Thomas Rietzschel / 22.10.2014 / 10:37 / 9 / Seite ausdrucken

Erst nehmen wir Erfurt und danach Berlin

Wir wollen nicht den Teufel an die Wand malen, nicht die Kassandra geben. Aber erwägen muss man den Ernstfall schon: die Rückkehr der Kommunisten an die Macht. Immerhin ist die SPD in Thüringen gerade dabei, Bodo Ramelow, den Chef der Linkspartei, in den Sattel des Ministerpräsidenten zu heben.

Nur um noch irgendwie mitregieren zu können, und sei es in der zweiten Reihe, wollen sich die Sozialdemokraten abermals unter das Kommando eines Kommunisten begeben, genauso wie seinerzeit in der Ostzone, als sie sich 1946 in die SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, eingliedern ließen. Insofern trifft es durchaus zu, wenn die Berliner SPD-Spitze das, was eben in Thüringen geschieht, als „Normalisierung“ bezeichnet. Dass die Genossen hoffen, danach „mit der Linkspartei auf Bundesebene“ reden zu können, lässt Schlimmeres noch befürchten. Werden sie sich bald schon wieder als die Steigbügelhalter einer radikalen Kaderpartei vor der Geschichte blamieren?

Geschichtsvergessen genug wären die Sozialdemokraten allemal. Schon jetzt verschwenden sie keinen Gedanke mehr daran, dass es die Kommunisten waren, die sie Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts gemeinsam mit den Nationalsozialisten verprügelt haben, um sie später als „Sozialfaschisten“ zu diffamieren. Alles vergessen, Schnee von gestern, wenn es um die Macht in der Gegenwart geht. Die Vergangenheit soll der neuen Kumpanei nicht im Wege stehen.

Was da auf uns zukommt, mag man sich gar nicht vorstellen, erst recht nicht, wenn man wie ich gezwungen war, unter den Kommunisten zu leben. Ich habe sie kennen gelernt, ich weiß, wozu sie fähig sind. Anders als ihre sozialdemokratischen Genossen kann und will ich nicht vergessen, was sie auf dem Gewissen haben: die Morde an der innerdeutschen Grenze, die Kriminalisierung und die Ausplünderung des Bürgertums, die Enteignungen, die Folter, die Inhaftierung und die Verbannung Andersdenkender in den Gulag, den wirtschaftlichen Ruin des Landes, den Verfall der Städte, die Zerstörung der Umwelt, die ideologische Indoktrination der Jugend usw. usw.

Wer sich wie Die Linke beharrlich weigert, all diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit als solche zu erkennen, vielmehr darauf besteht, dass die DDR kein Unrechtsstaate gewesen sei, der stellt weiterhin eine potentielle Bedrohung für den Rechtsstatt dar. Freiheit und Demokratie gefährdet, wer mit solchen Kräften gemeinsame Sache machen will. Warum sollten wir diesen Nachkommen roter Diktatoren mehr trauen als den ewig Gestrigen, die heute noch behaupten die Gaskammern der Nationalsozialisten seien eine Propagandaerfindung der Amerikaner? Die einen wie die anderen verleugnen ihre Geschichte.

Allein die SPD scheint das nicht weiter zu stören, nicht im Fall der Kommunisten. Um der Macht willen nimmt sie jede Geschichtsklitterung in Kauf.

Hauptsache, die Pfründe sind gesichert, der freie Zugang zum Fressnapf. Politik in den Zeiten der verblödeten Konsumgesellschaft.

Nein, diese Sozialdemokratie ist nicht mehr die Partei Willy Brandts, nicht einmal die eines Helmut Schmidt, sondern ein organisatorischer Zusammenschluss von Karrieristen, die heute mit dem und morgen mit jenem unter die Decke kriechen. Denn ist der Ruf erst ruiniert, koaliert sich’s völlig ungeniert. Staunen kann man da nur noch über die Unverfrorenheit, mit der diese verluderte Gesellschaft, das Kartell der etablierten Parteien, anderen politischen Kräften, heißen sie nun AfD oder sonst wie, unterstellt, sie seien eine „Schande für Deutschland“.

Wer sich moralisch derartig aufschwingt und gleichzeitig drauf und dran ist, sich mit den bekennenden Nachkommen einer Partei einzulassen, die keinen Pfifferling auf das Recht gab, in deren Folterkellern Tausende saßen, der macht sich selbst keine Vorstellung mehr von den Werten einer freiheitlich demokratischen Ordnung. Ob er, ob sie zu dumm dazu ist oder sich zynisch über alles hinwegsetzt, änderte am Ende nichts an der Gefahr. Die Generalsekretärin der SPD Yasmin Fahimi und ihr Chef Sigmar Gabriel kommen aus einem Stall. Sie haben eine feine Witterung für das, was zu ihnen passt. Es dürfte ihnen nicht allzu schwer fallen, sich in Thüringen hinter Bodo Ramelow von der Linken einzureihen, um dann gemeinsam weiter auf Berlin zu marschieren. Der Ernstfall könnte schneller eintreten, als wir denken.

