Martina Binnig, Gastautorin / 08.02.2023 / 16:00 / Foto: TimsAI / 20 / Seite ausdrucken

Es ist nicht vergessen: Corona-Aufarbeitung im Kulturbetrieb

„Hauptsache GEIMPFT“: Unter diesem Titel hat die österreichische Initiative „What's Opera Doc“ eine 30-minütige Doku über die Diskriminierungen im Kulturbereich während der Corona-Krise produziert, die unter die Haut geht.

Denn in der Reportage wird beklemmend deutlich, welch immenser Druck auf Bühnenkünstler wie etwa Opernsänger lastete, die eine höchstpersönliche gesundheitliche Entscheidung nicht dem Staat oder ihrem Theater überlassen wollten. Mitwirkende sind die Sängerinnen Jenifer Lary, Renée Morloc und Marlis Petersen, Dirigent Karl Sollak, Sänger Thomas Stimmel sowie – anonymisiert – eine Gesangsdozentin, eine Musik-Managerin und ein Tontechniker. In Interviewausschnitten, die zu einer Collage zusammengefügt sind, lassen die acht Künstler differenziert an ihren persönlichen Erlebnissen teilhaben.

Die renommierte Opernsängerin Elisabeth Kulman von „What's Opera Doc“ beginnt ihre Einführung in die Doku mit den Worten: „Wir müssen reden.“ Es funktioniere nicht, einfach zu sagen: „Schwamm drüber, war ja nix!“ Denn es gebe Wunden, die versorgt werden müssten. Das zeige überdeutlich die umfangreiche Recherche mit zahlreichen Korrespondenzen, die „What's Opera Doc“ über mehrere Monate hinweg geführt habe. Aus Gesprächen mit den acht repräsentativen Mitwirkenden seien über 10 Stunden Interviewmaterial entstanden, aus dem die wichtigsten Aspekte zusammengefasst worden seien. Es gehe darum, Diskriminierungen aufzuzeigen, einen Anstoß zur dringend nötigen Aufarbeitung des Unrechts, das vielen angetan worden sei, zu geben, aber auch dazu einzuladen, wieder aufeinander zuzugehen, sich mit gegenseitigem Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen und ganz im Sinne der Aufgabe der Musik Brücken zu bauen.

Die Doku beginnt mit einer Stimme aus dem Off, die Tagebuchaufzeichnungen vorliest. Die Stimme ist verfremdet und gehört der anonymisierten Gesangsdozentin. Minutiös hat sie ihre Ängste festgehalten. Angst davor, keine Konzertbuchungen mehr zu bekommen. Angst, ihre Managerin und ihren Job an der Uni zu verlieren. Angst, nicht habilitiert werden zu dürfen, weil der Hochschulbetrieb nur noch unter 2G-Bedingungen abläuft. Dabei sind medizinische Behandlungen gerade für Sänger eine heikle Angelegenheit. So gibt Jenifer Lary zu bedenken, dass jeder Eingriff in den Körper die Stimme verändern kann. Was ein durchaus rationaler Grund dafür ist, bei neuen Behandlungen wie der mRNA-Technologie vorsichtig zu sein, wurde aber als „unsolidarisch“ und „rechts“ bezeichnet und mit dem Vorwurf verknüpft, „der Wissenschaft“ nicht zu vertrauen.

Renée Morloc berichtet ebenfalls von Diffamierungen, denen sie ausgesetzt war, und Marlis Petersen hatte den Eindruck, dass es manchen sogar zu passe gekommen sei, andere degradieren zu können. Thomas Stimmel wiederum bekam bei einer Premierenfeier von der Intendantin gesagt, dass er leider zukünftig nicht mehr engagiert werden könne, da nur noch Geimpfte besetzt würden. Er verspürte keinen bösen Willen dahinter, doch es machte ihn sehr traurig. Stimmel fasst zusammen: „Für mich ist es erschreckend, dass innerhalb kürzester Zeit so tiefe Gräben in eine Gesellschaft gerissen werden können.“

