Dirk Maxeiner / 07.06.2017 / 18:00 / Foto: Kuebi / 24 / Seite ausdrucken

Erst Gesetze machen, später denken – die Atom-Klatsche

Von Dirk Maxeiner. Erst Gesetze machen, später denken. Die Zeche zahlt so oder so der Bürger. Soeben hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die von Frau Merkel und ihren Getreuen dekretierte Brennelementesteuer verfassungswidrig ist. Die Atomkonzerne können auf Rückerstattung von mehr als sechs Milliarden Euro hoffen, plus sechs Prozent Zinsen.

Der Bund habe keine Gesetzgebungskompetenz für den Erlass der Steuer gehabt, heißt es in der Begründung der Richter. Sie erklärten das entsprechende Gesetz rückwirkend für nichtig. Diese Vorgehensweise wird allmählich zum Standard dieser Regierung. Das hatten die Kritiker  freilich schon zum Zeitpunkt der Verabschiedung vorhergesagt. Am 30. Juni 2011 gab der Verfassungsrechtler Ulrich Battis (Humboldt-Universität Berlin) dem ZDF ein Interview. Darin äußerte er die Auffassung, die Bundesregierung habe in Sachen Brennelementesteuer „ganz schlechte Karten“.

Aber die sah es ganz anders: Es gebe bei der Einführung der umstrittenen Brennelemente-Steuer keine rechtlichen Schwierigkeiten. Einem Sprecher des Umweltministeriums zufolge sei die im Jahr 2000 im Rahmen des Atomausstiegs getroffene Verabredung, dass die Atomkonzerne nicht steuerlich belastet werden sollten, nicht rechtlich bindend.

Von kleinlichen Einwänden oder gar Sachkunde in juristischen, wirtschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Fragen lassen sich Miss Alternativlos & Friends schon lange nicht mehr beirren. Tarnen, tricksen, täuschen: Die Art und Weise, wie viele Gesetze durchgemogelt werden, lässt sich bestenfalls als zynisch bezeichnen. Mit den eigentlich vorgesehenen demokratischen Verfahren hat das allenfalls noch formal etwas zu tun, nicht vom Geist der Verfassung und der Demokratie her.

Das kann man aktuell wieder beim sogenannten "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" beobachten. Obwohl der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages dem Gesetzesentwurf bereits bescheinigte, europarechtswidrig zu sein, obwohl es auch schwere verfassungsrechtliche und sachliche Bedenken gegen dieses Zensurgesetz gibt, soll es noch vor der Sommerpause durchgepresst werden. Das hat gestern der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder angekündigt.

Warum die Eile in einer so wichtigen Frage? Geht es etwa darum, vor der Bundestagswahl die Meinungsfreiheit mal kurz einzuschränken und Internet-Konzerne sowie Nutzer einzuschüchtern, damit die Kritik an der politischen Klasse nicht über die Stränge schlägt? Und wenn die Wahl erst einmal gewonnen ist, dann kann man ja ein bisschen nachbessern. Mit der gleichen Logik könnte man eben die Todestrafe einführen und – nachdem sie irgendwie die Falschen getroffen hat – nochmal überprüfen und nach ausführlichen Beratungen in drei Jahren wieder abschaffen. Ich fürchte, die Meinungsfreiheit ist bis dahin trotzdem tot.

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Leserpost

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Paul Siemons / 08.06.2017

“Teuer wird es in jedem Fall, entweder für Wolfgang Schäuble - oder für E.on und Co.” konnte man gestern bei SpOn lesen. Na, da hat der deutsche Steuerzahler aber noch mal Schwein gehabt, weil der Herr Schäuble die sechs Milliarden bezahlen muss und nicht der kleine Mann von der Straße.

R. Kuth / 08.06.2017

Ist doch alles konform zum Regierungsstil der aktuellen Kanzlerin: Es wird alles nur kurzfristig passend zur TAGESpolitik gestrickt. Einen längerfristigen Plan oder Strategie hat sie nicht, deshalb gibt es auch keinen wirklichen Plan von ihr für die nächsten vier Jahre - außer “Schöpfung bewahren”......

