Rainer Bonhorst / 08.01.2023 / 10:00 / Foto: PIxabay / 23 / Seite ausdrucken

Es geht eine Stradivari auf Reisen

Von Musikern an der Isar wird neuerdings erwartet, dass sie einen Eid auf die gerade aktuelle Außenpolitik ablegen. Und was, wenn so mancher im Orchester geigt, bläst und paukt, der oder die dem rotgrünen politischen Reinheitsgebot nicht gerecht wird?

Zum Jahreswechsel habe ich mich einvernehmlich als Zuhörer von den Münchner Philharmonikern getrennt. Einerseits war mir das Silvesterkonzert zu beethovenlastig. Vor allem aber fehlt mir dieser stattliche Lockenkopf mit seiner Teufelsgeige, der von den Münchnern „im gegenseitigen Einvernehmen“ nach St. Petersburg verbannt worden ist. Aber wozu hat man YouTube. Ich hab‘ mir einfach das Neujahrskonzert des Mariinsky Stradivarius Ensemble reingezogen. Und da war er ja, der Vermisste als Dirigent und Solist mit seiner Stradivari.

Lorenz Nasturica Herschcowici war zwar drei Jahrzehnte bei dem Münchner Laden, längst dienstältester Konzertmeister. Aber was sind schon dreißig gemeinsame Jahre. Ex und hopp. Warum? Ich sage nur: Russland, Russland, Russland! Einerseits das Mariinsky Stradivarius Ensemble in St. Petersburg und, schlimmer noch, Waleri Gergiew, der gefeierte und gefeuerte Chefdirigent der Philharmoniker als Freund und kollegialer Nachbar.

Nun, jetzt sind sie wieder vereint, im Land Putins, dessen Krieg gegen die Ukraine sie nicht vorschriftsmäßig mit Baton und Geige gegeißelt haben. Und siehe da: Das Neujahrskonzert des Stradivarius Ensembles war eine reine Freude. Mehrere Sträusse, Kalman, Lehar, Rossini, Tschaikowsky, Offenbach. Deutlich heiterer als Beethoven. Und die Silberlocken des Meisters hätten nicht prächtiger leuchten können. 

Schmale Combo der politischen Harmoniker

Sorgen mache ich mir aber um die Philharmoniker von der Isar. Warum? Weil so viele von ihnen gar nicht von der Isar sind. Das Orchester hat einen gewaltigen Migrationshintergrund. Nach meiner Zählung mindestens 50 Prozent. Darunter etliche aus politisch ziemlich unkorrekten Heimaten. Ich fürchte, die Rotgrünen von München werden nicht umhinkönnen, sich mal intensiver mit der politischen Haltung ihrer Musik-Migranten auseinanderzusetzen. Der Verdacht liegt doch nahe, dass da so mancher oder manche geigt, bläst und paukt, der oder die dem rotgrünen politischen Reinheitsgebot nicht gerecht wird. Und dann?

Nach den Präzedenzfällen Gergiew und Nasturica kann es auf diese Frage nur eine Antwort geben: Abschied im gegenseitigen Einvernehmen. Also ab in die alte Heimat. Oder dorthin, wo man von Musikern keinen Eid auf die gerade aktuelle Außenpolitik verlangt. Nun gut, da bleiben noch jede Menge Länder, in denen Musik-Freiheit herrscht, und nicht die Münchner Unfreiheit. Nein, um künftige Verfemte mache ich mir weniger Sorgen. Die Welt steht ihnen offen. Sie sind Könner ihres Fachs, was ja anderswo bei der Musik die Hauptrolle spielt. 

Aber was bleibt nach den drohenden Abschieden noch übrig von der feinen Philharmonie? Droht sie nicht zu einer schmalen Combo der politischen Harmoniker zu schrumpfen? Es wäre ein Verlust, aber was kann man machen. Die politische Korrektheit verlangt offenbar ihre Opfer. Auch vom Musikfreund. Es ist nun mal nicht das Gleiche, Lorenz Nasturica Herschcowici und sein Mariinsky Stradivarius Ensemble per YouTube zu genießen, als genösse man vor Ort das Original. Aber die traurige Alternative wäre eine Reise zum kulturellen Nebenkriegsschauplatz München mit seinem Ideologieorchester.    

Foto: Pixabay

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Jörg Haerter / 08.01.2023

Haltung, die richtige Haltung! Woher kenne ich das nur? Sind wir schon wieder so weit? Ich glaube, wir sind drüber hinaus. Was mich aber daran am meisten erschreckt, es machen wieder viele ohne Widerspruch mit. Auch das hatten wir schon mindestens zwei mal. Corona hat es sehr schön gezeigt.

