Es ist keine Lösung, Europa immer ärmer zu machen

Um Corona-Bonds sind wir also gerade noch einmal herumgekommen. Vorerst. Schon machen sich neben den heillos überschuldeten Südeuropäern auch hierzulande führende linke und grüne Politiker dafür stark, dass eines der wenigen verbliebenen EU-Länder, das überhaupt noch etwas abzugeben hat, die Schuldenunion finanziert. Allerdings ist es fast schon einerlei, ob nach unzähligen weiteren Finanzministertreffen Anleihen beschlossen werden, für die alle EU-Länder gemeinsam haften. Denn der 2012 wegen der Euroschuldenkrise ins Leben gerufene ESM ist quasi eine gemeinsame Anleihe im Gewand eines „Rettungsfonds“. Gesichert durch Einlagen der Eurostaaten, nimmt er Kredite am Kapitalmarkt auf und reicht sie an Staaten weiter, die am Markt höhere Zinsen zahlen müssten oder keine Kredite mehr bekämen.

EU-weit hat man sich nun auf ein Paket geeinigt, das rund eine halbe Billion Euro bereitstellt. Die Vereinbarungen bedeuten, dass die chronisch kranken Volkswirtschaften vorerst weiter künstlich beatmet werden können. Und weil die in Aussicht gestellten Hilfsgelder aus anderen Töpfen nicht ausreichen, wird eben auch der ESM angezapft. Der „Eurorettungsschirm“ soll knapp die Hälfte der astronomischen Summe von 500.000.000.000 Euro beisteuern. Offiziell handelt es sich dabei um Kredite, doch jeder, der bei Verstand ist, weiß, dass eine Rückzahlung unrealistisch ist. Weil der ESM jedoch nur für Euro-Länder zugänglich ist, gibt es Gedränge im Wartezimmer der Beitrittskandidaten. Unverblümt heißt es etwa aus Bulgarien, dass man den Beitritt forciere, um an die ESM-Gelder zu gelangen. Wer den Euro jetzt noch haben will, muss schon sehr verzweifelt sein.

Die Töpfe leeren sich atemberaubend schnell

Verzweiflung macht sich auch im Süden Europas breit. Die strukturell, politisch und wirtschaftlich in vielerlei Hinsicht nur mäßig erfolgreichen Staaten schielen nach dem Geld jener EU-Partner, die nicht nur Überschüsse erwirtschaftet haben, sondern auch wirtschaftlich stark genug sind, diese in den Transferkreislauf zu pumpen. Mit Blick auf die Zahlen für 2019 kommt dabei strenggenommen nur Deutschland in Betracht. Doch schon im laufenden Jahr ist weit und breit niemand mehr zu sehen, der guten Gewissens etwas abzugeben hätte.

Die Töpfe leeren sich in atemberaubendem Tempo, und wer glaubt ernsthaft daran, dass die Schuldensituation in einem Jahr eine andere sein wird? Wo sollen künftig die fehlenden Billionen herkommen? Europa steuert auf eine Staatsschuldenkrise zu, die den Beinahe-Zusammenbruch vor zehn Jahren in den Schatten stellen wird. Nicht nur die IWF-Chefin zeichnet ein düsteres Bild. Selbst ohne volkswirtschaftlichen Sachverstand muss jedem klar sein, dass wir vor einer völlig neuen Zeitrechnung stehen. Mancher mag das gar begrüßen. Nicht wenige äußern ihre unverhohlene Schadenfreude darüber, dass es „den Reichen“ nun an den Kragen gehe – und übersehen, dass sie selbst die ersten Opfer sein werden.

Die Welt braucht möglichst viele Vermögende, damit dem übergroßen Rest überhaupt ein auskömmliches Dasein ermöglicht werden kann. Wo sollen die umzuverteilenden Mittel des Staates herkommen, wo die Arbeitsplätze und wo die dringend benötigten Forschungs- und Entwicklungsgelder, wenn Gesellschaften Jagd auf ihre Vermögenden machen? In Deutschland scheint dieses Verständnis kaum vorhanden.

Spanien erweist der Europäischen Idee einen Bärendienst

Es kann nur ein Ziel geben: Wir müssen jene stärken, die noch die Kraft besitzen, Steuereinnahmen und Arbeitsplätze zu schaffen. Und wir müssen mit Augenmaß vorgehen, wenn wir jenen helfen, die in Not sind. Es ist unerlässlich, dass Europa sich nun solidarisch zeigt, und es ist richtig, dass eine EU, die unter anderem für diesen Zweck gegründet worden ist, den Schwächsten auf dem Kontinent unter die Arme greift. Ein völlig falsches Signal senden aber jene Staaten aus, die ihren Bürgern nun ein lebenslanges bedingungsloses Grundeinkommen als Ausweg aus der Krise in Aussicht stellen.