Durch Berufsverbote Existenzen vernichtet

So hätten manche Intendanten in vorauseilendem Gehorsam noch schärfere Regeln durchgesetzt als notwendig. Doch Stimmel sieht es als die Pflicht eines engagierten Staatsbürgers an, Machtmissbrauch auch anzuprangern. Renée Morloc erzählt, wie ihr die Schuld für die „Unfreiheit“, die Leute wie sie an den Theatern geschaffen hätten, gegeben und ihr nahe gelegt worden sei, „wieder demokratischen Prinzipien“ zu folgen. Sie sei als unkollegial diskreditiert, aus der Gesellschaft ausgeschlossen und entmenschlicht worden – wie eine Aussätzige. Beispielsweise musste sie als einzige auf der Bühne in dem Moment eine Maske aufsetzen, in dem sie aufhörte zu singen, sodass das Publikum sofort sehen konnte, dass sie „ungeimpft“ war. Für die alle zwei Tage geforderten PCR-Tests habe sie auch schon mal drei Sunden in bitterer Kälte Schlange stehen müssen. Und als ein geimpfter Kollege als Einspringer einmal nicht mehr rechtzeitig einen Test vorlegen konnte, musste nicht er, sondern sie als Ungeimpfte sogar beim Singen eine Maske tragen. 

Auch Marlis Petersen machte absurde Erfahrungen: Als ein Regisseur trotz dreifacher Impfung positiv getestet worden war, musste sie „zum Schutz“ nach Hause und eine Woche in Quarantäne gehen, obwohl sie selbst negativ getestet und völlig gesund war. Auch als ein viermal geimpfter Kollege einen positiven Test hatte, wurde wiederum sie nach Hause geschickt. Man habe einfach die Regeln, die von oben kamen, befolgt, selbst wenn sie völlig unlogisch waren. Neben den Interviews sind in der Doku auch kurze Videoausschnitte als Zeitdokumente eingearbeitet, in denen beispielsweise das geflügelte Wort von der „Pandemie der Ungeimpften“ (Markus Söder) oder sogar der „Tyrannei der Ungeimpften“ (Frank Ulrich Montgomery) festgehalten ist.

Grundlage für die Degradierung der „Ungeimpften“ als Sündenböcke war die These, dass eine Impfung davor schütze, andere anzustecken. Genau dies war jedoch nie der Fall, wie Thomas Stimmel anmerkt: In einer Anhörung im EU-Parlament im Oktober vergangenen Jahres gab sogar eine Pfizer-Sprecherin zu, dass die Impfstoffe nie daraufhin getestet worden seien, eine Fremdansteckung zu verhindern. Auch diese Szene ist in der Doku im Original zu sehen.

Karl Sollak weist darauf hin, dass wie in einer Wildwest-Manier in gut und böse unterschieden und gleichsam durch Berufsverbote Existenzen vernichtet worden seien. Während sich die kanadische Politikerin Danielle Smith für die Diskriminierung der „Ungeimpften“ entschuldigt habe, warte man in Österreich jedoch noch vergeblich auf das Eingeständnis der verantwortlichen Politiker, sich geirrt zu haben. Sollak würde nie jemandem anderen sagen, dass er sich nicht impfen lassen solle, möchte aber für sich selbst entscheiden können, was für ihn gut ist. Die Erfahrung, dass ihnen die Selbstbestimmung genommen wurde, betrifft selbstverständlich nicht nur Künstler, doch waren gerade diejenigen unter ihnen, die in der Öffentlichkeit agierten, in besonderem Maß dem Druck von Politik, Medien, Arbeitgeber, Familie und Freunden ausgesetzt. Es sei, so Thomas Stimmel, eine derart große Angst gesät worden, dass rationales Denken nicht mehr möglich gewesen sei.

Es geht den Protagonisten der Doku nicht um Anschuldigungen, sondern darum, „ehrlich miteinander weiter musizieren“ zu können. Doch dazu müsse ausgesprochen werden, was geschehen ist. An den Theater werde allerdings so getan, als wäre nie etwas gewesen. Vielleicht werden manche, denen die Dimension der Ausgrenzungen bislang nicht bewusst war, weil sie selbst nicht davon betroffen waren, durch den Kurzfilm tatsächlich zum Nachdenken angeregt. Jedenfalls lädt „What's Opera Doc“ dazu ein, Künstler-Persönlichkeiten kennen zu lernen, die kritisch hinterfragen und sich mutig zu Wort melden.

Foto: TimsAI

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Sabine Heinrich / 08.02.2023

