Von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT vom 30.11.2007
Jeder kennt den guten alten DDR-Witz. Honecker kehrt von einem Auslandsbesuch nach Ostberlin zurück. Überall sind die Lampen an aber nirgends Menschen zu sehen. Schließlich entdeckt er ein Loch in der Mauer mit einem Zettel: „Der letzte macht das Licht aus“. Morgen in einer Woche ist es wieder soweit. Nur dass diesmal nicht der Letzte das Licht ausmachen soll, sondern alle. „Licht aus für unser Klima,“ heißt die kollektive Verdunkelungs-Aktion. Schlag acht am Abend gehen die Lichter für fünf Minuten aus. Das Brandenburger Tor wird abgeschaltet, der Kölner Dom, Schloss Neuschwanstein und das BMW-Museum. Auch Rainhard Fendrich, Jeanette Biedermann, Sonya Kraus und Nina Ruge sind dabei. Einzig Deutschlands Kühe stehen abseits und weigern sich für fünf Minuten den Methanausstoß zu unterlassen.
Die Initiatoren, darunter eine Boulevardzeitung, eine Fernsehsender und mehrere Umweltverbände wollen auf den Klimawandel aufmerksam machen, weil den ja irgendjemand noch nicht mitbekommen haben könnte. Sie räumen ein, dass die Energieeinsparung durch die Aktion vernachlässigbar sei, es handele sich vielmehr um eine „symbolische Mahnung.“ So etwas hat ja durchaus Tradition. Nachdem die Bekämpfung von Rassismus durch Lichterketten erfolgreich abgeschlossen ist, steht Deutschland also jetzt im Kampf gegen den Klimawandel geschlossen im Dunkeln. Auf Neudeutsch nennt man so etwas „ein Zeichen setzen“. Die Frage lautet nun: Ist es eigentlich das richtige Zeichen?
Für die Antwort sei ein kleiner historischer Exkurs erlaubt. Warum beispielsweise wurde der mitteleuropäische Wald gerettet, der zu Beginn des 18. Jahrhundert größtenteils abgeholzt war und eine viel geringere Ausdehnung hatte als heute? Haben unsere Vorfahren für fünf Minuten kollektiv ihre Öfen abgestellt? Nein, sie erfanden die Dampfmaschine mit deren Hilfe man Steinkohle aus tieferen Erdschichten fördern konnte und ersetzten nach und nach Holz durch Kohle. Und warum überlebten die Wale das große Schlachten, als im 19. Jahrhundert ihr Tran als Brennstoff für Lampen und als Schmiermittel diente? Wurde die Jagd für fünf Minuten unterbrochen um ein Zeichen zu setzen? Nein, stattdessen fing man an Erdöl zu nutzen, damit wurde Walöl überflüssig. Der wahre Retter der Wale heißt Rockefeller nicht Greenpeace. Auch die Steinzeit endete nicht aus Mangel an Steinen, sondern weil erfinderischen Menschen etwas Besseres einfiel.
Die Ideologie des Verzichts eignet sich für symbolische Akte, aber leider nicht zur Lösung von Problemen. Im 21. Jahrhundert wird der Anteil Europas an den weltweiten Kohlendioxid-Emissionen unter zehn Prozent liegen. Europa kann das Problem nicht wegsparen - und Deutschland alleine schon gar nicht. Selbst wenn wir morgen kollektiv das atmen einstellen, ist dies dem Weltklima vollkommen egal. Anstatt das Licht auszumachen, sollte uns allmählich Eines aufgehen.
Eine konsistente Energie- und Klimapolitik besteht eben nicht nur im Abschalten und Aussteigen, sondern darin die Spielräume zu erweitern. Eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke wäre die sinnvollste und wirksamste Sofortmaßnahme. Ansonsten werden alle gut gemeinten Sparbemühungen der Bürger mit einem Handstreich zu Nichte gemacht. Aber das Bedürfnis ein Zeichen zu setzen, übersteigt offenbar das Bedürfnis Lösungen zu finden. Es werde Licht.