Wer sich maskiert, will nicht erkannt werden. Bisher taten das die Narren während des Karnevals; Bankräuber taten es, wenn sie dienstlich unterwegs waren. Die Bürger staunten, lachten oder erschraken. Heute müssen sie sich selbst verkleiden, wollen sie außerhalb essen oder bei Aldi das Katzenfutter holen. Nicht beim Eintritt einer vermummten Gestalt, sondern bei dem eines Menschen mit freiem Gesicht müssen die Verkäufer den Knopf unter der Ladentafel drücken. Es herrscht Maskenpflicht in Corona-Deutschland.
Was sie bewirkt, ist zweifelhaft, jedenfalls nicht medizinisch geboten. Sind doch die von der Atemluft durchnässten Lappen vor Mund und Nase Virenfänger, auf denen die Erreger kleben wie die Fliegen auf den braunen Leimruten, die man früher in der Küche aufhängte. Ein ziemlich ekliger Anblick, soweit ich mich erinnere. Nichtsdestotrotz mögen sich die Einfältigen mit ihrer Maskierung in Sicherheit wiegen. Warum sollte der Glaube, da er Berge versetzt, nicht auch die Viren killen.
Vor allem aber wird mit der Maskenpflicht die Angst weiter befeuert, das Gefühl einer Bedrohung, die jeden Zweifel an der Notwendigkeit des staatlichen Angriff auf die Grundrechte der Bürgers untersagt. Denn was gilt noch der Freiheitsanspruch des Einzelnen, sobald es um alle geht, um den Erhalt der „Volksgesundheit“, von der schon vorzeiten einmal die Rede war. Mit dieser Bauernfängerei lässt sich das Volk seit jeher für dumm verkaufen.
Eine Menge gesichtsloser Lebewesen
Wo sie verfängt, verwandelt sich die bürgerliche Gesellschaft, die Gemeinschaft autonomer Persönlichkeiten, in eine Menge gesichtsloser Lebewesen. Jeder für sich verliert seine Bedeutung. Er zählt nur noch als Teil der Masse, für deren Erhalt er einzig und allein existiert. In der islamisch beherrschten Welt verhält es sich bis heute so. „Das Individuum“, sagt Necla Kelek, „wird nicht gefeiert, der Einzelne dient der Großfamilie.“
Um in der Geschichte Mittel- und Westeuropas auf ähnliche Verhältnisse zu treffen, müssten wir über zweihundert Jahre zurückschauen, auf die Endzeit absolutistisch geführter Gesellschaften. Mit Blick auf die Zukunft schrieb Immanuel Kant damals,1783: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus einer selbst verschuldeten Unmündigkeit.“
Im Zuge der politischen Verwirklichung dieser philosophischen Vorschau entstand die bürgerliche Gesellschaft. Was sie vor allem garantieren sollte, war die Freiheit eines jeden, das Dasein ohne geistige Bevormundung durch die Obrigkeit. Dass das nicht allen immer bewusst war, auch manche die Risiken einer unabhängigen Existenz scheuten, ändert nichts daran, dass den Regierungen das Recht genommen war, über das Volk wie über eine Herde von Untertanen zu verfügen.
Nur die Diktatoren der jüngeren Geschichte, die nationalsozialistischen wie die kommunistischen, haben sich kaltschnäuzig über diese Conditio sine qua non der aufgeklärten Welt hinweggesetzt, die Bürger ihrer Rechte und Freiheiten beraubt, indem sie versprachen, für alles und jedes zu sorgen: für den Unterhalt sowie für die Gesundheit des Volkes. Die angemaßte Fürsorge rechtfertigte den Zweck der totalen Machtentfaltung.
Die Westentaschen-Monarchen blasen zum Rückzug
Dass sich die Politiker unserer Tage jetzt mit gleicher Absicht zu Rettern in der Not aufgeschwungen haben, soll ihnen nicht unterstellt werden. Es genügt schon, dass sie der Versuchung unumschränkter Herrschaft in der Krise nicht widerstanden. Selbst einem aus dem eigenen Stall, Wolfgang Kubicki, kam das vor, als ob sich die Regierenden wie kleine „Sonnenkönige“ aufführten, die „den Eindruck vermitteln, die Gewährung von Freiheiten seien Gnadenakte“.
Aber eben deshalb können alle „Lockerungen“ jetzt auch nur mit Bewährungsauflagen verkündet werden. Einerseits müssen die Westentaschen-Monarchen zum Rückzug blasen, weil sie die Duldsamkeit des Volkes überschätzten, weil immer mehr herauskommt, dass sie im Rausch des autoritären Vormarschs überzogen haben.
Andererseits müssen sie zugleich alles versuchen, dass man ihnen genau darauf nicht kommt. Um selbst das Gesicht zu wahren, brauchen sie eine Maskenpflicht, die uns bei jedem Einkauf und jedem Besuch im Kaffeehaus daran erinnert, dass wir der Gefahr noch längst nicht entronnen sind, dass der Staat sich das Recht vorbehält, den großzügig erlaubten Ausgang von heute auf morgen wieder zu streichen.