Rainer Bonhorst / 26.02.2020 / 17:00 / 7 / Seite ausdrucken

Erste Brexit-Opfer: Pomeroy und Winterbottom 

Eine der tragischen Folgen des Brexit ist in der Münchener Innenstadt zu beobachten. Dort schließt wohl bald, wie ich in meiner heimatlichen Zeitung lese, ein Geschäft mit dem schönen Namen „Pomeroy & Winterbottom“. Geschäft und Namen können als Symbol für die glücklichste und zugleich kurioseste Verbindung zwischen dem Königreich und unserer Republik betrachtet werden.

Zunächst der Name: Für den gewöhnlichen Engländer sind die Herren Pomeroy und Winterbottom nur ganz normale Landsleute der oberen Mittelschicht beziehungsweise der mittleren Oberschicht. Er würde sich fragen: Was soll das Theater um die beiden? Wir Deutschen hingegen wissen, dass es sich bei Pomeroy und Winterbottom um unsterbliche Silvester-Ikonen handelt. In unserem Land ist der Jahreswechsel ohne „Dinner for one“ nicht mehr vorstellbar. Und zu diesem festen Party-Bestand gehören – neben dem teutonischen Admiral von Schneider – eben auch die extrem englischen Herren Pomeroy und Winterbottom. (Der Ordnung halber seien auch Sir Toby, der Butler James und natürlich Miss Sophie erwähnt.)

Das Humorige des Geschäfts-Doppelnamens, das jedem Deutschen gleich ins Auge springen dürfte, wird einem Besucher aus England ganz und gar entgehen. Denn das „Dinner for one“ spielt auf der Insel buchstäblich keine Rolle, weder an Silvester noch zu anderen Zeiten. Wir haben es hier mit einem Humor-Transfer zu tun, der der Europäischen Union mehr schmeicheln sollte als alle ihre Harmonisierungs-Verordnungen. Dieser Humor-Transfer ist allerdings ganz ohne Brüssel entstanden. Er ist der freien unternehmerischen Kreativität der klassischen Fernseh-Größen Peter Frankenfeld und Heinz Dunkhase zu verdanken, die das literarische Kleinod bei einem Besuch in Blackpool entdeckten und nach Germany exportierten.

Bezeichnend ist auch, dass der Laden-Besitzer Wally F. Schoch kein Engländer ist sondern ein gebürtiger Deutscher, der vor allem in Kanada, aber auch in England sozialisiert wurde, ehe er sich wieder in Bayern niederließ. Als sozialisierter Angelsachse verkauft er englische Spezialitäten, als Bio-Deutscher versteht er die humoristische Zugkraft der beiden Herren vom „Dinner for one“. 

Ein kleiner Schock für anglophile Deutsche

Für den einen oder anderen Briten dürfte der Gedanke verstörend sein, dass ganz Deutschland ein Stück Humor versteht, der ihm selbst ganz und gar verschlossen bleibt. Aber das ist nicht der einzige Schock, den Briten in Sachen Humor verkraften mussten. Ihre Grundüberzeugung, dass der Deutsche genetisch zur Humorlosigkeit verdammt ist, wurde schon vor Jahren erschüttert, als eine internationale Umfrage feststellte, dass in Germany angeblich mehr gelacht wird als in England, der Heimat des feinen englischen Humors.

Hier nun ein kleiner Schock für anglophile Deutsche, die der Illusion nachhängen, der englische Humor sei überaus fein. Ist er nicht. Englische Komödianten waren und sind im Zweifel Meister der eindeutigen Zweideutigkeit. Es darf laut gelacht werden, ob etwas gehoben, wie in der Serie „Fawlty Towers“ mit John Cleese, oder ganz unten, wie bei Benny Hill, dem längst verstorbenen Meister der zu Boden fallenden Damenschlüpfer. Ein im Wortsinne schlüpfriger Humor. Leise Erzähler wie Loriot oder vor ihm ein Heinz Erhardt sind überhaupt nicht englisch sondern Vertreter dessen, was wir Deutschen unter englischem Humor verstehen. Die heutige Masse der lauten Comedians auf deutschen Bühnen und in deutschen TV-Programmen ist dem deftigen Anglo-Humor näher als manchem lieb sein mag. 

Soweit diese nachkarnevalistische Betrachtung. Zum Abschluss ein Hoffnungsstrahl: Die Zauberformel zur Umgehung von Brexit-Problemen heißt Irland. Engländer mit irischem Migrationshintergrund holen sich in Scharen irische Pässe, um sich die besten beider Welten zu sichern, die von Brüssel befreite britische und die europäisch unierte. Auch Mr. Schoch denkt darüber nach, sich auf irische Importe zu verlegen, um den drohenden englischen Zöllen zu umgehen. Bleibt noch zu sagen: Einer der leisesten und für deutsche Ohren „englischsten“ Humoristen der Doppelinsel war ein Ire. Der inzwischen ebenfalls verstorbene Dave Allan erzählte seine Scherze leise und kühl von einem Barhocker aus. „Englischer“ geht es nicht. 

Und ganz zum Schluss noch etwas: Da die meisten meiner Zeugen englischen und deutschen Humors nicht mehr unter uns weilen, ist nicht auszuschließen, dass heute alles ganz anders ist. In diesem Fall bitte ich, diese Reminiszenzen eines alten Weißen Mannes mit angelsächsisch geprägten Lebensabschnitten einfach zu ignorieren. 

