Markus Vahlefeld / 11.06.2018 / 12:00 / Foto: Tasnim News Agency / 25 / Seite ausdrucken

Es gibt kein Abkommen mit dem Iran!

Man darf davon ausgehen, dass sowohl die Leser der Achse wie auch deren Schreiber recht gut informiert sind. Was wir alle wissen: 2015 wurde – wie uns die Deutsche Welle informierte – ein „Atomabkommen mit dem Iran unterschrieben“. Was wir weiterhin wissen: 2018 hat Donald Trump den Ausstieg aus eben diesem Atomabkommen verkündet. Darüber waren die einen froh, während die anderen recht unglücklich schienen – vornehmlich die natürlich regierungskritischen deutschen Qualitätsmedien und eben die deutsche Bundesregierung, in dessen Dienst die deutschen Qualitätsmedien bekanntlich niemals stehen würden. 

"Entsetzen" habe der Ausstieg "international hervorgerufen", schrieb die FAZ. Und die Süddeutsche Zeitung ließ verlauten: "Mit der Beendigung des Atomabkommens mit Iran sendet Trump ein fatales Signal über die Verlässlichkeit der USA." Künftig, so war der Tenor, sei kein Vertrag mit den USA das Papier noch wert, auf dem er stehen würde.

Die deutsche Regierung und mit ihr die europäischen Partner – und nicht zu vergessen: die äußerst regierungskritischen deutschen Qualitätsmedien – wollten unbedingt an dem Atomabkommen mit dem Iran festhalten. Vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgte sich um die Verlässlichkeit internationaler Abkommen. So weit und so gut sind die Rollen eben verteilt: hier der schurkenhafte und unverlässliche US-Präsident, der sich vor allem durch rabiate Interessenspolitik auszeichnet – und dort die guten europäischen Deutschen, die ihre naiv zur Schau gestellte Bräsigkeit als Verlässlichkeit verkaufen und den Begriff "Interessenspolitik" im Leben nicht in den Mund nehmen würden.

Bannon kennt seine Pappenheimer

Und dann kam vor wenigen Tagen ein Interview in DIE ZEIT mit dem US-Präsidentenmacher Stephen Bannon. Bannon hatte sich zu zwei Interviewterminen bereit erklärt, unter der Voraussetzung, DIE ZEIT würde neben der üblichen Version auch ein ungekürztes Transkript des Gesprächs veröffentlichen. Das ist außergewöhnlich genug, aber Stephen Bannon kennt halt seine Pappenheimer von den Qualitätsmedien.

Der Gesprächsverlauf ist interessant, zeigt er doch einen Politikermacher, der von der großen globalen Umwälzung träumt. Und diese inzwischen auch in Europa anzettelt. Bannon, der nach eigener Aussage Leninist geblieben ist, vertritt in dem Gespräch die Grundzüge eines nationalen Sozialismus. Hyperaktivität dürfte bei Bannon noch dazu kommen. Politik wie auf Speed.

Aber darum soll es nicht gehen. Vielmehr geht es um folgende kurze Passage:

BANNON: Das Iran-Ding war noch nicht einmal ein Abkommen, es war noch nicht einmal ein unterschriebenes Dokument. Der Iran hat es nie unterschrieben. Das wussten Sie, oder?

ZEIT: Ja.

Das Ding ist kein Abkommen

Das machte mich natürlich stutzig. DIE ZEIT wusste also, dass dieses "Iran-Ding" noch nicht einmal ein Abkommen war und der Iran es nie unterschrieben hatte. Und weil die Leser der deutschen Qualitätsmedien bekanntlich mehr wissen, stand es ganz sicher auch in einer der vorherigen Ausgaben von DIE ZEIT. Stand es aber nicht. Stattdessen schrieb DIE ZEIT am 21. Januar 2018: "Er [Trump] drängt die Europäer, die Gangart gegen den Iran zu verschärfen, wenn die Teheraner Führung sich nicht auf Änderungen einlässt. Die aber scheint nicht dazu bereit zu sein. Präsident Hassan Ruhani pocht auf den unterschriebenen Vertrag und die entsprechende Resolution des UN-Sicherheitsrats."