Martin Landvoigt / 08.06.2017

Zur Brennelemente-Steuer: Abgesehen von den juristischen Unmöglichkeiten wäre die Idee gar nicht so schlecht gewesen. Durch die verlängerten Laufzeiten auf abgeschriebene Atommeiler wäre die Öffentlichkeit mit zum Nutznießer von dieser kostengünstigen Form der Energiegewinnung geworden. Warum sollte man Gewinne nicht sozialisieren? Aber das setzt voraus,  dass die Rationalität dieser Entscheidung auch durchgezogen würde. Hätten die EVU dann geklagt? Hätte das Gericht auch so entschieden?  Die Allgemeinheit hätte einen Nutzen gehabt, und die EVUs hätten es verkraften können. Doch dann kam der Tsunami der Atomangst, und jeglich Rationalität war dahin. Panikmache ersetzt jeden vernünftigen Gedanken. Man hat durch aberwitzige und immer absurder inflationierte Forderungen nach Atomsicherheit die verfahren so sehr verteuert, dass niemand mehr einen Gewinn hat.

A. Nowak / 08.06.2017

Die Überschrift “Erst Gesetze machen, später denken ...” suggeriert, die Bundesregieriung bzw. ihre Exponenen hätten nur erst einmal nicht richtig nachgedacht und deshalb Fehler gemacht. Ich fürchte, es ist schlimmer. Legal, illegal - scheißegal: Das ist wohl eher die Maxime, nach der heutzutage sehenden Auges verfassungs-, menschenrechts- und europarechtswidrige Gesetze gemacht werden, wenn das gerade den eigenen Zwecken dient. Wer Augen hat, zu sehen, sieht, daß auch in der Regierungs- und Verwaltungspraxis Gesetzes- und Verfassungstreue zunehmend “optional” werden.

Karl Meier / 08.06.2017

Faszinierend finde ich immer wieder, dass den sogenannten Volksvertretern Dummheit unterstellt wird. Warum? Das Gesetz ist doch ein voller Erfolg für die Konzerne. Es wurden mit einem bewusst schlecht ausformulierten Gesetz sechs Milliarden Euro beim Endkunden eingesammelt. Diese Steuer wurde ja selbstverständlich auf die Rechnung umgelegt. Glaubt denn irgendwer an sinkende Strompreise? Das wird auf der nächsten Hauptversammlung einen schönen “außerordentlichen Ertrag” darstellen. Hätte der Staat wirklich die Absicht gehabt das Geld zu behalten, wäre eine Anpassung der Märchensteuer auf Brennelemente das Mittel der Wahl gewesen.

Josef Sieber / 08.06.2017

Cool - dann bekomme ich ja bestimmt auch die zuviel verlangte Steuer, welche die Stromkonzerne die letzten Jahre draufgehaut haben bestimmt wieder zurückerstattet, oder ??? War doch von Anfang an klar - jahrelange Rechtsstreitigkeiten solange bis es der Bürger vergisst und das Ergebniss steht durch geschickte Lobbyisten schon vorher fest - doppeltes Abzocken ist in der BRD mittlerweile das normalste auf der Welt - es wird nicht Recht gesprochen im Namen des Volkes sondern nur noch im Namen der eigenen Kasse - leider sind neben den Lobbyisten auch die Damen & Herren Bundesrichter nur einfache Lebewesen, die der plumpen Versuchung ihrer eigenen Vorteile folgen.

Fred Forster / 07.06.2017

Sicher wird mal irgendwer ein Buch schreiben, daß sämtliche Rechtsbrüche des verantwortungslosen Merkelregimes penibel dokumentiert. Die schlechte Nachricht: Das wird bei dem Ausmaß der Schandtaten nicht von heute auf morgen machbar sein. Die Gute: Bis das Buch erscheint, ist der kleine Verbieterich und Zensor Masslos längst von der politischen Bühne (leider ungestraft)  verschwunden.

Wolfgang Richter / 07.06.2017

So zeigte sich vor Jahren die Arroganz der Politdarsteller personifiziert als Peer von den Spezialdemokraten, der einfach mal an der steuerlichen Anrechnung der Kilometerpauschale für Arbeitnehmer nach unten schraubte, wohl wissen u. zugebend, daß diese Maßnahme offenkundig verfassungswidrig sein dürfte. Das kümmerte ihn nicht, davon ausgehend, daß die Folgen und erheblichen Rückzahlungen ein Problem der Folgeregierung sein dürften. Vom Verständnis her haben Personen mit solchen Denkmustern nichts auf verantwortlichen Posten im Lande hier oder wo auch immer zu suchen. Er macht ja deshalb jetzt einen auf Bankberater (IngDiBa, sicher nicht ehrenamtlich), Vortragsreisenden u. Aushilfscomedian (zu hoffen wäre, vor leeren Stühlen, aber da hat ja schon die WDR-Böttinger letzt die Werbetrommel gerührt).

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