Jörg Schneidereit, Gastautor / 17.11.2022 / 11:00 / Foto: nasa / 39 / Seite ausdrucken

Es ist geschafft – nun ist sie oben! 

Von Jörg Schneidereit.

Artemis 1 ist gestern Morgen erfolgreich zum Mond gestartet. Mit dem Start beginnt nun ein neues Abenteuer für die Menschheit, ein neuer Schritt in den Kosmos. Ein kleines Plädoyer für die menschliche Neugier.

Nach mehr als 11 Jahren Entwicklung, hunderttausenden beteiligten Forschern, Spezialisten und Visionären, nach politischen Querelen und ideologischen Fehlentscheidungen hat letztlich menschlicher Wille und Forschungsgeist triumphiert: Die Menschheit ist nach 50 Jahren Unterbrechung wieder auf dem Weg zum Mond. Die neue Trägerrakete, das „SLS“ (Space Launch System), ist einsatzfähig. Für mich sind dies wundervolle Nachrichten – insbesondere in einer sich immer mehr selbstverleugnenden, technikfeindlichen, und zum Aberglauben und geistigen Rückschritt tendierenden Welt der Klimakleber, Windrädchen-Propagandisten, Kernkraft-Abschaffer und Lastenrad-Jünger. 

Ich bin ein Kind des Raumfahrt-Zeitalters. Gerade sieben Monate alt, saß ich an einem Juliabend des Jahres 1969 auf dem Schoß meiner Mutter vor dem alten Schwarzweißfernseher meiner Eltern und erlebte – gemeinsam mit Millionen anderen Erdenbürgern –, wie zwei Menschen den Mond betraten. Als Astronaut Eugene Cernan, Kommandant von Apollo 17, am 14. Dezember 1972 als letzter Mensch die Mondoberfläche verließ, hätte vermutlich niemand gedacht, dass es mehr als ein halbes Jahrhundert dauern würde, bis die Menschheit erneut einen Fuß auf den Mond zu setzen imstande sein wird. 

Die Ziele gingen in andere Richtungen: Seitdem gab es die Space Shuttle Ära; das riesige, komplexe Forschungslabor ISS umkreist seit zwei Jahrzehnten unseren Planeten; auf unserem Nachbarplaneten Mars fahren hochentwickelte, ferngelenkte Rover umher; wir haben mit leistungsfähigen Sonden unser gesamtes Sonnensystem erkundet und Weltraumteleskope wie Hubble und James Webb erkunden die Tiefen des Alls. 

Ein neuer Schritt in den Kosmos

Nun ist unsere allernächste Nachbarwelt endlich wieder im Fokus – und diesmal ist die Menschheit (dem Kalten Krieg und Wettläufen zwischen politischen Gegnern ein gutes Stück entwachsen) gekommen, um zu bleiben. Von der bald schon entstehenden, den Mond umkreisenden „Gateway“-Station, werden mit dem neuen „Orion“ Raumschiff nicht nur reguläre Mondlandungen stattfinden, sondern im nächsten Jahrzehnt auch bemannte Flüge zum Mars. Der gestrige unbemannte Teststart ist einerseits die erste Erprobung eines völlig neuen Trägersystems als auch eines komplett neuen Raumschiffs. Die von der NASA entwickelte „Orion“-Kapsel wird – gekoppelt an das komplett in Europa entworfene und gebaute Service-Modul (ESM) – für insgesamt 25 Tage zum Mond unterwegs sein, diesen umkreisen und danach – hoffentlich wohlbehalten – wieder zur Erde zurückkehren. Mit dem gestrigen, nach vier Verzögerungen seit August, reibungslosen Start beginnt nun ein neues Abenteuer für die Menschheit, ein neuer Schritt in den Kosmos. 

Den gegenwärtig allerorts unkenden und überheblich-hämischen Stimmen, selbst in der „Qualitäts“-Presse, möchte ich Folgendes zu bedenken geben: Verzögerung, Abbruch und Verzug sind in der Raumfahrt nicht die Ausnahme, sondern die (der Vorsicht geschuldete) Regel. Dies ist die leistungsstärkste, neueste Rakete auf diesem Planeten. Wenn irgendetwas damit schiefgeht, dann heißt das ganz simpel: Katastrophe. Genau das möchte man vermeiden. 

Ein wenig Detailwissen zum Verständnis? 