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Leserpost

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Ludvik Medved / 26.02.2020

Herr Bohnhorst, Ihre Worte haben warme, nostalgische Empfindungen ausgelöst. Ich analysiere sie nicht! Das würde die innere Wärme vertreiben… Vielen Dank, von einem anderen alten Mann!

Hans-Peter Dollhopf / 26.02.2020

Demnächst wollen die EU-Dumpfbacken den Englischen Garten in München loswerden mit einer Petition “Umbenennung des Englischen Gartens in München in Europäischen Garten”. Ihnen ist es nicht zumutbar, wie “der größte Park in München mit dem - unserer Ansicht nach - europafeindlichen Verhalten Großbritanniens assoziiert wird.” Häh?  

Jens Richter / 26.02.2020

Über “Dinner For One” wird auch nur in Deutschland gelacht. In England kennt man das nicht und wenn doch, dann macht man sich über die Deutschen lustig, die so etwas als Humor und gar noch britschen Humor verstehen. Aber gut, hier im UK liegt die Messlatte auch viel höher. “The League of Gentlemen” kann ich empfehlen (BBC). Darüber können auch Briten lachen.

Donald Adolf Murmelstein von der Böse / 26.02.2020

THE APES OF GOD (1930) von Wyndham Lewis könnte etwas für Sie sein.  Der Roman (zirka 1000 Seiten) gehört zu den „1000 Bücher die man gelesen haben muß“. Das Buch wurde in vielen Sprachen übersetzt – nur nicht ins deutsche. Es gibt kaum einen englischen Schriftsteller, den die Briten (Bloomsbury Group) mehr hassten als Wyndham Lewis.

Andreas Rühl / 26.02.2020

Nun stellt sich die Frage, ob Dinner for one typisch für englischen Humor ist und sodann, weitgehender, was eigentlich englischer Humor ist? Vielleicht versteht der Engländer unter Humor etwas anders als wir? Wer diesen Verdacht schon einmal hegte, sollte sich zur Bestätigung einfach dort umsehen, wo der Deutsche keinen Humor erwartet, ja will, wenn nicht gar hasst oder zumindest nicht schätzt. Parlamentsdebatten. Wissenschaftliche Publikationen etwa. Das Problem des deutschen Humors ist nicht, dass es ihn nicht gibt, sondern dass er eingesperrt wird, dass ihm Zonen zugewiesen werden, aus denen er nicht heraus darf. Etwa die Religion. Oder politisch heikle Fragen, denken wir an den Atomstrom. Es ist die besondere Leistung Loriots gewesen, dass er die deutschen Humor-Enklaven nicht akzeptiert hat, sondern, zudem, verlassen hat. “Otto Mohl fühlt sich wohl am Pol ohne Atomstrom”. Das war ein Tabubruch! Dass am Sylvester die Leute zu viel trinken und die Wegsteuer verlieren (wie man bei uns sagt) und dies zu Kalamitäten führt (auch ohne Tigerfell), ist ja nun nicht gerade ein Tabubruch. Der englische Humor hingegen hat gar keine Tabuzonen. Er ist überall. Im Unterhaus, in der Werbung (ich denke an die Ceddar-Werbung, in der eine Maus zu “Eye of the tiger” mit einer Mausefalle Bodybuildingübungen veranstaltet) und so weiter. Humorfrei ist eigentlich nur die Berichterstattung über das Königshaus. Es sei denn, spitting image nimmt sich diesem versoffenen und verlotterten Haufen an. Und: man kann in England über das alkoholschwangere Königshaus nebst wild rumrammelnder Familie lachen und gleichzeitig überzeugter Monarchist sein. Das wäre bei uns unmöglich. Entweder man lacht über Merkel oder man wählt sie nicht. Und das liegt einfach daran, dass der Deutsche das Lachen über jemanden als Herabsetzung nicht nur erlebt, sondern aus dem Grund auch gerne betreibt. Hauptsache, es lacht niemand über mich! Dann ist Schluss mit lustig.

Manni Meier / 26.02.2020

Also so langsam schlägt’s 13! Jeder anständige MiHiGru Deutsche hat mindestens zwei Pässe, ein traumatisierter Flüchtilant verfügt über 10 bis 14 dieser Dokumente und nun besorgen sich die Engländer auch noch irische Papiere und wer weiß, wenn die Schotten… Also, to make a long story short, ich will auch noch ‘nen Pass. Bin in Magdeburg geboren und habe deshalb jetzt zusätzlich einen DDR-Pass beantragt.

Immo Sennewald / 26.02.2020

Nette feuilletonistische Etüde - Dankeschön. Monty Python bleiben für mich im Deutschland der moralinsauren Weltenretter ebenso verlässliche Antidepressiva wie Loriot und Erich Kästner, Morgenstern und Ringelnatz, Karl Valentin, der brave Soldat Schwejk… Ihnen allen gemeinsam: Sie sind für kollektivistische, geschweige totalitäre Propaganda kaum tauglich. Das unterscheidet sie von den medialen, Feindbilder als witzig ausgebenden Parteigängern vom “Stürmer” der Nazis bis zum “Eulenspiegel” der SED und ihren Nachfolgern in den ÖRR. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, nicht im ideologisch gleichgeschalteten Schwarm.

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