlecht? Der Ball wird immer zurückgespielt und man müßte einen langen Vortrag halten, was an den Behauptungen falsch ist, welche Folgen das haben wird, und dabei wird man dauernd unterbrochen. Dahinter stecken psychologische Taschenspielertricks, die das Gegenüber demütigen sollen. Ich denke, man sollte sich in die Verfassung verbeissen und ins Völkerrecht. Da führe die AfD erheblich besser mit.

Ralf Pöhling / 26.09.2024

Bei der ARD (nicht AfD ;-) hat man keinen Schimmer, was hier im Hintergrund läuft. Der Grund dafür ist eine ausufernde Geheimhaltung bzgl. der Aktivitäten der Türken/Muslimbrüder in Deutschland seit etwa 20 Jahren. Eine ausufernde Geheimhaltung, die eher mit Vertuschung zu tun hat. Vertuschung durch die, die heimlich im Hintergrund mit den Türken angebandelt und dann 2015 die Tür aufgemacht haben. Also die CDU, die dummerweise überall im Sicherheitsapparat und in Teilen auch der Justiz ihre Finger drin hat und nicht vor dem Wähler dafür gerade stehen will, von den Türken hinters Licht geführt worden zu sein. Weil das eben schlecht für das Wahlergebnis ist und damit die gut bezahlten Posten weg sind. Bei der AfD wissen wir das. Da sind nämlich nicht nur die Abtrünnigen aus der CDU mit drin, sondern das halbe Bodenpersonal des Sicherheitsapparats.

Gert Köppe / 26.09.2024

Professorin?! Für was? Den geistigen Unrat, den diese Person hier von sich gibt, dafür reicht die Intelligenz eines Suppenhuhns. Die weiß offensichtlich noch nicht einmal, das persönliche Kontakte mit den russischen Besatzungstruppen, von Seiten deren Militärführung nicht erwünscht, ja sogar verboten waren. Der Verstoß wurde sogar unter Strafe gestellt.  Das heißt DDR Bürger hatten so gut wie keinen Kontakt zu den Russen. Nur bei offiziellen, von der SED genehmigten Anlässen, wie z.B. der Besuch einer Schulklasse in einer Russenkaserne, zu Propagandazwecken, da wurde “freundschaftlicher Kontakt” vor geheuchelt. Schließlich wurden die Besatzer ja immer als “Freunde” verkündet. Druschba - Freundschaft! Nix da! Es gab keine Freundschaft. Schon gar nicht privat. Wer hat dieser völlig ahnungslosen Plaudertasche bloß einen Professorentitel verliehen? Da sollte man vielleicht mal nachhaken.

finn waidjuk / 26.09.2024

Irgendwie verstehe ich Herrn Hingst nicht. Dass Dr. Sahin durch seine tolle Idee mit der Corona-Impfung mehr Menschenleben auf dem Gewissen hat als alle Messerstecher der letzten Jahre zusammen, ist mir schon klar. Aber ist das jetzt positiv oder negativ zu sehen?

Dr. Joachim Lucas / 26.09.2024

Der Schwachsinn, der von diesen Leuten abgesondert wird ist nur noch unglaublich.

Didi Hieronymus Hellbeck / 26.09.2024

Was die Unitante erzählt hat, ist Quatsch. Nähere Kontakte zwischen Sowjetsoldaten und DDR-Bürgern gab es kaum. Allerdings mussten in kleinen DDR-Gemeinden auf sowj. Anordnung einheimische junge Frauen auf Kasernenhöfen antreten und das Röckchen für Offiziere und Mannschaften heben. “Mit ohne Sachen drunter”. Fand an bestimmten Feiertagen statt, ist dokumentiert (zumindest in Mecklenburg u. Brandenburg). Wohl eine Art merkwürdiger milit. Brauch, es soll danach auch unglaublich gesoffen worden sein, ABER definitiv KEINE Massenvergewaltigungen.

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