In den Haupttanks und Feststoff-Boostern der 98 m hohen und 2.500 t schweren Riesenrakete befinden sich 648 t hochexplosiver Treibstoff. Die vier Haupttriebwerke (RS-25) des SLS stammen noch aus dem Space Shuttle und stellen seit dem Ende der „Saturn V“ Apollo-Mondrakete 1975, mit ihren unerreichten 6,9 MN Schub, die seitdem schubstärksten Flüssigkeitstriebwerke der Welt dar. Am Heck der Orbiter Columbia, Challenger, Discovery, Atlantis und Endeavor waren jeweils drei davon verbaut. Diese Triebwerke sind so zuverlässig und ausgereift, dass man sich dazu entschloss, sie für das SLS weiterzuverwenden. Alle vier Triebwerke, mit denen gestern Morgen Richtung Mond gestartet wurde, sind übrigens bereits mehrfach mit den fünf Orbitern in den Weltraum geflogen. Leider sind sie nun nicht mehr wiederverwendbar und verglühen nach dem Abtrennen der ausgebrannten ersten Raketenstufe, wenige Minuten nach dem Start. 

Eine interessante Information am Rande: Dieses Meisterwerk eines Triebwerks beruht übrigens auf einem Patent des deutschen Unternehmens Messerschmitt-Bölkow-Blohm vom Beginn der Siebziger Jahre. Es ist damit 50 Jahre alte, extrem bewährte Technik. 

Erprobte Space-Shuttle-Technik stellen auch die beiden seitlich angebrachten Feststoffraketen dar, die in der Länge von damals vier auf nun fünf Segmente erweitert wurden und den Hauptschub der neuen Mondrakete liefern. Einmal entzündet, sind sie, im Gegensatz zu den vier Flüssigkeitstriebwerken der Hauptstufe, bis zum vollständigen Leerbrennen nicht mehr regel- und abschaltbar (weshalb man beim bemannten Apollo-Programm auf diese damals noch nicht oder nur schwer beherrschbare, hochgefährliche Technik verzichtete). Noch Seiten könnte ich hier anfügen, ich will’s jedoch nicht übertreiben. 

Traurige Ignoranz eines grandiosen Meilensteins

Eine simple Wahrheit ist meines Erachtens die folgende: Wir sind als Öffentlichkeit inzwischen einfach verwöhnt, was das selbstverständlich gewordene Funktionieren von Technologie betrifft. Wir sind gewohnt, dass unser iPhone in unserer Hand über Jahre fehlerfrei seinen Dienst tut (mein Nummer eins von 2007 läuft übrigens noch immer fehlerfrei), Autos, Waschmaschinen, Computer, Mikrowellen und Kameras sowieso. Selbst jene putzigen Zeitgenossen, die vehement Technologie verteufeln, die alle sechs Apollo-Mondlandungen der Sechziger und Siebziger Jahre leugnen oder die Erde weiterhin für eine Scheibe halten, können dies auf ihren High-Tech-Geräten in alle Welt posten, während sie digitale Bildsensoren, Schaumstoffmatratzen, kratzfeste Brillengläser, Klettverschlüsse, Solarzellen und simple Babynahrung gedankenlos benutzen – ohne zu realisieren, dass sie diese „banalen“ Alltagsprodukte der Raumfahrttechnologie verdanken. 

Angesichts der gerade wieder so vehement vorgetragenen Kritik bezüglich des Themas Raumfahrt, sowie (und dies noch in weit erschreckenderem Maße) die geradezu traurige Ignoranz eines grandiosen Meilensteins des wissenschaftlichen Fortschritts betreffend, ist dieser Text ein kleines Plädoyer für die menschliche Neugier und die Suche nach Erkenntnis. Mein Respekt und meine Hochachtung gelten den ungezählten Beteiligten dieses Mammut-Projektes. Möge es von Erfolg gekrönt sein.

Schließen möchte ich mit den Worten des unvergessenen Carl Sagan, der, wie so oft, die passenden Worte zu dieser Thematik gefunden hat: 

„Die Visionen, die wir unseren Kindern bieten, gestalten die Zukunft. Es kommt darauf an, was diese Visionen sind. Die moderne Wissenschaft ist eine Reise ins Unbekannte, mit einer Lektion in Demut, die an jedem neuen Abzweig wartet. Vergessen wir es nicht: Wir sind seit jeher Raumfahrer.“ 

Dieses Kurzvideo der NASA ist eine inspirierende Zusammenfassung des neuen Mondprogramms. Anschauen ist daher äußerst empfehlenswert. 

 

Jörg Schneidereit, geb. 1968 in Jena, ist seit rund 25 Jahren freiberuflich als Schmuckdesigner, Fotograf sowie Restaurator ehrwürdiger historischer Gebäude in Irland und Deutschland tätig. Nach 15 Jahren auf der grünen Insel lebt er nun auf einem 600 Jahre alten, selbst restaurierten Hof nahe Jena.