Gregor Gysi sprach bereits gestern von einer historischen Wende. Es wäre eine Rolle rückwärts, die Restauration einer Vergangenheit, von der ich einmal glaubte, wir hätten sie ein für allemal überwunden. Aber diese Euphorie liegt ja nun auch schon wieder 25 Jahre zurück. Unterdessen werden die Karten neu gemischt - und die SPD wird dabei alles tun, um am Spieltisch zu bleiben: Eine Schande für Deutschland.

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Peter Arbogast / 25.10.2014

Keine Schande für “Deutschland”. Eine Schande für Schumacher, Ollenhauer, Wehner, Brandt und Steinbrück… Wann lesen wir einen Kommentar dazu in der “ZEIT”? Muss ja nicht von Helmut Schmidt geschrieben werden.

Stefan Krikowski / 23.10.2014

Ich danke Herrn Rietzschel für seinen Artikel. Er spricht mir aus der Seele. Die SPD in Thüringen ist moralisch bankrott und komplett geschichtsvergessen. Wie tief muss diese Partei sinken, deren Entstehungsgeschichte ausgerechnet in diesem Bundesland wichtige Orte hat. Es graut einem. 1946 wurde die SPD zwangvereinigt und heute treibt sie es freiwillig   mit den SED-Nachfolgern ... Nun wächst zusammen was zusammengehört! Diese SPD hat auch nichts anders verdient. Aber warten wir ab: Vieleicht macht Ramelow die Simonis. Er hat schon angekündigt, dass er nur bis zur 3. Wahlrunde mitspielt. > Noch eine Anmerkung zum ersten Kommentarschreiber Herrn Christopher Reiss. Was schreibt dieser Mensch für einen Stuss.  Der Mann hat einfach null Geschichtskenntnisse. Er schreibt “Die DDR war im übrigen genau so gut ein Rechtsstaat wie die BRD…”. Nicht schlecht… Von 1950 bis 1953 sind über 1000 Menschen in der DDR von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt und später in Moskau hingerichtet worden! Nachzulesen in “Erschossen in Moskau…” -  Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953. Das zur Rechtsstaatlichkeit der DDR.

Christopher Reiss / 22.10.2014

Vielleicht muss man in der DDR gelebt oder sogar dortiges Unrecht (in)direkt erfahren haben, um den Autor zu verstehen, der ganz alte Geschichten aus den 30érn wieder aufleben lässt nur um einem banalen demokratischen Vorgang einen apokalyptischen Stempel aufzudrücken. Die DDR existiert nicht mehr, genauso wenig wie Folterkeller, Schiessbefehl oder die dafür verantwortliche SED. Vor 25 Jahren wurde dem Spuk ein Ende bereitet, die heutige Linkspartei ist das Ergebnis einer äusserst wechselhaften Geschichte. Personell und strukturell hat diese Partei naturgemäss mit der SED bzw. PDS nicht mehr viel zu tun, eine Vereinigung mit einer westlichen Partei (Oscar und Co.) tat ihr übriges.    Das demokratisch erzeugte Wahlergebnis in Thüringen kann jederzeit als Rot-Rot-grüner Wahlauftrag interpretiert werden. Warum sollte sich die SPD dem mit aller Macht entgegenstemmen? Dazu trennt die 3 möglichen Koalitionäre inhaltlich mehr oder minder nichts, der deutlich sichtbare Linksruck bei den verbliebenen etablierten westlichen Parteien ist nicht zuletzt dem immer stärker werdenden Zulauf bei den “Kommunisten” zu verdanken. Wer neo-liberale Inhalte anbietet, ist ganz schnell weg vom Fenster. Mindestlohn und Mietpreisbremse sind angesagt. Und wo genau ist die Linkspartei eine potentielle Gefahr für den Rechtsstaat? Welche nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren radikalen Ansichten wurden denn in den letzten 10-15 Jahren offiziell verlautbart? Die DDR war im übrigen bei der Gründung genau so gut ein Rechtsstaat wie die BRD bei ihrer Gründung. Nur eben mit einem anderen politischen Modell, welches sich 12 Jahre später nur noch mit mitunter schlimmem Unrecht aufrecht halten liess. Aber auch die BRD watete nicht in Unschuld, hat man doch zwangsweise vielen (wenige Jahre zuvor noch überzeugten) Nazis eine neue demokratische Heimstätte geboten, damit die sich die braune Farbe abschrubbern und u.a. Ministerpräsident werden konnten. Wer potentielle Gefahren für die Demokratie sucht, kann aber problemlos fündig werden. Knapp ein Drittel der Abgeordneten der AfD im neuen thüringischen Landtag haben eine bräunliche Vergangenheit. Deren Chef hat es sich im Wahlkampf auch nicht nehmen lassen die innere Sicherheit der DDR lobend zu erwähnen. Ja, vor ewig Gestrigen und Geschichtsleugnern kann man gar nicht laut genug warnen.  P.S.: hier noch ein Zitatvorschlag für die Rubrik “grosse Denker unserer Zeit”: »Ja, wir haben relativ viele rechtsextreme Einzelfälle.« (Prof. Bernd Lucke, AfD-Chef)

