Gastautor / 02.08.2022 / 12:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 41 / Seite ausdrucken

Es stinkt nach verbranntem Zuckerguss

Von Oliver Lang.

„Es bricht mir das Herz, die Sächsische Schweiz so zu sehen", gibt Sachsens Ministerpräsident nach einem Besuch in der gebeutelten Brandregion zum Besten. Da fragt man sich unwillkürlich, wo ist der Mann seit 2018 gewesen als sich im Nationalpark die mausetoten Fichten unübersehbar zu stapeln begannen, ganze Waldareale zu hölzernen Skelettparks mutierten? Man konnte schon damals die sich anbahnende Katastrophe mit Händen greifen.

Vielleicht hat man zu sehr auf Leute wie Hanspeter Mayr gehört, der auch noch im Angesicht der Feuerwalze unbeirrt die feste Ansicht vertritt, die massenhaften Ablagerungen furztrockenen Reisigs und toter Fichtenstämme im gesamten Nationalpark hätten „die Ausbreitung der Brände nicht beschleunigt, schließlich stünden ja auch Buchenwälder mit vitalen Bäumen voller Saft in Flammen", so der Sprecher der Nationalparkverwaltung gegenüber SZ.

Im übrigen „habe man sich auf solche Gefahren bei Brandschutzkonzepten mit der Feuerwehr vorbereitet." Ob das Verbarrikadieren von Waldwegen mit Totholz Teil dieser Konzepte war, wissen wir natürlich nicht. Jedenfalls scheint das, was immer die Nationalparkverwaltung zusammen mit welcher Feuerwehr auch immer vorbereitet hat, gemessen an der Wirklichkeit krachend gescheitert zu sein. Oder, um im Bild zu bleiben, in schier endlosen Rauchsäulen aufgegangen zu sein.

Ebenfalls in Rauch aufgegangen sein dürften im Zuge dieses Natur-Natur-sein-lassen-Luxus-Experiments Abermillionen Steuerzahler-Euro. Unter der Überschrift "Teure Hubschrauber von Polizei und Bundeswehr" schrieb das Feuerwehrmagazin vor nicht allzu langer Zeit: „Die Kosten für einen Flugeinsatz betragen etwa zwischen 4.000 und 23.000 Euro. Pro Flugstunde wohlgemerkt und je nach Modell beziehungsweise Größe." 12 Stück sind aktuell ununterbrochen im Einsatz.

Zu den Kosten der Flüge addieren sich viele weitere horrende Beträge, die im Einzelnen vermutlich noch gar nicht erfassbar sind. Den Wert des verbrannten Waldes, der vernichteten Natur, über den rein theoretisch wirtschaftlichen Schaden hinaus in Zahlen zu fassen, dürfte schier unmöglich sein. Zu diesen und den unmittelbaren Kosten der Brandbekämpfung durch die Wehren kommen noch die Ausfälle der für die Region überlebenswichtigen Tourismusbranche obendrauf.

Der hatte die Untere Forstbehörde des Landratsamtes mit dem generellen Waldbetretungsverbot bis hoch auf den Kamm des Erzgebirges (gibt es in Tschechien bis auf die unmittelbaren Brandgebiete bis heute nicht) noch ein besonderes Bonbon mitgegeben. So sieht das dann wohl aus, wenn der Landrat nach dem um fast drei Tage verschlafenen Katastrophenalarm Aktionismus vortäuschen möchte. Dass sich eine solche anbahnte, das hätte man nach dem bereits von Beginn an verheerenden Brand am Prebischtor wissen müssen.

All das und vieles mehr wird aber bereits wieder zugekleistert mit einem nicht enden wollenden Zuckerguss aus Solidaritätsadressen und „Gemeinsam-schaffen-wir-das-Parolen" der Politik. Ganz deutlich und unmissverständlich: Denjenigen, die da seit vielen Tagen an vorderster Front in Staub, Dreck, Glut, Rauch und Flammenwänden ihr Leben riskieren, gehört tatsächlich und ohne jede Einschränkung unser Dank. Ebenso wie denen, die sich dahinter um die Logistik kümmern.

Heimat aus dem Hubschrauber

Es gibt aber eine andere Seite. Und was da zwingend auf den Tisch gehört, ist die Verantwortung derer, die solch eine Situation herbeigeführt, gefördert, verschlimmert, verschlafen oder was auch immer in dieser Art dazu beigetragen haben. Zur Tagesordnung überzugehen, wie es Kretschmer versucht, kann nicht der Weg sein: „Wir haben hier so viele freiwillige Helfer, Feuerwehren aus ganz Sachsen. Schön, das zu sehen, wir kämpfen zusammen, das ist unsere Heimat".