 

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Foto: nasa

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Leserpost

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Arne Ausländer / 17.11.2022

@Ludwig Luhmann: Die Suche nach dem Einstein-Zitat hat mich - über sonstiges beim Hochlader der CCC-Schrift - zu Interessantem geführt, wovon ich zuvor nichts wußte: zu “Extropy: Journal of Transhumanist Thought”, den fast vergessenen Cyberpunk-Habitus der technokratischen Propaganda. - Ihre Antwort gestern zu den Guidestones war mir nicht entgangen. Auch da habe ich noch etwas weiter nachgeschaut: Nach Beschädigung und darauffolgender Beseitigung der Steine ist deren Wiederaufrichtung von der Gemeinde dort angekündigt worden. Jenes Städtchen Elberton ist schließlich schon eine Freimaurer-Gründung. Und es beherbergt auch noch den skurilen neo-osmanischen Yaarab-Tempel der “Shriners”, explizit mit den örtlichen Maurern und Rosenkreuzern verbunden. Das geht z.B. aus einem (leider recht reißerisch aufgemachten) Video “Georgia Guidestones - Countdown zum Great Reset?” hervor, das noch auf Youtube zu finden ist. Es taugt zumindest als Quellenreservoir. Vieles hält der Überprüfung stand, mein Mißtrauen gegenüber dem Kanal bleibt trotzdem. Nur: wer sich auf 100% saubere Quellen beschränken wollte, wird “verdursten”. Man muß schon seine Filtermethoden anwenden, überall, aber dann erfährt man schon so manches, was durchaus Hand und Fuß hat. Aber einem nie vorgesetzt würde.

Sabine Heinrich / 17.11.2022

@Ilona Grimm: Volltreffer! Prima! Danke!

PeterBernhardt / 17.11.2022

@Bernd Schreller ******************** “Einstein ein Hochstapler?”  David Hilberts Triumph über Einstein, ein Triumph der Mathematik über die Physik David Hilbert Zitat; „Für einen Mathematiker haben Sie zu wenig Phantasie, sie sollten Dichter werden. „Mathematik ist die Grundlage alles exakten naturwissenschaftlichen Erkennens.“  

Sam Lowry / 17.11.2022

p.s.: Zudem noch die Strahlenbelastung durch den Van-Allen-Gürtel. “Die Äquivalentdosis der Strahlung beider Hauptzonen beträgt hinter 3 mm dickem Aluminium unter extremen Umständen bis zu 200 mSv/h (Millisievert pro Stunde) im Kernbereich des inneren Gürtels und bis zu 50 mSv/h im Kernbereich des äußeren Gürtels. Zum Vergleich: In Europa beträgt die mittlere Strahlungsdosis auf Meereshöhe etwa 2 mSv/a ≈ 0,2 µSv/h.” Aus Wikipedia… für Interessierte.

Sam Lowry / 17.11.2022

Was wäre wenn? Das Triebwerk auf dem Mond für den Rückflug nicht zündet? Das Andocken nicht klappt? Für mich wäre das nix… aber meinen größen Respekt denen, die dieses Risiko eingehen werden…

Talman Rahmenschneider / 17.11.2022

An Autor: Später, nicht mehr Baby, mal mit den Übungseinsätzen im Norden von Island verglichen? Eine seltsame Schwerfälligkeit in dem ganzen jetzigen Unternehmen, die anno 1969 irgendwie zu fehlen scheint. Ob die Alus doch Recht haben? Oder was damals alles leichter, unbeschwerter im Aufbruch nach den Kriegen?

Arne Ausländer / 17.11.2022

@Ludwig Luhmann: Das Einsteinzitat lautet wohl korrekt: „Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen, und nicht mehr davon geistig erfasst haben, als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frißt.“ Archive,org führte zur “Datenschleuder” Nr.38 des CCC von 1992, wo das Zitat als aus Einsteins Eröffnungsrede zur Berliner Funkausstellung 1930 stammend bezeichnet wird. Es stammt also aus einem Gelegenheitstext, was mildernde Umstände, aber keinen Freispruch bringt. Vielleicht hat er ja im Kontext noch begründet, worin der Grund zum Schämen liegen soll. Denn selbst Einstein ließ (z.B.) seine Haare wachsen, ohne wirklich zu verstehen, wie die das machen. - Der Fehler dürfte bei den Leuten liegen, die aus guten Fachleuten so gern Universalgenies und Helden machen. Da entstehen Erwartungen, die einem Menschen nicht angemessen sind. Und so schon manchen in die Hochstaplerrolle gedrängt haben. - Warum regt sich eigentlich niemand über die “Klimaschädlichkeit” der Raumfahrt auf? Also nicht nur dieser Rakete, sondern auch all der anderen, die den Technikschrott der Zukunft in die Höhen schießen. Rethorische Frage: Die wissen natürlich, daß das Klimagerede Propaganda ist.

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