Nach der Logik, auf der Abendland und Zivilisation beruhen, bleibt nur ein Schluss übrig: Eine der beiden Aussagen muss falsch sein.

Nun gibt es bei völkerrechtlichen Abkommen einen Graubereich. Wenn sich alle daran halten, sind Absprachen wirksam, auch wenn sie nie unterschrieben wurden. Denn Wirksamkeit unterscheidet sich von Rechtsverbindlichkeit. Das Potsdamer Abkommen ist so ein Fall, denn es ist in Wahrheit über ein Abschlussprotokoll nie hinausgekommen. Rechtliche Verbindlichkeit hatte dieses Abschlussprotokoll nie.

Beim "Atomabkommen mit dem Iran" verhält es sich ähnlich: Der Iran hat es nie unterschrieben, weil es gar kein rechtsverbindliches Abkommen ist. In der Sprache der politischen Juristen ist dieses "Abkommen" nicht mehr als ein "gemeinsamer, umfassender Aktionsplan". Das Atomabkommen mit dem Iran heißt dann auch in der Fachsprache "Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA)". Er ist eine Willensbekundung und rechtlich nicht bindend. Daher benötigt ein solcher "Aktionsplan" keine Unterschriften.

The Joint Comprehensive Plan of Action

Bereits am 25. November 2015 zitiert die britische Daily Mail aus einer Mitteilung der damals noch regierenden Obama-Administration hinsichtlich des Atomdeals mit dem Iran: "The Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) is not a treaty or an executive agreement, and is not a signed document" (Übersetzung: "Der gemeinsame Aktionsplan ist kein Vertrag oder eine Exekutivvereinbarung, und er ist kein unterzeichnetes Dokument.")

In die Tiefen der Verwaltungssprache einzudringen, ist höchst mühselig. Den "Atomdeal" ein "Atomabkommen mit dem Iran" zu nennen, ist aber bereits die Übernahme von sprachlichen Unsauberkeiten, wie sie sich die Herrschenden wünschen, um die Unverbindlichkeit eines „Aktionsplans“ zu verschleiern. Und es stößt merkwürdig auf, welches Bohei um Gendersternchen und Binnen-Is gemacht wird, politische Verschleierungsausdrücke aber partout nicht hinterfragt werden.

Wenn ein Aktionsplan vom damaligen US-Präsidenten Obama durchgewunken wurde, von der Folgeregierung Trump dann aber anders bewertet wird, sollten die deutschen Qualitätsmedien ihr Geschrei schon danach ausrichten, welche Rechtsverbindlichkeit diesem Aktionsplan, der ein Nicht-Abkommen war, innewohnte. Dass er keinerlei Rechtsverbindlichkeit besaß, wird man in den deutschen Qualitätsmedien nicht finden. Dass fehlende Rechtsverbindlichkeit nur einem Land zupass kommt – nämlich dem Iran –, auch das wird man in deutschen Qualitätsmedien nicht finden.

DIE ZEIT wusste es. Geschrieben hat sie es nicht. Dafür brauchte es Stephen Bannon. Leider.