Wenn du also was sehen willst von der Heimat, dann steig in einen Hubschrauber. Genau das haben sich möglicherweise Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) (die auf Sylt gute Erfahrungen damit sammelte) und Kretschmer gedacht. „Für beide stand am Montagnachmittag ein Hubschrauberflug auf dem Programm", wie die SZ uns wissen lässt. Sachsens Neu-Innenminister und ehemaliger oberster Katastrophenschützer Deutschlands, Armin Schuster (CDU), dagegen kennt sich mit Katastrophen wohl doch nicht so aus.

Es sei eine „völlig neue Herausforderung in dieser Dimension, Flächenbrände bekämpfen zu können. Sachsen müsse zusätzlich investieren. Die Konzepte stehen. Da braucht es mehr Material – wir werden mit 20 bis 30 Millionen Euro Zusatzinvestition arbeiten müssen für große Tanklöschzüge, für spezielle Einheiten in der Luft und am Boden." (MDR) Dabei könnte es sich in Summe locker um etwa den Betrag handeln, der sich gerade in der Sächsischen Schweiz in Asche verwandelt.

Schluss-Seufzer: Wenn wir nur endlich Politiker hätten, die über den Konzept-Status hinauskommen. Doch Deutschlands Auswahl, Beschaffung und In-Dienst-Stellung sowohl von leistungsfähiger Technik als auch geeignetem Personal ist inzwischen geradezu jämmerlich begrenzt, wie beinahe täglich leidvoll zu erleben ist. Wir können uns also sicher auf weitere Katastrophen einstellen. Zumindest das steht fest.

 

Oliver Lang lebt in Pirna und ist als freiberuflicher Medienberater/Pressetexter für verschiedene Kunden tätig.

Foto: Stefan Klinkigt

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Leserpost

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Manfred Knake / 02.08.2022

Die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz gibt es ja nicht erst seit heute. Das, was der Autor beklagt, ist menschengemacht. Durch standortuntypische angepflanzte schnell wachsende und ertragreiche Nadelbaumarten seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die natürlich vorkommenden Baumarten verdrängt. Die Baumartenzusammensetzung soll sich in Richtung standortgerechter Naturwald im Laufe der nächsten Jahre ändern. Zitat von der Seite der Nationalparkverwaltung Sächsisches Schweiz (google hilft): „Der Wald von morgen ist kein parzellenscharfer Altersklassenwald mehr. Er wird die ganze Vielfalt der bei uns so wechselnden Bodenbeschaffenheit widerspiegeln und die verschiedenen Waldgesellschaften oder Baumgruppen werden als ein reiches Mosaik die Wald- und Felslandschaft beleben. Es entsteht zu einem weit überwiegenden Teil ein Laubwald aus bodensauren Buchenwäldern mit Traubeneichen und Weißtannen. Doch auch Stieleichen-Hainbuchenwälder werden sich auf den Staublehmböden der Ebenheiten einstellen. Die reichen Buchenwälder auf den Basaltkuppen, die Relikt-Fichtenwälder in den Schlüchten und die Kiefernwälder der Felsreviere werden aber immer noch da sein, und den Wanderer wie immer begleiten.“ Das Gezetere um die trockenen abgestorbenen Fichten erinnert mich an das Gezetere, als vor ca. fünfzig Jahren im bayrischen Wald damit begonnen wurde, diesen in einen naturnahen Nationalpark umzuwandeln, mit Unterstützung der damaligen Landesregierung. Das war verbunden u.a. mit dem Staatsminister Dr. Franz Eisenmann (CSU), mit dem Forstmann Dr. Hans Bibelriether, den Naturschützern Hubert Weinzierl und Horst Stern, der seit den Siebzigern ganz hervorragende Fernsehbeiträge lieferte. 1997 fraß der Borkenkäfer im Nationalpark Bayerischer Wald ca. 1.500 Hektar Bergfichtenwald zu Baumleichen kaputt, worüber sich die Medien (wie heute an andere Stelle wieder, also nichts dazugelernt) darüber „das Maul zerrissen“ und „Krokodilstränen vergossen“ (Zitate Horst Stern).

