„Huihuihui“, denkt sich der ungeneigte Bürger, „da geht es aber jetzt der Kanzlerin an den Blusenkragen. Hat die doch „was gewusst“, von den Vorgängen im BAMF in Bremen und andernorts.“ Das ist die Stunde der Opposition. Kanzlerdämmerung. So geht es nicht weiter. Und was wäre zur radikalen und schonungslosen Aufklärung besser geeignet als ein Untersuchungsausschuss? Mit der Kanzlerin quasi im Kreuzverhör? Eben!
Die AfD hätte gerne einen Untersuchungsausschuss, der zu einem gnadenlosen und radikalen und totalen Urteil durch den politischen Strang kommt, an dem die anderen Parteien gemeinsam ziehen. Die Linke hätte ebenfalls gerne einen Untersuchungsausschuss, dafür aber mit Freispruch, die GrünInnen wissen es nicht so genau, die SPD hätte schon gerne keinen Untersuchungsausschuss, wenn und sofern keine Fragen nach Mitwirken und Mitwissen der SPD gestellt werden (es ist nicht leicht, Koalition und Opposition in Einem zu sein) und will lieber, dass sich die Kanzlerin selbst untersucht.
Die CDU/CSU könnte sich schon vielleicht eventuell einen vorstellen, wenn die Kanzlerin unbeschädigt bleibt (also ob das jetzt noch ginge – und wie „schonungslose und brutalstmögliche Aufklärung“ aussieht, hat die Union schon an anderer Stelle demonstriert). Die FDP bringt auf jeden Fall einen Antrag ein, der zwar wahrscheinlich keine Chance hat, von den anderen Parteien mitgetragen zu werden, aber sie hat immerhin und wenigstens dann einen Antrag eingebracht. Das ist jedenfalls mehr, als von den anderen Parteien kommt, wenngleich ebenso sinnlos. Zumal der FDP-Antrag ja nicht dazu dienen soll, „jemanden anzuklagen“ (um Himmels Willen aber auch!), sondern „den Frieden in der Gesellschaft wieder herzustellen“.
Und was soll das auch bringen? Was sollte die Kanzlerin auch aussagen? „Klar wusste ich das, aber Quantität musste vor Qualität gehen, wir schaffen das, denn nun sind sie einmal da und ich wüsste auch nicht, was ich hätte anders machen sollen. Schön’n Tag noch.“ Ich schätze, das wäre das Äußerste, was die Kanzlerin der mildtätigen Herzen zugeben und sagen würde. Und dann?
Lauf, Horst, lauf!
Nichts. Es wird und würde nichts passieren. Vielleicht verlieren zwei Rechtsanwälte ihre Zulassung und ein paar Dolmetscher müssen nächstens Haram-Arbeit bei Aldi-Nord verrichten, sofern sie kein Schmerzensgeld bekommen, aber ansonsten? Mögen die Krakeeler am rechten Rand auch „Volksfahrräder, Volksfahrräder“ kreischen – aber es wird Merkel nichts passieren. Weil ihr nie etwas passiert. Weil Angela Merkel, wie ihr Ziehvater, die niedrige Kunst des „Aussitzens“ beherrscht. Warum sollte sie auch zurücktreten oder sich anderweitig Gedanken machen? Die SPD ist letztlich mit sich selbst und Andrea Nah- und Helpless beschäftigt, und in der Union gibt es keinen auch nur annähernd kanzlerfähigen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin.
Ganz im Gegenteil wird Angela Merkel die Gunst der Stunde nutzen und sich von dem nun wirklich nur teilschuldigen Horst Seehofer trennen, der irgendwie eine SMS und seine Koalitionsvereinbarung nicht gelesen hat und das Pech hatte, dass das BAMF seinem Ministerium unterstellt wurde. Altmaier und de Maiziere jedenfalls geben an, Surprise, Surprise, so gar keine Ahnung von ihren ehemaligen Ministerien gehabt zu haben. „Die volle politische Unterstützung“ hat Merkel Seehofer jedenfalls schon ausgesprochen. Ein eigentlich stets sicheres Zeichen dafür, wer für die „ewige Kanzlerschaft“ als nächstes geopfert werden wird. Lauf, Horst, lauf!
Das aber eigentlich Schlimme ist: Mich und nicht nur mich widern diese politischen Winkelzüge einfach nur an. Niemand bekennt sich, niemand hat Schuld, keiner trägt Verantwortung, niemand konnte etwas wissen, plötzlich und auf einmal sind ein paar hunderttausend Menschen wie Fallschirmjäger vom Himmel gefallen, die wahlweise ein „Geschenk“ waren oder sich wild zur „Islamisierung“ entschlossen haben. Je nach Sichtweise. Gut, dass die bundesdeutschen Geheimdienste wenigstens die Zombies der Reichsbürgerfraktion überwachen und in den kläglich gefüllten Kasernenruinen nach Wehrmachtsstahlhelmen fahnden. Wer weiß schon, was sonst so passieren würde?
Politik beruht auf Vertrauen. Dieses Vertrauen wurde 2015 nachhaltig gestört und wird weiterhin von einer im Vergleich gut bezahlten politischen Nomenklatura missbraucht – nun, da sie ja „nun einmal gewählt und damit da sind“. Ich fühle mich gegängelt, missbraucht, angelogen und auf den Arm genommen. Und das ist ja nicht nur beim Thema „Migration und Flüchtlinge“ so. Während auf dem Lande (jede Stadt unter 100.000 Einwohnern) die Bits und Bytes noch einzeln per Briefpost gebracht werden, fällt der Kanzlerin von Neuland nichts Besseres ein, als die DSGVO 1:1 umzusetzen und Daten künftig besteuern zu wollen. Fehlt nur noch der Literpreis, dann geht es los.
Ja, ich weiß: Politik ist kompliziert, erfordert ein Geben und Nehmen und Austarieren, und deswegen wird auch eine FDP mit dem potenziellen Wunschkoalitionspartner nicht allzu streng umgehen und Angela Merkel bei den Anhörungen – so sie kommen – zur Strafe ohne Abendessen ins Kanzlerbett schicken, aber verdammt noch einmal: Macht Euch endlich ehrlich und räumt den Saustall auf, den Ihr geschaffen habt. Sonst tut es der Bürger irgendwann. Und DAS wird nicht schön. Wie es die gut gefüllten und fest geschlossenen Reihen von AfD und Linke im Bundestag beweisen.