Reiner Schöne / 22.10.2014

Gregor Gysi warb mit dem Spruch: „Die Zeit ist reif, endlich mal von oben nach unten zu verteilen.“ Ist das kein Populismus??? Von linker Seite wird der Zeigefinger sehr gern in die andere Richtung erhoben, aber selbst populistische Anmerkungen machen. Von Links klingt das natürlich ganz anders aber es klingt eben gut, und viele fallen wieder drauf rein. Das Parteiprogramm der Linken will das Grundgesetz aushebelt! Noch keiner bemerkt? Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden. Störung von Versammlungen und öffentlichen Sitzungen, Buchlesungen. Niedermachen der Andersdenkenden sogar öffentliche Denunzierung. Früher waren die Grenzen in den Köpfen, West -Ost, heute sind die Grenzen immer noch da allerdings geht es jetzt darum, das die Linken immer gefährlicher werden und das muss und soll gesagt werden dürfen, aber die Grenzen im Kopf verhindern es. Denn Links ist gut, Rechts ist böse, so die allgemeine Meinung. Für mich ist Rechts gleich Links, entweder beide verbieten oder beide gewähren lassen. Eine echte Demokratie würde beide gewähren lassen.

Paul Mittelsdorf / 22.10.2014

Ich glaube nicht, daß die SPD jemals besser gewesen ist. Auch zu Zeiten Willy Brandts und Helmut Schmidts war sie immerzu bereit, hinsichtlich der Ungerechtigkeiten der Ostzone zu “deeskalieren”. Sie ist immer für den “friedlichen Dialog” eingetreten, der nichts anderes war und ist als der Dolchstoß in den Rücken jener Leute, die in einem autoritären Land nach Freiheit streben. Und warum auch nicht. Alle großen Ideologien des letzten Jahrhunderts waren staatshörige, linke Utopien, die gegen das Bürgertum und die Freiheit des Einzelnen gerichtet waren. Insofern braucht man sich nicht zu wundern über das, was gerade passiert.

Manfred Haferburg / 22.10.2014

Ramelow hat zwei ehemalige Stasi-IM in seinen Reihen, die immer noch meinen, nichts falsch gemacht zu haben. Ramelow hat eine Stimme Mehrheit, wenn er denn gewählt wird. Das heißt im Klartext, dass in Zukunft IM “Fritz Kaiser” oder IM “Sonja” in Thüringen über das Schicksal des Landes bestimmen können. Arme Tante SPD, mit ihren lausigen 4000 Wähler-Stimmen in Thüringen, glaubt sie zu den DDR-Kommunisten unter die Decke kriechen zu müssen, obwohl sie weiß, dass diese die kommunistische Syphilis haben. Der Wähler wird es im Gedächtnis behalten.

Hans-Peter Hammer / 22.10.2014

Die SPD täte gut daran sich an die Worte Kurt Schumachers zu erinnern: “Kommunisten sind nur rotlackierte Faschisten!” Er hatte damals recht, und würde heute wahrscheinlich (wie ich) formulieren: “Ob Rot, Grün, Lila oder Braun, unter dem Lack tobt derselbe Geist!”

Franz Roth / 22.10.2014

Woher kommt denn dieser Zulauf, den die Linke in Ostdeutschland hat? Davon, dass die blühenden Landschaften nicht ganz so gekommen sind wie von Kohl prophezeit? Zum Teil vielleicht. Aber nach 25 Jahren hat sich eine Art DDR-Nostalgie breit gemacht, frei nach dem Motto, dass doch nicht alles schlecht gewesen sei. Auch noch tunlichst befördert etwa vom MDR mit einer ganzen Latte von DDR-Nostalgie-Sendungen. Tja, da lebt es auf, das ostdeutsche Gemüt. Das hat mit Vernunft rein garnix zu tun. 25 Jahre können vieles verdrängen, da nimmt man nicht mehr wahr, dass auch das, was angeblich gut gewesen war, nur das Bonbönchen war, um die Untertanen des Unrechtsstaates bei der Stange zu halten. Panes et circences eben. Und nun ist sie da, die Sehnsucht nach dem Broiler und dem Jus. Und wer verkörpert das? Na klar, Sarah Wagenknecht, wer sonst?

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