Chr. Kühn / 02.08.2022

Ich weiß, daß das Folgende wenig tröstlich ist, aber die Natur wird sich das schon so richten, wie es ihr, bzw. den sie bestimmenden Grundgesetzen (physikalisch, chemisch, geologischm, biologisch…d. h. den Naturgesetzen), paßt. Sie wird beizeiten auf die sich ändernden Gegebenheiten vor Ort reagieren; manche davon bestimmt sie auch selber, ist es halt ein dynamisches System, in dem eine Variable von vielen der menschliche Einfluß ist. Was in der Folge dabei herauskommt, ob eine neue Vegetationslandschaft, vielleicht mehr von Laubbäumen bestimmt, vielleicht mehr von trockenheitsresistenten Pflanzenarten ohne Bäume, vielleicht als Graslandschaft oder als Wüste…die zu dem jeweiligen Zeitpunkt dort lebenden Menschen werden damit leben müssen. Der Sandstein des Elbsandsteingebirges ist aus der Kreidezeit, hat also um die 100 Millionen Jahre auf dem Buckel. Es hat ihn lange vor den Menschen gegeben, die Erosion hatte genügend Zeit, aus dem Stein die Bastei oder den Lilienstein zu formen, und es wird ihn auch lange nach den Menschen noch geben. Auch die Elbe wird aller Voraussicht nach noch eine Weile sich durch diese Engstelle schlängeln. Und falls ihr dereinst doch das Wasser ausgehen sollte, gibt es dort halt ein Wadi. Vielleicht ist dann im Gegenzug die Sahara wieder grün, wer weiß das schon? Daher: panta rhei, saxa loquuntur, nichts bleibt, wie es ist, und es geschieht doch nichts Neues unter der Sonne.

Helmut Driesel / 02.08.2022

  Also ich habe jetzt eine Weile darüber nachgedacht - es ist halb so schlimm. Weil nämlich die Landschaft der sächsische Schweiz mit wenig oder gar keinem Wald auch nicht schlecht aussieht. Ja selbst in einem Stadium wie dem Grand Canyon würden die Urlauber noch in Massen anreisen. Aber so weit wird es ja nicht kommen, grün ist auch die Steppe. Und die viele Holzkohle lässt sich verkaufen.

Hans-Peter Dollhopf / 02.08.2022

S. Andersson / 02.08.2022: “Von den 100 Mrd € die für KRIEGSZWECKE raus gehauen wurden .... “ Was was was? Der Militärhaushalt hatte 2021 ein Volumen von 46,9 Mrd. Euronen.

A.Schröder / 02.08.2022

Schauen sie mal nach Afrika, wie schön alles nach einem Savannenbrand wieder wächst. Achja, unser aller Bodo in Th. hat wegen ein paar abgeknickten Bäumen sogar seinen Urlaub unterbrochen. Im Winter macht er keinen Urlaub, kann also nicht unterbrechen, wenn Menschen in ihren Wohnungen erfrieren. Alles relativ.

Rolf Wächter / 02.08.2022

Der aufgeräumte Wald früher war nicht nur schöner zum Wandern, er war auch besser befahrbar für Forstfahrzeuge und Feuerwehr. Was in den Argumenten zu den Wäldbränden noch fehlt, ist eine Verbindung zu Putin. Ist die für unsere Staatsmedien so schwer herzustellen? Sonst geht das doch bei allen Unmöglichen auch.

Oliver König / 02.08.2022

“Denjenigen, die da seit vielen Tagen an vorderster Front in Staub, Dreck, Glut, Rauch und Flammenwänden ihr Leben riskieren” Böse weiße Männer wohlgemerkt. Oder hat jemand Feministinnen oder Transen etc. gesehen, die doch sonst an allem “teilhaben” wollen?

Leo Hohensee / 02.08.2022

Bei den verheerenden Waldbränden im Südosten Australiens war es doch genau dasselbe. Umweltschutz-Spezial-Fachleute hatten per Gesetz dafür gesorgt, dass Unterholz auf jeden Fall verbleiben mußte. Das Wissen der Aborigines war umweltschutzfeindlich. Diese sorgten ihren Erfahrungen und Einschätzungen entsprechend immer mal wieder für kontrolliertes Abbrennen des Unterholzes. Man sollte es nicht glauben aber diese Ureinwohner wußten schon, ohne abgebrochene Studiengänge, dass Blitze nicht vermeidbar sind, genau so wenig wie es die Gewitter selbst sind - das auch ohne Klimawandel. Aber zur Erlangung von Wissensgrundlagen wendet man sich besser an die Newcomer wie das Lehnchen oder die Ricarda Lang, den Omid Nouripour - also die “Frischen” modern ausgebildeten. Die können ja zur Not immer mal nachfragen bei den alten Hasen wie dem Cem, oder noch besser bei dem Mann mit der “Kugel Eis”. Der Robert kuckt am Ende sowieso noch mal drüber. Der kann dann auch noch ein Kinderbuch schreiben über den verbrannten Waldkautz. Das rührt dann die Herzen zwecks Spenden. Oder, jetzt ganz innovativ gedacht, wenn das Stromnetz für den Strom der Speicher ist, dann könnte man unsere Flüsse doch für das Wasser als Speicher ansehen. Dann lassen wir doch die Flüsse nicht dauernd leer laufen, wir speichern die Flüsse voll - ist doch klar, dann haben wir auch genügend Wasser wenn es brennt. That´s it !

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