@Torsten Hopp: “Freiheitsgroßfressen” - sehr treffende Beschreibung der stramm “gegen rechts” und gegen C- Impfkritiker pöbelnden Multimillionäre wie die von Ihnen genannten - und unzählige mehr. Die größte Enttäuschung allerdings war für mich Reinhard Mey, der so unglaublich treffende Lieder wie “Das Narrenschiff” geschrieben hat oder “Nein, meine Söhne geb’ ich nicht her”. Von Kommunisten wie Wader oder Wecker habe ich nichts Regierungskritisches erwartet, deren Schweigen hat mich nicht im geringsten verwundert - aber von Mey? Da er sich in dieser furchtbaren Zeit seit März 2020, als Stück für Stück das Grundgesetz außer Kraft gesetzt wurde und Millionen nicht “folgsamer” Bürger in einem Ausmaß drangsaliert wurden, wie ich es mir nie hätte vorstellen können - außer in einer Diktatur - nicht zu Wort gemeldet hat, dachte ich, er sei krank oder (zusätzlich) dement. - Aber nein - er tourt fröhlich durch die Lande! Für ihn - sicher mehrfacher Millionär - habe ich nur noch abgrundtiefe Verachtung übrig! Er hätte NICHTS zu verlieren gehabt (hat längst seine Schäfchen im Trockenen), wenn er sich auf die Seite derer gestellt hätte, die unter den Steuerern des “Narrenschiffs” unendliches Leid zu ertragen hatten und weiter ertragen müssen. Schweigender Feigling! Feigling!!! -  Bewundernswertes “Gegenstück” - Nena, die Geächtete.

Heiko Engel / 08.02.2023

Überfällig ! Coronauntersuchungsausschuss und ordentliche Gerichte. JETZT !!! Keine Gefangene und KEIN Verzeihen. Schönen Abend.

Emmanuel Precht / 08.02.2023

Vielleicht werden ja in 70/80 Jahren Prozesse gegen z.B. eine heute 16 jährige Auszubildende von der Theatergadrobe oder aus dem Intendantenbüro wegen millionenfacher unterlassener Hilfeleistungen verurteilt. Haben wir ja gerade in anderem Zusammenhang erlebt. Wohlan…

Sam Lowry / 08.02.2023

Was versteht der Durchschnitts-Doitsche unter Kultur? Richtig: Am einem Traumstrand in Thailand bei dem schönsten Sonnenuntergang in Tennis-Socken und Birkenstock am Strand latschen und lautstark meckern, dass man Sand in die Schuhe bekommt. Ich hasse sie mittlerweile so sehr…

Ulrich Viebahn / 08.02.2023

“... manche Intendanten in vorauseilendem Gehorsam noch schärfere Regeln durchgesetzt als notwendig.” Biografien aus dem Nationalsozialisten-Regime sind übervoll von Beispielen vorauseilenden Gehorsams. Nicht einfach nur Wegsehen oder Nicht-Wissen-Wollen. Ohne die bereitwilligen Mitmacher hätten es totalitäre Regierungen viel schwerer.

Xaver Huber / 08.02.2023

Es ist schwierig, zu prognostizieren, ob die Täter ihre Motive, ihr Handeln und Wirkungen im Rahmen der medialen „Erzählung“ der letzen drei Jahre bewahren können. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, könnte sich eine moralisch-politische Konstellation ergeben, die jene des 8. Mai 1945 übersteigt.

S. Marek / 08.02.2023

Japanische Forscher verklagen die Regierung wegen Verschweigens unbequemer Wahrheiten über den Jab “Als Mediziner und Wissenschaftler hatte ich keine andere Wahl, als es zu wagen, rechtliche Schritte einzuleiten.” Der Wachsame Fuchs 6. Februar 2023   vigilantfox.substack com   Ursprünglich veröffentlicht auf DailyClout p japanese-researchers-sue-the-government   “Wir haben heute eine Klage gegen die japanische Regierung eingereicht, um die Aufhebung des Verwaltungsaktes zu erreichen”, verkündete Dr. Masanori Fukushima auf einer Pressekonferenz am 2. Februar 2023. Da das japanische Gesundheitsministerium sich weigert, den kausalen Zusammenhang zwischen Impfstoffen und Todesfällen anzuerkennen, sagten Professor Fukushima und ein Team von Forschern, daß sie “keine andere Wahl hatten, als rechtliche Schritte zu wagen.”  Masanori Fukushima ist ein Experte für Infektionskrankheiten und emeritierter Professor an der Universität Kyoto - mit über 25 Jahren Erfahrung in der Onkologie. Er hat auf die Risse im Impfstoff-Narrativ eingehämmert und das japanische Gesundheitsministerium Ende letzten Jahres öffentlich verurteilt.  ..

Xaver Huber / 08.02.2023

In Replik Herrn Torsten Hopps rhetorischer Frage, die er bereits selbst beantwortete: die von ihm genannten Millionäre waren dort, wo auch ihre Einkommenskollegen waren:  in und auf ihren Villen ideologisch an der Seite der Herrschenden. Ihr Vermögen mag viele Nullen aufweisen, ihre charakterliche Niedertracht übersteigt jene in vielfacher Hinsicht.

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