Spanien erweist der Europäischen Idee damit einen Bärendienst und strapaziert die Solidarität seiner zahlungskräftigen Partner aufs Äußerste. Wir kennen derlei aus Deutschland, wo Schuldenmachen mancherorts als sexy gilt, weil ein Anderer die Rechnung zahlt. Hüten wir uns davor, die Corona-Krise dazu zu nutzen, sozialistische Tagträume in die Tat umzusetzen. Wir stehen vor einer Weggabelung, die über die Zukunft des Kontinents entscheidet. Noch haben wir es in der Hand, Verteilungskämpfe als Vorboten eines neuen Krieges auf europäischem Boden zu verhindern. Die Krise lehrt uns, dass wir eng zusammenarbeiten müssen.

Sie zwingt uns aber auch dazu, unsere Gemeinschaftswährung ebenso auf den Prüfstand zu stellen wie eine Europäische Union, die sich in besseren Zeiten zum Herrscher aufspielt und ihr Versagen in Krisenzeiten mit Milliardensummen zu kaschieren versucht. So wichtig es jetzt wäre, dass die Verantwortlichen eine ergebnisoffene Debatte führen, so groß ist die Sorge, dass der eingeschlagene Irrweg künftig um so beharrlicher beschritten wird.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis BlogLiberale Warte".

Foto: Von Reichsbankdirektorium Berlin Godot13, Gemeinfrei, Link

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Karla Kuhn / 16.04.2020

Dr. Lucas, “Dass dieses Euroexperiment in den Ruin aller führt.” ALLER bestimmt nicht, ich vermute (ich wette), daß eine bestimmte Kaste ihre Schäfchen schon längst im Trocknen hat, sonst würde sie ich nicht so aufführen. Aber viele “Michels”  lassen ja lieber denken, als die eigen 1400- bis 1500 Gramm Masse mal anzustrengen !! Wenn ich bedenke, WAS für eine MACHT wir haben…....., vor allem mit den Gedanken an unsere unselige Vergangenheit !! Und diese nicht nutzen,  frage ich mich, sind die überwiegenden derjenigen, die hier schon länger leben wirklich Masochisten ?? Oder nur zu bequem, um aus ihrer Komfortzone rauszukommen ??

N. Kerner / 16.04.2020

Soweit ich gehört habe, gibt es immer mehr Millionäre ect…also scheint es ja immerhin in dem Bereich keinem Mangel zu geben. Was bin ich froh, dass es immer mehr Leute gibt, die sinnlos Geld ausgeben können, wenn sie wollen.

Günter H. Probst / 16.04.2020

Der Mechanismus ist eigentlich sehr einfach: Die Staaten verschulden sich, indem sie Staatsanleihen ausgeben, um die Wähler der herrschenden Parteien bei Laune zu halten. Die EZB kauft diese Staatsanleihen auf und weist lediglich eine um Billionen erweiterte Bilanz auf. Die auslaufenden Staatsanleihen werden durch neue höhere Staatsanleihen abgelöst. Ich weiß nur nicht, ob die Herrscher diesen Mechanismus bis in den Trillionenbereich betreiben können. Zum Schluß gehen die Staaten bankrottt und die EZB hops. Es fehlte an Nachhaltigkeit.

Gabriele H. Schulze / 16.04.2020

@Frances Johnson: Ihre Philippika an Herrn Söder unterschreibe ich vorbehaltlos.

Otto Nagel / 16.04.2020

Herr Peymani, ich muß Ihnen widersprechen. Die Töpfe werden nicht in einem angsterregenden Tempo geleert, sie werden in einem angsterregenden Zzustand immer wieder neu gefüllt !  (! EZB, Target, EU, Merkel ). Wir nähern uns mit Vollgas wieder 1929 !

Gudrun Dietzel / 16.04.2020

@Frances Johnson, zu Ihrer Attacke gegen Söder muß ich mir die Sprache meiner Söhne und Enkelkinder ausleihen: Give Me Fife! Große Klasse.

Uta Buhr / 16.04.2020

Lieber Herr Peymani, wieder einmal ein sehr guter Text aus Ihrer Feder. Nur - wer hört auf Sie und Ihre vernünftigen Vorschläge? Die Damen Merkel und Lagarde sowie ihre speichelleckerischen Adlaten mit Sicherheit nicht. Die Schuldenmacherei wird munter weitergehen wie bisher, bis sowohl der Euro als auch die EU am Ende sind. Wenn es soweit ist, wird wieder niemand die Verantwortung für das Desaster übernehmen wollen. Und die verschlafenen Bürger haben mal wieder von allem nichts gewusst. Tanzen wir also weiter im Ballsaal der “Titanic.”

Wolfgang Kaufmann / 16.04.2020

Die Linken haben das Perpetuum Mobile erfunden: Die 10% Alten Weißen Männer dürfen gnädigerweise die restlichen Sozialschmarotzer (w/f/d/t/q) finanzieren, sonst werden sie ersetzt (sonst auch). Gleichzeitig fürchten sie das reale Perpetuum Mobile wie der Teufel das Weihwasser, nämlich eine saubere und sichere Energieversorgung auf der Grundlage neuester Kerntechnologie. – Marx mit seiner Entfaltung der Produktivkräfte hatte freilich eher die Ausbeutung der Natur durch den Menschen im Sinn als die Ausbeutung der Arbeiter durch die Schwätzer.

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