Deshalb holt sie uns langsam ein. Dreißig Jahre bevor der Berliner Wirtschaftssenator Sarrazin auf die coole Idee kam, für die Büroräume der Hauptstadt eine Höchsttemperatur von 16° zu verordnen und den Leuten empfahl, sich auch zu hause warm anzuziehen, um gelassen im Kalten sitzen zu können, hat die DDR seine Vorschläge bereits praktiziert. Im so genannten „Katastrophenwinter“1978 wurde für das ganze Land eine Raumtemperatur von 16° verordnet. Ein paar Wochen moderater Kälte genügten, um die volkswirtschaftliche Produktion fast zum Erliegen zu bringen. Restaurants , Kinos und Theater wurden geschlossen., etliche Betriebe auch, weil die Energie knapp wurde. Die DDR-Bürger, die Engpässe gewohnt waren und Improvisieren gelernt hatten, legten sich Kerzenvorräte zu, damit sie bei den zu erwartenden Stromabschaltungen nicht im Dunkeln sitzen mussten. Die sozialistische Menschengemeinschaft zog zwei Pullover über und rückte noch näher zusammen. Taschenlampen ersetzten die ausgefallene Straßenbeleuchtung. Nicht nur Schulkindern ging die wahre Bedeutung des sprichwörtlichen“ Ich werde Dir heimleuchten“ auf. Auf dem Höhepunkt der Energiekrise wurden Büromenschen auf die Straße zum Schneeschippen geschickt, weil die Stadtreinigung versagte. Herr Sarrazin kann sich aus den Berichten jener Zeit noch jede Menge kreativer Ideen holen, wie man mit finanziellen und sonstigen Engpässen umgeht. Oder die älteren Parteimitglieder seines linken Koalitionspartners fragen, die noch genau wissen, wie man politische Unfähigkeit möglichst lange vor der Öffentlichkeit geheim hält. Schließlich hat die SED , als sie noch Staatspartei war,es fertig gebracht, ihre marode Wirtschaft, als die zehnt stärkste der Welt zu verkaufen. Die Legende hielt sich selbst noch, als der SED-Staat längst pleite war. Nur ein Ausweg ist Sarrazin und seinen Genossen versperrt: als im Winter 1978 die Not am Größten war, wandte sich die SED-Regierung an den Klassenfeind und wurde wie so oft von ihm erlöst. Die DDR bekam Ruhrkohle und konnte ihre Heizungen wieder in Gang setzen. Heute ist kein Klassenfeind mehr da, der einen vor den Folgen seiner politischen Fehlentscheidungen bewahren kann. Also: warm anziehen. Denn von der DDR lernen, heißt, früher oder später eine Pleite hinzulegen.