Sabine Schönfeld / 08.01.2023

Hier wären doch eigentlich die Musiker gefragt, für einen langjährigen Kollegen zusammenzustehen, der wie in der billigsten Diktatur wegen seiner Herkunft gefeuert wurde. Gemeinsam Rückgrat zeigen und so lange nicht öffentlich spielen, bis dieser Irrsinn bereinigt wird, das wäre notwendig gewesen. Es sollte schon jemand sein Amt verlassen und zwar diejenigen, die mit ihren politischen Ansichten einfach jeden terrorisieren zu können meinen. Man begegnet den Ansätzen der Diktatur am besten mit zivilem Ungehorsam. Man muss schon lange damit leben in unserem Land, dass die gewählten Anführer nicht eben die cleversten sind und auch nicht sonderlich anständig. Aber ihre Ansichten nachzubeten, dazu kann man niemanden zwingen und man darf auch sicher niemanden kündigen, der das nicht tut. Sich aufrecht dem Unrecht entgegenzustellen, das ist das Gebot der Stunde in Zeiten der Ampel.

Hsns-Peter Dollhopf / 08.01.2023

Unsere “Irrationalität” ist Konsequenz neuronaler Begrenztheit. Besonders Politiker, die sich an komplexen gesellschaftlichen Themen versuchen, empfinden Autokratie schnell als “Problemvereinfacher”.  Ich schlage zur “Vereinfachung” darum einen autokratischen Umgang mit Politikern und Parteien vor! Würden wir die endlich verbieten, hätten wir all deren Probleme mit uns vom Hals. Und könnten wieder ungestört komplexe Musikdarbietungen zur geistigen Anregung (neuronal wie hormonell - ist eh alles miteinander vernetzt in unseren Körpern) genießen.

Hsns-Peter Dollhopf / 08.01.2023

Die Überfallartigkeit überrascht.

Hsns-Peter Dollhopf / 08.01.2023

Herr Bonhorst, Menschen verkomplizieren ihr Miteinander, um es zu vereinfachen. Beständig bauen irgendwelche “Berufenen” Droh- und Spannungspotenziale auf in der Hoffnung, dass deren explosionsartige Entladung zu einer einfacheren Realität führt, die wieder gemeistert werden kann. Die “sozialen Medien” sind ein weiteres Beispiel: Wo man ursprünglich den Austausch unterschiedlichster Meinungen und Standpunkte ertragen musste, rottet man sich zu Ansichts-Gemeinden zusammen und mobbt Unliebsame. Auf die Spitze treiben das die herrschenden Politiker mit Zensurgesetzen. In diesem Sinne ist jede politische Ideologie eine Abstraktion der Wirklichkeit und ihre zugehörige Partei das Werkzeug dazu.

Thomin Weller / 08.01.2023

Als wir noch Papst waren, hat der teuflische Kerl Ratzinger eine Gesinnungs- und Glaubensüberprüfung aller seiner Einrichtungen befohlen. Die mörderisch, ekelige Konrad Adenauer Stiftung ist zurecht aus Russland geflogen. Warum die Thailänder nicht gleiches machen, ist mir ein Rätsel. Bayern ist, sichtbar für jeden der es erkennen will, als eine aktive US Terrorzelle aufgebaut worden. Bayern und staatliche Waffenfinanzierung, es gruselt richtig. Was für ein Blutbad diese baierische Banden angerichtet haben, wird wohl niemals in den Medien dargestellt. Da helfen auch nicht die Münchner Philharmoniker als kulturell wokes Aushängeschild. Historisch einfach mal Klaus Thörner »Der ganze Südosten ist unser Hinterland« Deutsche Südosteuropapläne von 1840 bis 1945 lesen. Ein Reload ist seit Jahren in voller Aktion, Balkankrieg und auch Strauß und Bechtel, nebenbei starb auch ein Bundesnazi(BND) im Hinterland. Das was aktuell passiert ist eindeutig ein Religionskrieg welches ich unter dem “Morgenländischen Schisma” subsumiere, ein weit über 200 Jahre währender Krieg, und es geht nicht um Putin, es geht um Gier nach Rohstoffe, Macht. Besonders peinlich ist dieses deutsche Kulturkartell das die gesamte deutsche Politik bestimmen will. Cancel Culture, Klimaterror und anderes ist nur eine Arabeske des Klerus. Der Klerofaschismus “Und willst du nicht mein Gesinnungsbruder sein, schlag ich dir den Schädel ein”. Möge sich jeder sein eigenes Bild machen.

Dietrich Herrmann / 08.01.2023

Die beste Alternative ist diese Ideologieparteien nicht mehr zu wählen und die Medien-Oberen zu schassen. Weg damit, in die Wüste.

Yehudit de Toledo Gruber / 08.01.2023

Eine wunderbar launisch-formuliertere Klage (“unkorrekte Heimaten”). Köstlich! Man möge sie dem Münchener Oberbürgermeister auf den Tisch legen. Wiederum brächte das wahrscheinlich gar nichts. Denn der seltsame Herr Reiter kümmert sich um gaanz andere Dinge. Was man nicht nur mittels der Entscheidungen seiner politischen Kulturfunktionäre erleben - sondern auch an dem mehr und mehr verlottertem Zustand in dieser ehemals tollen Metropole sehen kann. Eine Weltstadt ist das hier nicht - und schon gar keine “mit Herz”.

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