Foto: Tasnim News Agency CC-BY 4.0 via Wikimedia Commons

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beat schaller / 11.06.2018

Genau so ist es, sehr geehrter Herr Vahlefeld und genau darum hat es Trump auch gekündigt. Um so schlimmer ist das . Verhalten der Europäer, vor Allem Macron und Merkel und die Engländer, (den Junker lassen wir mal ausdampfen). Die lassen lieber, trotz all ihrer Lippenbekenntnisse zu den Juden und Israel, die Mullas ihren Vernichtungskampf der grossen Worte gegen Israel weiter zu machen. und die Ausbreitung ihrer Waffen und Söldner in der Region zu festigen. Die eigenen Leute werden unterdrückt oder ermordet. Das ist schlicht nur blind und falsch, aber feige und typisch für die EU und ihre grossen Führer. Krass, wenn der israelische Präsident auf höchster Ebene für Unterstützung bei den Regierungschefs bitten muss. Ein Trauerspiel auf jeden Fall und vor allem wieder eines mehr. Danke Herr Vahlefeld. Dadurch kommt auch dieses KLEINE DETAIL (ein Vertrag) wieder unters Volk und wirkt vielleicht ein wenig mit, bei denen die das mit der Absichtserklärung nicht gewusst haben. b.schaller

Klaus Metzger / 11.06.2018

Nicht nur der Iran hat diesen “Plan“ nicht ratifiziert. Auch die USA haben dies nicht getan. Auch von dieser Seite her war das Ganze niemals ein völkerrechtlicher Vertrag. Obama hätte dafür die Mehrheit im Kongress benötigt. Dort hatten aber die Republikaner das Sagen und die haben den Iran Deal immer abgelehnt. Die deutschen Medien haben ziemlichen Unsinn verbreitet.

Ivan de Grisogono / 11.06.2018

Danke, eigentlich ist jetzt alles, was man über deutsche Politik und dienende Medien wissen muss, gesagt! Wusste es auch der Aussenminister, hat es die unfehlbare, geliebte Kanzlerin auch verstanden? Irgendwie erinnert mich die Situation auf magische Worte „Relocation“ und „Resettlement“ die im Koalitionsvertrag, scheinbar ganz ohne Hintergedanken auftauchten, und uns plötzlich zu strangulieren beginnen. Horst wird kein Donald werden um uns mit einem „Basta, jetzt reichst“ zu retten?

Paul Mittelsdorf / 11.06.2018

Bannon ein Leninist und National-Sozialist? Könnte der Autor das konkretisieren? Ich habe das Interview gelesen und nicht den Eindruck, daß das etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat.

Dietmar Blum / 11.06.2018

@ Herr W. Schneider: “Qualitäts"journalismus und Differenzierung? A là Flüchtlinge, Asylanten, Migranten?

Sebastian Weber / 11.06.2018

Mit anderen Worten, die Zeit hat wissentlich Fake-News verbreitet. Das ist ein starkes Stück.

Joachim Drescher / 11.06.2018

Das habe ich nicht gewusst. Es ist kein Abkommen, keine verbindlichen Unterschriften. Warum sollen wir auch als deutsche Staatsmedien das Volk davon in Kenntnis setzen. Der deutsche Journalismus ist nicht mehr unabhängig sondern wird gesteuert von der Politik. Andere Meinungen und Ansichten werden verunglimpft.

Jörg Klöckner / 11.06.2018

[Vorsicht: Ironie] Das kann nicht sein, Herr Vahlefeld, wir haben beim DLF unfassbar kompetente, staatlich finanzierte Journalisten - ja, ich glaube, man verwendet diese Bezeichnung auch im Staatsfunk -, etwa den Herrn Peter Kapern. Der ist viel schlauer als Benjamin Netanjahu, als der israelische oder amerikanische Geheimdienst. Ein Mann, der einfach mehr weiß als andere; der hinter die Kulissen schaut - und das sogar aus der Redaktionsstube heraus; der die Reihe der Vertragsbrüche und Lügen des Irans nur als scheinbare erkannt hat; und der es versteht, seine Weisheiten packend zu beweisen und militärisch so zackig zu formulieren, dass man verblüfft ist: der Atomvertrag habe den Iran vom Bau der Atombombe abgehalten, “Zweifelsfrei und nachweislich.” Und wenn dieser Mann sagt, Donald Trump zerschieße den völkerrechtlich abgesicherten Vertrag, dann gilt das als nachgewiesen ... Zweifelsfrei!

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